Betrüblich entmystifiziert Jarmusch Vampire, ihre popkulturelle DNA, diese ehemals triebgesteuerten, hedonistischen Blutsauger, die sich gegen die "Zombies" (Sterbliche) abschotten, verweilen, ihren Mythos nur noch intellektuell dekorieren und traumtänzerisch an jenen Irrealitäten zu knabbern haben, wonach Unsterblichkeit nicht zwanghaft zur Vervollkommnung eines Lebensglückes dazugehört. Im Umkehrschluss bedeutet das: Das Leben ist lebenswert erst dann, wenn es sich der Omnipräsenz des Todes bewusst ist. Sonst gehen Menschen hervor, die Jarmusch als "Vampire" bizarr überschminkt: blass-blasierte Michelangelo-Figuren, umschlungen in absterbender Vertraulichkeit, weiß erbrochene Skulpturen, die in "ihrer" Zeit den Boden verloren haben. Wie in "Ghost Dog" bereitet sich die digitale Postmoderne darauf vor, eine überaltert analoge Moderne zu überrollen – dieser melancholische Gitarrenriff namens "Only Lovers Left Alive" ist zugestellt mit Nostalgiemusik, antiken Schnurtelefonen, antiken Schallplattenspielern, erinnernd an das "Fassbare", leider aber auch Kurzlebige. Und mittendrin ein iPhone. Ein Virus. Denn darüber und darunter, rechts wie links stirbt das Wenige, das sich erhalten hat. Kein Zufall, dass Jarmusch einen Teil der Handlung nach Detroit verlegt, eine Stadt als Symbol des (auch geistigen) Niedergangs. Nichtsdestotrotz bleibt anmutige Zauberei. "Only Lovers Left Alive" malt einen Hoffnungsschimmer. Alle Lebensreisen, die bei Jim Jarmusch unternommen wurden, enden mit der Klarheit, dass es weitergeht, selbst nach der Endlichkeit körperlicher Zerbrechlichkeit.
7 | 10
Originaltext