Jenna Fischer braucht ganz dringend "A Little Help" in ihrem Leben.
Zu Beginn ihrer Karriere wollte eben diese nicht so wirklich in Fahrt kommen. Also hat die heute durch ihre Rolle in der US-Version der Comedyserie „The Office“ bekannte Schauspielerin Jenna Fischer die Sache in ihre eigenen Hände genommen. In der Mockumentary „Lollilove“ von 2004 hat sie sich nicht nur selbst in die Hauptrolle gesetzt, sondern zugleich das Drehbuch geschrieben, den Film produziert und Regie geführt. Ganz schön viel Arbeit für die damalige Film-Newcomerin. Wie gut, dass sie für ihre ersten Gehversuche auf prominente Unterstützung aus ihrem Freundeskreis zurückgreifen konnte: In „Lollilove“ spielen ihr Ex-Ehemann James Gunn, Freundinnen Linda Cardellini und Judy Greer sowie ihr Kumpel Jason Segel. Mit „The Office“ kam dann bekanntlich der Erfolg, der ihr den wirklichen Eintritt in die Filmwelt ermöglichen sollte. Sie spielte neben Will Ferrell, neben den „Saturday Night Live“-Comedians Will Forte, Will Arnett und Kristen Wiig, aber auch neben Hollywood-Veteranen wie Michael Douglas. Nur eine eigene Hauptrolle sollte es nicht sein. Das änderte sich als Serien-Regisseur Michael J. Weithorn sie für sein Spielfilm-Debüt engagierte: Also ihre erste Hauptrolle, die nicht unter eigener Regie entstand. Alles was sie hierzu benötigte, war – dem Filmtitel entsprechend – „A Little Help“.
Der fremdgehende Ehemann Chris O'Donnell
Hier spielt sie Laura, eine Zahnpflegerin in Long Island, deren Leben die absolute Hölle ist. Nachdem ihr Ehemann, der sie betrügt, eine Herzattacke erleidet und stirbt, ist sie auf einmal umgeben von überfürsorglichen Familienmitgliedern. Zuerst sorgen diese dafür, dass sie den Arzt verklagt, der die Verantwortung für den Todesfall tragen soll. Eine fragwürdige Klage, hat ihr Ehemann Bob den Arzt doch über seinen Gesundheitszustand angelogen. Als nächstes überzeugen sie Laura davon, ihren Sohn Dennis in eine teure Privatschule zu schicken, wo dieser wenig herzlich willkommen geheißen wird. Dann erzählt er aber, dass sein Vater als Feuerwehrmann bei den Untaten von 9/11 ums Leben gekommen ist. Seine Lügen nehmen ein Eigenleben an und Laura muss derweil einen Weg finden, sich selbst aus dieser Situation zu befreien, ihren Sohn zu unterstützen und wieder die Kontrolle zu gewinnen.
Das wirklich Schöne an „A Little Help“ ist dann wirklich auch Hauptdarstellerin Jenna Fischer, wie sie von ihrer Filmfamilie als verzogenes Gör angesehen wird, die ihr Leben nicht selbst auf die Reihe bekommt. Und es ist eine bedrückende Komik, Fischer dabei zuzusehen, wie sie die meiste Zeit mit dem Vertilgen von Bierdosen verbringt und darüber auch schon mal vergisst ihren Sohn – gespielt von Daniel Yelsky – von der Schule abzuholen. Dem entgegen steht Chris O’Donnell als Vaterfigur. Er kümmert sich so gut es geht um seinen Sohn, muss aber zugleich den wenig erwachsenen Lebensstil seiner Ehefrau kompensieren und dafür eine gewisse Mehr-Arbeit leisten. Also heißt es mehr Meetings, mehr der Wunsch nach einer anderen Frau. Perfektion sucht man vergeblich in dieser Familie. Die Mutter eine Alkoholikerin, der Vater ein Fremdgeher, Lauras Eltern: eine Frau mit Kontrollwahn und ein Vater, der von der eigenen Karriere als Journalist schwärmt, damals als noch richtige Männer diesen Job ausgeübt haben. Und die Schwester sieht in Laura den größten Loser der ganzen Welt. Gerade in dieser Umgebung voller negativer Stimmungen beweist sich Jenna Fischer als eines dieser raren Talente, die in ernsten Komödien spielen können ohne dabei unwirklich das Weltbild zu verzerren. Fischer bleibt authentisch, überzeugt mit subtilem Humor, der mehr durch eine visuelle Inszenierung als durch Worte zu Tage gefördert wird. Da wirft der Film bereits zu Beginn einen Blick in Lauras Arbeitswelt, wo sie sich über einen Patienten gebeugt unentwegt von einem Papagei im Hintergrund aus der Ruhe bringen lässt. Wortlos fällt da das Handwerkszeug zu Boden, aber auch ein verunsicherter Patient stellt niemals die Anwesenheit dieses Vogels in Frage. Wenn der Zuschauer sie zum zweiten Mal auf ihrer Arbeitsstelle sieht, sollte sie eigentlich gar nicht hier sein, ihr Ehemann ist dann gerade erst verstorben, aber unbekümmert geht sie weiterhin ihrem Alltagstrott nach.
Jenna Fischer mit Rob Benedict
Aber hier beginnen die Lügen, sowohl bei Mutter Laura als auch bei ihrem Sohn Dennis. Während der kleine Sohnemann seine Fantasie dazu nutzt, seinen Vater zu einem 9/11-Helden zu erheben und damit die Gunst seiner Mitschüler zu gewinnen, lernt seine Mutter von einem Rechtsverdreher, dass es manchmal besser ist, sich die Wahrheit so zurecht zu legen, dass man selbst als Opfer dasteht. Nur so erzielt man die bestmöglichen Ergebnisse. Natürlich muss das Lügennetz, das hier gesponnen wird, irgendwann auffliegen, aber bis dahin reicht es aus, um als „kleine Hilfe“ zwei Menschen wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Es sind diese gemeinsamen Lügengeschichten über den verstorbenen Ehemann und Vater, die Mutter und Sohn wieder miteinander in Kontakt treten lassen. Die Prämisse ist gut gewählt, die Mutter-und-Sohn-Darsteller geben ihr Bestes, aber der Film zieht sich zu sehr in die Länge, verstrickt Jenna Fischer in zu viele Nebensächlichkeiten, als das er gänzlich überzeugen könnte. Die zwischendurch erzählten Familiengeschichten werden schon bald zu störenden Elementen, die der Grundstory schaden. Dies geschieht vor allem dadurch, dass sie wertvolle Zeit rauben, die man noch mehr in die Beziehung von Mutter und Sohn hätte investieren können. Denn es sind gerade die immensen Wortgefechte zwischen Laura und Dennis, die äußerst selten zum Vorschein kommen, die hier den besonderen Reiz ausmachen.
„A Little Help“ hätte selbst ein wenig Hilfe nötig gehabt. Der Film findet seinen Fokus nicht, schwirrt irgendwo in der Gegend herum und versucht alles aufzufangen was ihm einfällt. Regisseur Michael J. Weithorn muss hier erst noch lernen, einer nachvollziehbaren Linie zu folgen und sich nicht in zu vielen Motiven zu verlieren: Das schwierige Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, die nervtötende Familie, die Lügenmärchen über den Verstorbenen, eine chemielose Liebesgeschichte innerhalb der Familie oder das auf sich allein gestellt sein von Laura, die zudem noch mit ihrer Alkoholsucht zu kämpfen hat, die hier irgendwann ins Leere läuft, links liegen gelassen wird und keine weitere Erwähnung findet. Schade für den Film, der ein guter Einstand für Weithorn als Regisseur und Fischer als Hauptdarstellerin hätte werden können, wenn man dem Motto „Weniger ist manchmal mehr“ gefolgt wäre.
Denis Sasse
‘A Little Help‘