Jede Mittelmeerinsel hat eigenes genetisches Muster

Schon vor der Zeit der mediterranen Seefahrerzivilisationen gab es prähistorische Wanderungen aus Afrika, Asien und Europa auf die Mittelmeerinseln. Das hat ein Team um den Anthropologen Ron Pinhasi von der Universität Wien gemeinsam mit Forscher*innen der Universität Florenz und der Universität Harvard anhand antiker DNA-Proben festgestellt.

Im Zentrum der Untersuchungen standen prähistorische Individuen aus Sizilien, Sardinien und den Balearen. Die Ergebnisse erscheinen in Nature Ecology & Evolution.

Jede Mittelmeerinsel eigenes genetisches Muster

Jede Mittelmeerinsel hat eigenes genetisches Muster

Das Mittelmeer war eine wichtige Route für Seewanderungen sowie Mittelpunkt von Handelsbeziehungen und Invasionen in der Vorgeschichte. Doch die genetische Geschichte der Mittelmeerinseln ist trotz der jüngsten Entwicklungen in der Erforschung der antiken DNA nicht gut dokumentiert. Jetzt zeigt die bislang größte Studie mit DNA-Daten von 66 Individuen aus dem Mittelmeerraum ein komplexes Muster der Einwanderung aus Afrika, Asien und Europa. Dieses Muster variiert in Richtung und Zeitpunkt für jede der Inseln. So gab es beispielsweise in Sizilien eine neue Abstammungslinie während der mittleren Bronzezeit, die sich chronologisch mit der Expansion des griechisch-mykenischen Handelsnetzes überschneidet.

Sarden stammen hauptsächlich von neolithischen Bauern ab

Eine ganz andere Geschichte zeigen die Foscher*innen im Fall Sardiniens auf: Trotz der Kontakte und des Handels mit anderen mediterranen Bevölkerungen behielten die alten Sarden bis zum Ende der Bronzezeit ein meist lokales neolithisches Abstammungsprofil bei.

Die Forscher*innen fanden bei einer DNA-Probe einer Person aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. einen großen Anteil nordafrikanischer Abstammung. Dies belegt also eindeutig prähistorische Seewanderungen über das Mittelmeer von Nordafrika zu Orten in Südeuropa. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Seewanderungen aus Nordafrika lange vor der Ära der Seefahrerzivilisationen des östlichen Mittelmeers begannen und darüber hinaus in mehreren Teilen des Mittelmeers stattfanden", sagt Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien, ein Hauptautor der Studie.

Die dort untersuchten Individuen aus der Eisenzeit - in der die Expansion und Gründung griechischer und phönizischer Kolonien auf den Inseln des westlichen Mittelmeeres stattfand - hatten nur wenige oder gar keine Vorfahren aus den vorhergehenden alteingesessenen Populationen. "Überraschenderweise zeigen unsere Ergebnisse, dass trotz dieser Bevölkerungsflüsse und Vermischungen die modernen Sarden zwischen 56 und 62 Prozent der Abstammung von den ersten neolithischen Bauern, die vor etwa 8.000 Jahren nach Europa kamen, beibehalten haben", sagt David Caramelli von der Universität Florenz.

Einwanderungen von der Iberischen Halbinsel belegt

"Einer der auffälligsten Befunde betrifft die Ankunft von Personen mit Abstammung aus der Steppe nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres auf einigen Mittelmeerinseln. Obwohl der Ursprung dieser DNA letztlich aus dieser Gegend stammt, kam sie auf den Mittelmeerinseln zumindest teilweise aus dem Westen, nämlich von der Iberischen Halbinsel", sagt David Reich von der Harvard-Universität, der auch als Forscher am Howard Hughes Medical Institute und am Broad Institute of MIT und Harvard tätig ist. "Im Fall der Balearen sind einige frühe Bewohner*innen wahrscheinlich zumindest teilweise iberischer Abstammung", bestätigt Erstautor Daniel Fernandes vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien.

Publikation in Nature Ecology & Evolution:
Fernandes, Daniel M. et al.: "The spread of steppe and Iranian-related ancestry in the islands of the western Mediterranean". Nature Ecology & Evolution 2020.
DOI: 10.1038/s41559-020-1102-0

Wissenschaftlicher Kontakt
Ron Pinhasi, PhD

Department für Evolutionäre Anthropologie
Universität Wien
1090 - Wien, Althanstraße 14 (UZA I)
+43-1-4277-547 21
+43-664-60277-547 21
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Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey

Pressebüro und stv. Pressesprecherin
Universität Wien
1010 - Wien, Universitätsring 1
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Quelle: Pressemitteilung Universität Wien


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