Jede zweite Reklamation ist unberechtigt

Von Holzi @holztechniker

Bei den Verbänden der Holz- und Möbelindustrie (VHK) in Herford wurde am 26. September die gemeinsame Fachseminar-Reihe mit der süddeutschen DGM-Akademie fortgesetzt. Unter dem Motto „Ihr Unternehmen im Recht?“ ging es für die Kursteilnehmer einen Tag lang um aktuelle Rechtsprechung in der Möbelbranche zum Kaufvertrag sowie Reklamationsvermeidung und Gewährleistung. Die Veranstaltung richtete sich an Möbelhersteller und -händler, Sachbearbeiter, leitende Angestellte, Kundendienstsachbearbeiter und Kundendienstmonteure.

„Jede zweite Reklamation in der Branche ist nicht berechtigt!“, lautete die provokante These des Grundlagenseminars. Umso wichtiger sei es für Möbelhersteller und -händler, eine sachlich richtige Reklamationsbeurteilung und eine fundierte Kundendienstarbeit leisten zu können, um wirtschaftlichen Schaden vom Unternehmen abzuwenden.

Das Ziel dabei: Konflikte und unnötige juristische Auseinandersetzungen vermeiden – und der strategisch richtige Einsatz des „Wundermittels Kulanz“. Dazu wurden den Teilnehmern zunächst Reklamationsbeurteilungen und Stellungnahmen für den industriellen Standard im EU-Raum und international vorgestellt. Referent Rechtsanwalt Jochen Winning lieferte Beispiele von Gerichtsurteilen aus Rechtsstreitigkeiten über Einbauküchen, Schrank- und Polstermöbeln. Im nächsten Seminarblock ging es um die zentrale Rolle des Kundendienstes im Beweisverfahren.

Die beste Reklamation ist die, die gar nicht erst entsteht

Eigentlich, so der Sachverständige Wilfried Gatzke, sei alles ganz einfach: „Der Kunde möchte nur freundlich, ehrlich und korrekt bedient werden, die in der Ausstellung gesehene Ware mit den vom Verkäufer zugesagten Eigenschaften zum vereinbarten Termin in ordnungsgemäßem Zustand geliefert bekommen. Und er möchte, dass sich der Händler oder der Hersteller bei Schwierigkeiten schnell und zuverlässig um ihn kümmert.“ Warum gibt dann es trotzdem eine durchschnittliche Reklamationsquote von ca. 20 bis 50% im Möbelhandel? Zum einen, so Gatzke, entwickle sich die Erwartungshaltung der Kunden, diese würden immer anspruchsvoller, das Geld werde immer knapper, die Menschen im Allgemeinen würden immer ungeduldiger, die Informationsmöglichkeiten immer besser. Der Kunde kenne daher seine rechtlichen Möglichkeiten genau, amateurhafte Leistungen würden sofort durchschaut.

Rechtsstreit oder Service?

Die Frage sei nicht nur, ob man als Hersteller oder Händler Recht habe, sondern immer nur, ob sich der Streit lohne. Die Kosten für einen üblichen Rechtstreit betrügen durchschnittlich ca.2.500 bis 3.000 Euro. Gatzkes Rat an die Anwesenden lautete, es möglichst nicht zu einem Rechtstreit kommen zu lassen. Für die Hersteller und Händler bedeute das frühzeitige Mangelvermeidung. Gatzke beschrieb dazu folgende Mängelkategorien: Mängel, deren Ursache auf Material-, Verarbeitungs-, Montage-, oder Transportfehlern beruhen oder solche, die auf unzureichende Sicherheit oder Qualität zurückzuführen sind. Mängel optischer Art, weil das harmonische Gesamtbild des Produktes bei Lieferung d.h. bei Übergabe (Neuzustand) oder nach einer Reparatur gestört ist. Und schließlich Beratungsmängel, die dazu führen, dass das Produkt die vom Verkäufer oder im Prospekt zugesicherten Eigenschaften nicht aufweist.

Für den Kundendienst solle gelten, dem Kunden immer zu helfen, aber nicht immer zu jedem Preis. Gatzke: „Nein zu sagen heißt nicht, den Kunden zu verlieren, auf die richtigen Argumente kommt es an.“ Ziel sei Kundenzufriedenheit und angemessene Kulanzreglungen ohne gerichtliche Auseinandersetzungen. Dazu erhielten die Teilnehmer Anleitungen zur Verwendung von Checklisten, dem Gütepass mit Produktinformationen, besonderen Hinweisen in Form von Textbausteinen oder als Anhang zum Kaufvertrag mit Nennung von natürlichen oder warentypischen Eigenschaften. Außerdem gab Gatzke Tipps zu richtigen Vorgehens- und Verhaltensweisen der Mitarbeiter von der Auslieferung bis zum Kundendienst. Den Abschluss des informativen Tages bildeten Hilfestellungen zur Rechtssicherheit für das Unternehmen bei Konflikten mit Kunden, gegnerischen Anwälten und Gerichten.

Gatzkes Fazit „Patentrezepte zur Reklamationserledigung gibt es leider nicht. Bedenken Sie jedoch bitte: Wenn Sie nicht glaubwürdig und nachvollziehbar reagieren können, müssen Sie den vielen unangemessenen Forderungen nachgeben.“ Zu den Gewährleistungsrechten gehöre auch ein Nachbesserungsrecht. Und egal wie unangenehm der Kunde manchmal sein könne, gab er zu bedenken, dieser sei auch nur ein Mensch: „Im persönlichen Gespräch sollten Sie dem Kunden stets das Gefühl geben, dass er im Moment die wichtigste Person für Sie ist.“

Die Angebote der DGM-Akademie zu aktuellen Praxisthemen speziell für die Möbelbranche stehen allen interessierten Branchenakteuren offen. Die Reihe wird auch im nächsten Jahr fortgesetzt. Informationen und Anmeldeformulare gibt es unter
http://www.vhk-herford.de/de/mitglieder-info/termine.html .