Von Stefan Sasse
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Die Nachricht vom Sonntag Abend dürfte niemanden ernstlich überrascht haben: Joachim Gauck wird der nächste Bundespräsident dieser unserer Republik. Was überraschend ist, sind die Umstände seiner Nominierung. Sie werfen ein bezeichnendes Licht darauf, warum Gauck ein absolut ungeeigneter Präsidentschaftskandidat ist. Er war von Anfang ein Mediengag, und es eine Tragikomödie, dass er das Amt jetzt tatsächlich antritt. Aber der Reihe nach. Erinnern wir uns: 2010, als Horst Köhler ebenso überraschend wie unnötig zurücktrat musste hektisch ein neuer Kandidat gefunden werden. Ursula von der Leyen wollte gerne, hatte aber zu viele Gegner, und Christian Wulff hatte die letzteren nicht und ging Merkel eh auf den Senkel. Außerdem war ein Langweiler und Berufspolitiker nach dem Seiteneinsteiger Köhler, also was sollte da schon schief gehen? Vermutlich hoffte man darauf, dass die SPD und die Grünen zum dritten Mal die immer noch nicht bekanntere Gesine Schwan aufstellen würden. Aber da hatten sie die Rechnung nicht mit dem strategischen Blackout der SPD gemacht. Aus irgendeinem Grund war man dort übereinstimmend der Meinung, dass die Idee eines Springer-Redakteurs, Joachim Gauck zu nominieren, eine brillante Idee sei. Zwar verbindet praktisch nichts die SPD und Grünen mit Gauck - aber es war eine brillante Gelegenheit, der CDU ans Bein zu pinkeln, die sich wochenlang in der bescheidenen Lage befand, Opposition gegen den Mediendarling Gauck betreiben zu müssen. Die Entscheidung, einen Berufspolitiker als Präsidenten aufzustellen war damals so richtig wie heute. Und für SPD und Grüne ist Gauck ein Pyrrhussieg von epischen Ausmaßen.
Gauck ist eine so furchtbar falsche Person für diesen Job. Der Bundespräsident muss eine überparteiliche Gestalt sein. Man kann Wulff vieles vorwerfen, aber übertrieben parteilich war er nicht. Und bevor irgendjemand sich falsche Hoffnungen macht: Gauck ist nicht parteilich in dem Sinne, dass er für eine bestimmte Partei eintritt. Er ist aber extrem parteilich, was seine Überzeugungen angeht. Gauck, man muss das so hart sagen, ist ein Fossil. Er ist ein Greis, Überbleibsel des Kalten Krieges und in seinen Denkstrukturen verhaftet, schlicht - wie es Holdger Platta auf dem Spiegelfechter ausgedrückt hat - "Gefangener seiner eigenen Geschichte". Gauck ist ein Spalter, kein Versöhner. Er wird die Gräben in Deutschland weiter aufreißen und vertiefen, nicht sie zuschütten. Zu allen Themen, die gerade brisant sind, hat Gauck glasklare, polarisierende Positionen. Arbeitslosenhilfe findet er kindisch, die direkte Demokratie albern, Occupy sowieso, Kritik an den Finanzmärkten für ungebührlich, ja gefährlich. Dazu kommt, dass er alle Linken prinzipiell in die DDR-Schublade packt und geradezu innig hasst. Er hält die Vorratsdatenspeicherung "nicht für den Beginn des Spitzelstaats", aber den Protest gegen die Banken für eine Gefahr für die Demokratie? Das soll eine Vaterfigur, ein Präsident für das ganze Land sein? Wenn er in fünf Jahren erneut zur Wiederwahl antritt, wird er im besten Falle alle Erwartungen enttäuscht haben und ein irrelevanter Präsident sein. Im schlimmsten Fall wird er Wunden in die deutsche Gesellschaft geschlagen haben, die über viele Jahre nicht heilen werden.
Um sich die Absurdität dieser Nominierung klarzumachen muss man sich nur vor Augen halten, dass die FDP der CDU offen mit Koalitionsbruch gedroht hat, sollte sie nicht zusammen mit ihr, der SPD und den Grünen (!) Gauck nominieren, und dass die CDU sich dagegen gesträubt hat, weil, Zitat, "er die Öffentlichkeit noch mit Positionen überraschen könnte, die nicht in die Zeit passten. Etwa Gaucks ablehnende Haltung gegenüber der Kritik an den Finanzmärkten". Hallo? Die CDU beschwert sich, dass der Präsidentschaftskandidat der SPD nicht links genug ist? Müssen da nicht alle Alarmglocken schrillen? Die Nominierung eines Menschen, für den Reagan zu weich und Thatcher kompromisslos ist, der in seinen Überzeugungen völlig unbeirrlich steht kann nicht die Antwort sein. Gauck ist ein Charismat, und er ist ein Denker, daran ist nicht zu zweifeln. Aber er ist ein Relikt der Vergangenheit, einer Epoche, mit der das Land endlich abschließen sollte. Der Kalte Krieg ist vorbei, und es wird wirklich Zeit, dass er auch in den Köpfen endet.