Jigten Sumgön wurde 1143 in Kham (Ost-Tibet) geboren. Sein Vater, Naljorpa Dorje aus dem Kyura-Klan, war ein Praktikant des Yamantaka (Sieger über den Herrn des Todes) und seine Mutter Sinmosa Tsünma (1123-1185) eine beeindruckende Yogini aus dem Ba-Klan. Da der Neugeborene von so ungewöhnlichem Adel war, nannte ihn seine Mutter Tsünpa Kyab, „edler Beschützer“. Er hatte noch nicht einmal seinen dritten Geburtstag erreicht, da ließ ihn sein Vater zur täglichen Meditation zu und übertrug ihm seine persönliche Meditationsgottheit Yamantaka. Als er kaum fünf Jahre alt war, starb sein Vater und der Bruder des Verstorbenen, Khenpo Darma übernahm die Erziehung. Er unterrichtete ihn in den Sutras, aber auch im Mantrayana. Schon mit sieben Jahren musste Tsünpa Kyab mithelfen den Lebensunterhalt zu verdienen. Er las aus Heiligen Schriften – eine in Tibet praktizierte Methode um Verdienst anzusammeln, denn durch das abhängige Entstehen sammelt auch die Person Verdienst an, die bezahlt.
Mit acht Jahren begann Tsünpa Kyab öffentlich Belehrungen zu geben. Die Meditationsgottheit, die sein Vater ihm übertragen hatte, Yamantaka, die zornvolle Form des Bodhisattva’s der Weisheit Manjushri war ihm sehr vertraut.
Bereits mit 17 Jahren hatte er tiefe Erfahrungen im Traumyoga gesammelt. Als er 20 Jahre alt war, traf er Gö Lotsawa Lhatä und wurde von ihm in die Praxis des Guhyasamaja und andere tantrische Praktiken eingeweiht. Als er 22 Jahre alt war, brach eine große Dürre über Kham herein. Tsünpa Kyab verkaufte das Wenige das er besaß, um damit den Ärmsten zu helfen. Ein Jahr darauf hörte er von einem Lama in Zentral-Tibet namens Phagmodrupa. Als er diesen Namen nur hörte, erfassten ihn ein tiefes Erschauern, eine spontane Devotion. So beschloss er nach Zentral-Tibet zu gehen.
Auf seinem Weg wurde er immer wieder auf wundersame Weise geführt und beschützt – von Regenbögen, die sich manifestierten, um ihm den Weg zu weisen, oder vom Schützer Dorje Legpa zuerst in der Form eines Hasen, dann wieder in der eines kleinen Buben. Als er mitten auf einem gefährlichen Bergpfad nicht vor und zurück wusste, glitzerten plötzlich OM MANI PAD ME HUM Silben auf – als Trittsteine, um den Weg zu weisen. Während der ganzen Reise verspürte er die Segenswellen seines Gurus. Schließlich manifestierten sich eines Morgens die Schützer in Form eines Ehepaars, das vorgab von Phagmodrupa geschickt worden zu sein. Tsünpa Kyab warf sich voll Demut und Freude in den Staub als stünde er vor seinem Lehrer persönlich. Als er dann endlich in Densa Thil ankam und wirklich vor Phagmodrupa stand, bot er ihm alle seine Vorräte, Tee und sogar sein Pferd als Geschenk an. Phagmodrupa nahm alles an – nur das Pferd lehnte er mit der Begründung ab, er habe nicht die Absicht von seiner Hütte wegzureiten. Phagmodrupa rief alle seine Yogis herbei und stellte mit Zufriedenheit fest: „Endlich sind meine Schüler vollzählig“. Zusammen feierten sie ein großes Fest mit rituellem Essen und Trinken: einen Khorlo Demchog Tshog. Phagmodrupa hatte die Angewohnheit, jedem, der in seine Gemeinschaft aufgenommen wurde, die Bodhisattva-Gelübde abzunehmen, und bei der Gelegenheit gab er Tsünpa Kyab den Namen Ratnashri (Strahlendes Juwel), auf Tibetisch Rinchen Päl.
In nur 30 Monaten übertrug Phagmodrupa nun alle Belehrungen an Rinchen Päl, indem er sie bei dieser Gelegenheit neu und übersichtlich strukturierte. Der fünffache Pfad wurde später von Jigten Sumgön kodifiziert und kommentiert zum Beispiel in seinem Werk: “Die Grauen Schwingen des Fünffachen Pfades“. Kurz vor seinem Dahinscheiden wollte Phagdru noch die Dispositionen seiner drei engsten Schüler testen. So gab er jedem von ihnen ein gleichgroßes Stück roten Filz und gab ihnen den Auftrag daraus einen Meditationshut zu machen. An der Form des Huts gab Phagmodru seinem Schüler Rinchen Päl folgende Prophezeiung: „Die Linie von Rinchen Päl würde sich verbreiten, sowie der Hut vergrößert wurde.“
Im Jahre 1171 zog sich Rinchen Päl in die E-Chung Höhle zurück, um die erhaltenen Belehrungen in die Praxis umzusetzen. In eben dieser Höhle hatte einst Machig Labdön (1055-1153) meditiert. Da die Praxis des Chöd ein integraler Bestandteil des Stufenweges Phagmodrupa’s war, praktizierte Rinchen Päl auch diese Praxis und der Text „Kusali Tshog oder die Methode für Bettler, Verdienst anzusammeln “, der in der Drikung-Linie bis heute verwendet wird, entstand damals. Nach Vollendung der drei Jahre verließ Rinchen Päl 1174 die E-Chung Höhle und begab sich auf Pilgerreise; aber nachdem er einen neuen Gabenherrn gefunden hatte, zog er sich für weitere vier Jahre in die Einsamkeit von E-Chung zurück.
1177 beschloss er wieder zu den Menschen zurückzukehren. 1178 nahm er dann die Novizengelübde, hörte auf Fleisch zu essen und nach seinem Noviziat wurde er dann Mönch. Ein noch lebender direkter Schüler Gampopa’s -Shangsum Thogpa Chökyi Senge (1121-1195), ein Dharma-Bruder Phagmodrupa’s, der den Thron in Densa Thil seit Phagmodrupas Tod innehielt – nahm Rinchen Päl die vollen Gelübde ab in der Tradition der Haimavata Mūlasavāstivādin’s. Als bekannt wurde, dass Rinchen Päl die Mönchsgelübde genommen hatte, baten ihn die Yogis von Densa Thil den Thron zu übernehmen.
In einer Vision erschien ihm Phagmodrupa und sagte zu ihm: “Hier ist nur mehr ein Thron dessen Brokat und Teppich zerschlissen ist – laß ihnen diese Relikte und gehe nach Norden in die Provinz Uru. Also machte er sich mit vier Gefährten auf den Weg. Als sie sich dem Drikung Gebiet näherten, erschien Lhachen Bar Lha, Wächter des nördlichen Sektors des Drikung Mandalas und es heißt, der Fluss hätte begonnen zu murmeln: „Nagarjuna, Nagarjuna…“, denn Rinchen Päl gilt als die Reinkarnation des Nāgārjuna. Er war unterdessen im Drikung Tal angekommen, dem Geburtsort seiner Urgroßmutter Achi Chökyi Dölma. Die Kinder der Gegend machten ihm aus Steinen einen Thron, von dem aus er Belehrungen geben möge… und Menschen kamen von überall her und versammelten sich. Auch an die 100 Mönche fanden sich ein, und Rinchen Päl erkannte, dass hier wohl der Platz sei, wo das von seinem Guru vorausgesagte Kloster errichtet werden sollte. Und so gründete er 1179 den Sitz von Drikung: Densa Drikung Thil und nannte ihn Jangchub Ling (Ort der Erleuchtung). Rinchen Päl hatte vom zukünftigen Kloster die Vorstellung eines Mandalas das von vier Seiten geschützt sein sollte. Diese vier Schützer sind im Norden Bar Lha, Sogra in Tsa Ugh, Chupän Lu, ein Beschützer der Nāga’s; und Tidroma in Tedröm und mit Namgyal Karpo, dem speziellen Schützer für den Serkhang Zentrum.
Rinchen Päl hatte auch gute Beziehungen zu Gönpo Beng, und dieser half ihm dann bisweilen beim Durchsetzen der Disziplin.
1181 machte Rinchen Päl eine Pilgerreise zum Berg Kailasch, dem äußeren Körper-Mandala des Khorlo Demchog. Später – im Jahre 1219 – entstand unter anderem das Kloster Gyang Drag Gön am Südhang des Berg Kailash und das Kloster in Purang.
Wieder zurück in Jangchub Ling unterrichtete Rinchen Päl jeden Tag, Sutra wie Tantra, alte und neue Tradition. Er verneinte jegliche Art von Sektierertum. Er war sehr strikt in seinen selbst auferlegten Regeln und es wird erzählt, er habe selbst den Geschmack von Gerstenbier und Fleisch vergessen!
1191 machte Rinchen Päl mit seinem Major Domus Rinchen Drag in der Tsa Ugh-Höhle Retreat. Diesem war die Höhle zu eng und zu dunkel, so dass Rinchen Päl sie ausweitete und mit seinem Stock eine Öffnung nach Süden bohrte. Seither wird die Höhle Tsa Ugh Lhokar „Höhle mit der südlichen Öffnung“ genannt. 1192 machte Rinchen Päl eine Pilgerreise nach Tsari, danach installierte er das Amt eines spirituellen Platzhalters jeweils für Kailasch, Lapchi und Tsari, die drei Orte von Körper, Rede und Geist des Khorlo Demchog, und schickte jeweils eine Gruppe von 24 Yogis dorthin in Klausur. 1194 ging Rinchen Päl nach Tsari auf Retreat und gründete dann dort ein neues Kloster. Als er nach Drikung Thil zurückkam, gründete er drei Häuser für die Klausner aus den Orten Tsari, Lapchi und Kailash.
1208, als Rinchen Päl seinen Kämmerer Chenga Dragpa Jungnä als seinen Vertreter auf den Thron von Densa Thil schickte, da der Thron doch nun schon lange verwaist gewesen war, wurde Sherab Jungnä sein „Chenga“, sein Kämmerer. Es war seine herausragende Gabe, sich alles wortgetreu merken zu können. Jeden Tag massierte er die schon müden Beine seines Meisters Rinchen Päl, und dabei hörte er aufmerksam den Belehrungen zu und schrieb diese in der Nacht dann auf. So entstand das Gong Chig Yigcha „Aufzeichnungen zu dem Einen Gedanken“.
1214 war Rinchen Päl bereits 71 Jahre alt, erkrankte oft zur großen Besorgnis seiner Schüler und musste dann immer schnell wieder ins Retreat, um wieder neue Kräfte zu schöpfen. 1217 starb Rinchen Päl, und es war Sherab Jungnä, der den Trauerfeierlichkeiten vorstand und danach auch gewissenhaft die Reliquien sammelte und nach Tsari brachte, um darüber einen Stupa zu erbauen. Ein Stūpa wurde dann auch am Fuß des Berges Kailasch errichtet. 1219 wurde dann dort das Kloster in Gyang Drak gebaut.