Nachts sind ihre Fahrgäste in der Verlassenheit der Landschaft schutzlos, offenbaren sich, preisen die Schlichtheit, sich aus freien Stücken mitzuteilen, schweben. Fahrgäste eines verkannten Filmstars (Winona Ryder), rudimentär Englisch stotternden Ossis (Armin Mueller-Stahl), impulsiven Schwarzafrikaners (Isaac de Bankolé), dampfenden Sündenitalieners (Roberto Benigni) und leise in sich fühlenden Melancholikers (Matti Pellonpää). Deren Taxis begreift Jarmusch in fünf verschiedenen Städten als Tangente, die Fatalität urbaner Finsternis zu durchschneiden und die inneren Zeichen derer, die ins Taxi steigen, sprachlich zu veräußerlichen: freudenzerbrochene Geständnisse über tote Kinder (Helsinki), ungedämpfte Beichten (Rom), abgeschmetterte Chancen (Los Angeles). Jarmusch betätigt sich nicht mehr vollumfänglich in der Montage von Überschneidungen (vergleiche "Mystery Train"), ausgeprägter zeigt sich sein Interesse darin, die Natürlichkeit des Kultur- und Mentalitätskonflikts herauszuarbeiten, der im quasireligiösen und kathartischen Schutzpanzer Taxi seinem Fahrer wie Fahrenden lebendige Einmaligkeit verleiht. Diese daraus sich abstrahierende Verletzlichkeit, ein Geflecht an Gedanken und Gefühlen ausgestaltet zu haben (herzerweichend: die zum Amüsement freigegebene Nichtbedeutung von Vornamen), definiert "Night on Earth" als semiotischen Film, der den Kleinen zuhört, indem er ihnen schmerzliche Worte überlässt – Worte, die in der Momentaufnahme vegetieren, aber nachhaltig die Figuren entschlossener zum schwungvolleren Ausstieg bewegen.
7 | 10
Originaltext