Erfahrungen mit dem Schärfe-Entwickler JOE und meine Fehler
Gestandene Fotografen machen angeblich keine Fehler. Gelächter. Ich mache regelmäßig Fehler. So wie am letzten Sonntag mit dem JOE. In Ermangelung besserer Motive, hatte ich mich zur Fotografie von Gläsern entschieden. Irgendwie musste ich ja auch mal den JOE (der neue Schärfe-Entwickler von Spürsinn) ausprobieren. Und Gläser sind immer eine feine Sache. Fotografisch nicht einfach, aber reizvoll. Also ran ans Werk und fröhliche Fehlerproduktion.
Ausleuchtung, Hintergrund und Blende
Als Werbefotograf habe ich schon viele Gläser fotografiert. Das war immer ein gutes Geschäft, weil es viele Glashersteller und nur wenige gute Glas-Fotografen gab. In meiner Zeit als Geldverdienfotograf hatte ich für die Glasfotografie ein komplettes Setup, also einen Studio-Bereich mit voll eingerichteten Lichtquellen, passenden Hintergründen und dem ganzen Schnickschnack. Da hat alles gepasst. Heute habe ich das nicht mehr. Also wird im Fall der Fälle das gerade Verfügbare genommen.
Licht. Tolle Sache. Ein wenig von einer Seite, etwas mehr über die Decke, eine Diffusorquelle direkt hinter der Kamera und eine Styropor-Platte auf der anderen Seite. Ok, das war schnell aufgebaut.
Hintergrund. Im Studio hatte ich eine glatte, mattierte Folie. Es gibt solche Spezialitäten, aber die habe ich nun nicht mehr. Als Ersatz nahm ich einen großen Bogen Büttenpapier. Oh Schreck! Ich hatte nicht daran gedacht, dass Büttenpapier nicht glatt, sondern sehr rau ist. Über den Kamera-Sucher sieht man das nicht, aber was dann kommen sollte, hat mir JOE gezeigt.
Blende. In meinen trüben Erinnerungen war noch die Regel präsent, dass eine möglichst große Blendenschließung anzustreben ist. Ok, dann mach ich eben soviel Licht und ziehe den Film so weit hoch, bis ich Blende 11, alternativ Blende 22 erreiche. Ist ja kein Ding. Als Film hatte ich den Kodak T-Max 400 ausgewählt. Es sollte Schärfe brutal und feines Korn geben. Dachte ich … jedenfalls.
Denke immer an die Belichtungskorrektur!
Klar, ich alter Profi habe alles im Griff … dachte ich. Vollkommen vergessen hatte ich die Blendenkorrektur bei Kunstlicht. Normalerweise hätte ich eine 1/2 Blende korrigieren müssen, habe es aber vergessen. Das kam aber erst ans Tageslicht, nachdem die Bilder aus der Entwicklerdose kamen. Da wäre tatsächlich noch mehr gegangen, aber … hier kommt ein kleines JOE-Wunder … durch die Blendentoleranz des Entwicklers waren die Bilder trotzdem noch gut.
Meine Bilder
Eigentlich hatte ich mir das alles ganz anders gedacht. Schärfe ist da und zwar so viel, dass fast die Augen überlaufen. Das mit der Feinkörnigkeit ist aber gründlich in die Hose gegangen.
Warum körnt das Ganze?
An der Schärfe der Bilder ist nichts zu meckern. Im Gegenteil, das begeistert. Aber warum sieht man jetzt plötzlich auf dem eigentlich kornlosen T-Max 400 ein feines aber präsentes Korn? Ok, die Antwort ist sehr einfach. Erstens hatte ich die Belichtungskorrektur bei der Aufnahme vergessen und deshalb produziert eben der Scanner durch seine automatische Scann-Korrektur Korn. Klar, Korn ist immer vorhanden und der Scanner sieht es. Bei etwas unterbelichteten Negativen wird das deutlich sichtbar. Das war Fehler Numero uno.
Und jetzt kommt der Hammer. Der JOE entwickelt so scharf, dass bei (Kleinbild) Blende 11 oder 22 doch tatsächlich die raue Oberfläche des als Hintergrund verwendeten Büttenpapiers sichtbar wird. Aua, das hätte ich mir nie und nimmer träumen lassen. Meine Fehleinschätzung hat also zu Fehler Numero due geführt.
JOE nimmt das mit der Schärfe sehr ernst
Ein Fotograf freut sich immer, wenn etwas so wird wie er es sich vorgestellt hat. In dieser Hinsicht bin ich jetzt enttäuscht. Aber die Enttäuschung betrifft meine Fehler. Ok, als Profi (im Ruhestand) hätte ich das alles wissen müssen. Aber mal ganz ehrlich, wer denkt denn immer an alles?
Mit ein wenig (zeitlichem) Abstand finde ich die Glas-Bilder jetzt richtig gut. Außerdem fällt mir kein Zacken aus der Krone, hier ein paar Fehler zuzugeben. Ganz im Gegenteil, ich stehe voll dazu. Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat die Schärfe. Das nimmt der JOE wirklich sehr ernst. Da steht Schärfe-Entwickler drauf und da ist Schärfe-Entwickler drin. Kein Kompromiss, kein Umweg, kein nachträgliches Basteln an den Bildern. Motiv auf Film, Schärfe-Entwicklung, scannen, für Web verkleinern, fertig. Beeindruckend.
Ob ich diese Schärfe ab jetzt bei jedem Film haben möchte, steht doch stark in Frage. Ich werde es ab und an wieder mal betreiben, aber nicht zur Dauersache machen. Die Bildanmutung der Negative, die ich in HCD 3. Generation entwickele, kommt meiner Fotografie doch deutlich mehr entgegen. Und hier beginnt mein breites Grinsen. Heute stehen so viele unterschiedliche Entwickler zu Verfügung, dass praktisch kein Wunsch offen bleibt. Jeder kann die Suppe wählen, die ihm bezüglich Bildausdruck am besten gefällt. Das gefällt mir.
Wenn es aber um Schärfe geht, kommt der JOE wieder dran. Wahrscheinlich schon bei der nächsten Rutsche mit der Olympus Pen … die ist bestimmt dankbar dafür.