Ruhig geworden ist es auf diesem Blog.
Zumindest von meiner Seite.
Die Zugriffszahlen dagegen sind weiterhin prima. Dafür vielen Dank
Der Grund für meine Zurückhaltung ist, zumindest für meine Familie und mich, sehr erfreulich: wir sind auf Weltreise.
Wir nutzen das halbe Jahr, bevor unser kleiner Sohn in die Schule kommt, und bereisen einige Ziele, die wir schon lange im Visier hatten (Fotos findet Ihr auf meinem Instagram-Account).
Start war bereits Anfang Februar mit zwei Monaten in Südafrika und Namibia. Die nächste Station, von der wir vorvergangene Woche nach Hause zurückgekehrt sind, war Japan. Und in einigen Tagen geht es, wenn das Wetter passt, weiter nach Norwegen.
Die Zeit vor dem Sabbatical war anstrengend: viel Arbeit, parallel die Reiserouten ausarbeiten und, zumindest für Afrika und Japan, Unterkünfte buchen. Dazu zuhause alles das erledigen, was nicht 6 Monate liegen bleiben kann.
Da konnte die Zeit schon Mal knapp werden.
Definitiv keine Zeit fürs Bloggen.
Das wird sich nach unserer Rückkehr im August wieder ändern.
Doch bevor es dann im Spätsommer hier mit neuem Elan weitergeht, möchte ich Euch an dieser Stelle mitnehmen auf einen kulinarischen Ausflug nach Japan. Ein Land, das es in Sachen Esskultur spielend mit Frankreich aufnehmen kann. Kein Wunder also, dass Alain Ducasse bekennender Japan-Fan ist und, nach eigener Aussage, bereits 150 (!!!) Mal das Land der aufgehenden Sonne bereist hat.
Kurz zur Ausgangslage
Die Station vor Japan ist Namibia. Drei Wochen haben wir in einem der am dünnsten besiedelten Länder der Welt im Zelt gecampt.
Namibia ist mehr als doppelt so groß wie Japan und hat gut drei Millionen Einwohner.
Im Großraum Tokio allein leben 40 Millionen (!!!) Menschen.
In Namibia wird man als Mann schief angeschaut, wenn man ein Steak unter 500 g auf den Grill legt. In Tokio gibt es Fleisch im Restaurant üblicherweise zwischen 60 und 150 g.
In Namibia ist man mit Englisch bestens aufgestellt, in Japan verstehen wir als Europäer nicht einmal das Alphabet. Und die Japaner sind nicht eben dafür berühmt, große Englisch-Cracks zu sein.
Die gefühlten Kontraste dürften also groß werden.
Wir fahren nach Japan nicht in erster Linie wegen der Kulinarik. Uns interessiert vor allem die, so unsere Annahme, grundlegend „andere“ Kultur. Es gibt wohl nicht viele Länder auf der Welt, in denen die Menschen so deutlich anders „ticken“ wie in Japan.
Dennoch ist das Essen ein wesentlicher Bestandteil unserer hohen Erwartungen. Wir haben einige japanische bzw. japanisch inspirierte Spitzenrestaurants in Nordrhein-Westfalen, z.B. das Nagaya und das Agata’s in Düsseldorf sowie das Yunico in Bonn. Und jeder einzelne Besuch in diesen Restaurants hat uns begeistert.
Dennoch wird das Genuss- Budget auf dieser Reise etwas kleiner ausfallen. Wir sind immerhin im Sabbatical ein halbes Jahr unterwegs und Japan ist teuer. Das bedeutet, dass wir das High End auf dieser Reise (weitgehend) links liegen lassen werden.
So weit -so gut.
Los geht’s…
Tokyo – alles auf Null
Es ist kurz vor acht Uhr abends als wir in Tokio in unserem Hostel ankommen. Wir sind seit knapp 24 Stunden unterwegs und haben alle unsere Flüge bekommen – obwohl sich die Deutsche Bahn in Köln und die chinesischen Sicherheitsbehörden in Peking alle Mühe gegeben haben, das zu verhindern.
Das Gepäck hat es zwar nicht aus Peking nach Tokio geschafft. Aber vermutlich ist Japan das mit Abstand günstigste Land, in dem man mit fehlendem Gepäck zu tun haben kann. Wir werden bereits am Gepäckband von einer aufmerksamen Mitarbeiterin erwartet, die innerhalb von 10 Minuten alle relevanten Daten aufnimmt, uns ihre Visitenkarte überreicht und versichert, dass das Gepäck spätestens um 1 Uhr Nachts im Hostel sein wird. Natürlich hat sie sich bereits telefonisch im Hostel rückversichert, dass die Rezeption auch bis 1 Uhr besetzt ist.
Nicht nötig zu erwähnen, dass das Gepäck tatsächlich am nächsten Morgen an der Rezeption auf uns wartet.
Doch zurück zum ersten Abend.
Ein Auftakt nach Maß
Wir sind hungrig.
Unser Hostel ist ein ehemaliger Puff. Die Zimmerdecke ist verspiegelt und jedes Zimmer ist an ein Rohrpost-System angeschlossen, mit dem vermutlich früher der Lohn für die Liebesdienste direkt an die Kasse geschickt werden konnte. Das Hostel liegt in Asakusa, einem zentral gelegenen Ausgeh-Stadtteil. Die Auswahl an Restaurants ist nahezu unendlich groß. Wir stromern in den gemütlich-beleuchteten Gassen um unser Hostel herum und entscheiden uns für ein kleines Restaurant in einem traditionellen Holzhaus. Ein Volltreffer, wie sich herausstellen soll.
Wir bestellen Sashimi, Omelette und Reisbällchen.
Die Qualität des Fisches ist überwältigend. Einige Stücke sind von unvergleichlicher Frische. Andere haben eine Konsistenz, wie wir sie so noch nie vorher erlebt haben. Fast wie Fleisch, dabei jedoch aromatisch blitzsauber und komplex. Wir sind auf einmal wieder hellwach.
Was für ein Start!!!
Vermutlich handelt es sich bei den „bissfesteren“ Stücken um abgehangene, sprich: gereifte Stücke. Das ist in Japan absolut üblich, denn Qualität bedeutet hier nicht zwangsläufig, dass der Fisch einige Stunden vor dem Verzehr noch seine Runden durchs Meer gedreht hat. Vielmehr besteht die Kunst vielfach darin, den Fisch mit der idealen Methode zu töten um ihn dann, wie Fleisch, bis zur gewünschten Reife abhängen zu lassen.
Fische, die mit der traditionellen, schonenden Ike Jime-Methode getötet wurden, können so bis zu 13 Tage reifen. In dieser Zeit verändern sich sowohl Textur als auch Geschmack deutlich.
Gereifter Fisch steht bei japanischen Gourmets hoch im Kurs. Dass sich dabei die japanischen Vorstellungen von bestem Geschmack nicht zwangsläufig mit unseren decken, sollen wir noch später in Kyoto erfahren.
Wir fallen hoch-zufrieden ins Bett.
Im siebten Sushi-Himmel
Am nächsten Morgen regnet es Bindfäden. Wir frühstücken und besuchen dann das Trommel-Museum. Das ist für uns um die Ecke und insbesondere bei Kindern sehr beliebt, denn man kann die meisten der ausgestellten Trommeln auch tatsächlich spielen. Der kleine Mann ist begeistert.
Nach gut zwei Stunden sind wir weitgehend taub und ein kleines Hungergefühl macht sich bemerkbar.
Was es zu essen geben soll ist klar. Es ist unser erster Tag in Japan: wir wollen Sushi!
Weit müssen wir nicht laufen. Unser Ziel liegt nur fünf Gehminuten entfernt im trubeligsten Teil von Asakusa, nämlich Sushi Hinatomaru. Das Restaurant ist so unauffällig wie einfach. Es gibt einen Tresen ohne Stühle und zwei Sushi-Meister – fertig. Die Gastgeberin wacht derweil über das Geschehen und sorgt für Getränke.
Das Restaurant ist für Thunfisch berühmt.
Wir bestellen uns einmal quer durchs Angebot.
Wir probieren und sind im siebten Himmel. Der Reis ist fluffig, angenehm warm und hat eine dezente Säure. Der Wasabi ist perfekt dosiert.
Der Thunfisch ist unbeschreiblich gut. Selbst das magere Fleisch schmilzt auf der Zunge. Der Bauch, Toro, ist ein fett-gewordener Traum aus dem Meer. Die „shavings“ sind lecker aber texturell etwas gewöhnungsbedürftig. Als letztes Stück liefert ein, leicht angeflämmtes, wieder eher mageres Stück dezente Röstaromen. Das alles ist zum Augenschließen gut.
Das Thunfisch-Sushi schlägt locker alles, was wir bisher an Sushi gegessen haben. Inklusive dem beeindruckenden Sushi im Nagaya in Düsseldorf, das immerhin mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist (als einziger „Japaner“ in Deutschland).
Der kleine Mann dezimiert parallel die Lachs-Bestände des Restaurants deutlich. Und obwohl wir schlemmen bis wir papp-satt sind, beträgt die Rechnung am Ende gerade mal 60 Euro.
Kaufhaus-Wahnsinn
Weiter geht es die nächsten Tage, bei besserem Wetter, mit jeder Menge Sight Seeing. Tokio hat so viel zu bieten, dass man locker drei Wochen dort verbringen könnte. Zudem bietet die Stadt, neben allen Sehenswürdigkeiten und Skurrilitäten, viele Parks und ruhigere Ecken.
Dennoch sind die Tage anstrengend. Tokio ist voll und hektisch. Durch die schiere Größe sind die Wege relativ weit. Auch wenn das Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln gut ausgebaut ist und funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk, so ist doch die Komplexität dieses Netzes für jeden Neuankömmling überwältigend.
Und so taumeln wir eines späten Nachmittags in einer Unterführung unter der berühmt-berüchtigten Shibuya-Kreuzung nichtsahnend in die Lebensmittelabteilung eines großen Kaufhauses.
Wer, so wie wir, keine Ahnung hat, was ihn da erwartet, wähnt sich zunächst in einer unwirklichen Parallelwelt: nahezu alle großen Kaufhäuser, von denen es jede Menge gibt, haben im Untergeschoss eine riesige Lebensmittelabteilung mit angeschlossenem Food Court, in dem in winzigsten Küchen frisch gekocht und zubereitet wird.
Bei größeren Häusern kann die Abteilung schon Mal zwei Stockwerke umfassen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: mit den traurigen, bestenfalls mittelmäßigen Lebensmittel-Abteilungen der großen deutschen Kaufhaus-Ketten (von einigen Ausnahmen wie dem KaDeWe in Berlin mal abgesehen) haben diese kulinarischen Paradiese rein gar nichts zu tun.
Die Auswahl ist riesig. Die Qualität ist atemberaubend. Die Präsentation setzt Maßstäbe.
Wir kaufen Spieße und Meeresfrüchte-Salate fürs Abendessen, einige rätselhafte Teigbällchen sowie Kuchen für den süßen Abschluss.
Die herzhaften Gerichte sind allesamt köstlich und locker auf dem Niveau eines ambitionierten Restaurants. Die Teigbällchen (Takoyaki), die wir eigentlich für den kleinen Mann vorgesehen hatten, überraschen mit einer Füllung aus Tintenfisch. Damit fallen sie zwar als Kindersnack aus, lecker sind sie für uns Erwachsene allemal.
Unsere Erwartungen die Kuchen betreffend sind sehr gedämpft. Denn immerhin haben wir die letzten Tage schon diverse japanische Süßigkeiten probiert und konnten feststellen, dass sich der japanische Geschmack von dem unseren deutlich unterscheidet – freundlich formuliert. Und zum anderen haben wir auf diversen Asien-Reisen von Indien bis Kambodscha bisher überall die Erfahrungen gemacht, dass sich auch die asiatischen Vorlieben für den Einsatz von Zucker deutlich von den westlichen unterscheiden.
Umso größer deshalb unsere Überraschung, als wir die Kuchen probieren.
Mein Käsekuchen ist, ohne Übertreibung, der beste Käsekuchen meines Lebens. Die Schokoladentorte kommt nicht weit dahinter. Alle probierten Kuchen sind sehr zurückhaltend gesüßt, nahezu ausnahmslos perfekt ausgewogen. Kein Gramm Zucker zuviel – kein Gramm Zucker zuwenig.
Auch unsere ausgedehnten Versuche zum Thema Patisserie im weiteren Verlauf unserer Reise werden diesen exzellenten Eindruck bestätigen. Das Kuchen- und Tortenangebot in den großen Kaufhäusern ist auf einem schwindelerregenden hohen Niveau.
Wir sind völlig baff.
Fleisch
Natürlich machen wir in diesen Tagen auch unsere ersten authentischen weil „Vor-Ort“-Erfahrungen mit dem vermutlich gehyptesten Fleisch der Welt: Wagyu, in der Mainstream-Presse gerne auch als „Kobe-Beef“ verallgemeinert.
Um ganz offen zu sein: von meinen bisherigen 6 – 8 Begegnungen mit dem japanischen Super-Rindfleisch waren die meisten auf hohem Niveau enttäuschend. So viel besser als andere Fleisch-Erlebnisse war es eben dann in den meisten Fällen doch nicht (bis auf einen Fall, doch da war ein kochtechnisch hoch-begabter Freund mit besten Kontakten zu den einschlägigen Fleischimporteueren im Spiel).
Doch Japan ist eben Japan und Wagyu ist nicht gleich Wagyu. Denn es gibt sowohl deutliche Unterschiede am Wagyu-Anteil in einer Wagyu-Kuh sowie im schlussendlich verfügbaren Fleisch – sowohl die Marmorierung als auch die Qualität des Fleisches betreffend. Ralf Bos hat dazu eine sehr schöne und erschöpfende Abhandlung geschrieben.
High End – Wagyu-Fleisch für 400 Euro das Kilo
Wagyu-Fleisch gibt es in Japan sprichwörtlich an jeder Ecke. Kaum ein größerer Supermarkt, der das Fleisch nicht im Sortiment hat. Dass das alles nicht Zauberzeug ist, ist damit auch klar. Doch zumindest bietet das breite Angebot die Möglichkeit, viel zu probieren.
Unsere ersten, ausnahmslos selbst zubereiteten, Versuche sind überwiegend vielversprechend. Selbst günstigere Qualitäten – wir reden von einem Kilopreis von ab ca. 85 Euro – überzeugen. Das Fleisch schmilzt auf der Zunge und ist extrem saftig.
Allerdings scheint ein höherer Marmorierungsgrad auch zu einem „milderen“ Geschmack zu führen. Dieser Zusammenhang scheint uns nicht abwegig, denn immerhin reden wir schon bei mittleren Marmorierungsgraden von einem Fettanteil um die 50%. Da ist schlicht weniger Muskelfleisch verfügbar, das letztendlich für den Geschmack sorgt (einen interessanten Artikel zum Thema findet Ihr hier.) weshalb uns die „einfacheren“ Qualitäten besser schmecken.
Wir sind gespannt, welche Erfahrungen wir zu diesem Thema in den kommenden Wochen noch machen werden.
Hibiki-Restaurant – Fleisch und Lunch
An unserem letzten Tag in Tokio ist Kaiserwetter. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm, die Laune ist bestens. Wir entscheiden uns, den Vormittag im Hamarikyu-Park zu verbringen, die in Tokio langsam zu Ende gehende Kirschblüte zu bestaunen und einen Tee zu trinken.
Zum Mittagessen geht es in das Restaurant Hibiki. Das befindet sich im 46. Stock eines, an den Park angrenzenden, Wolkenkratzers und bietet phantastische Ausblicke auf die Bucht von Tokio.
Zudem soll das Essen sehr gut sein.
Ähnlich wie zum Beispiel in Paris kann man auch in Japan mittags in gehobenen Restaurants zu vergleichsweise erschwinglichen Kurse außerordentlich gut essen gehen.
Wir entscheiden uns für Steak, Rind Teppanyaki sowie Reis mit Fisch.
Um es kurz zu machen: die Qualität ist auch hier wieder phantastisch. Mein Steak ist offensichtlich in Miso-Paste mariniert und hat dadurch einen herrlichen „Gout“ entwickelt, der an Dry Aged-Fleisch erinnert.
Das Rind Teppanyaki schmilzt förmlich auf der Zunge. Eigentliches Highlight ist aber der Fisch, den der kleinen Mann glücklicherweise nicht essen will
Das alles ist wieder zum Augenschliessen gut.
Was für ein gelungener Abschluss für unseren Aufenthalt.
Am nächsten Tag geht es weiter nach…
Nikko – Yuba, Kaiseki und Präzisionsgrillen
Nikko ist ein Städtchen in den japanischen Alpen und liegt eine gute Stunde mit dem Zug von Tokio entfernt. Es beherbergt jede Menge bekannter Tempel und Schreine, von denen einige, wie z.B. der Nikkō Tōshō-gū, zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.
Buddha-Statuen in der Kanmangafuchi-Schlucht in Nikko
Wir wohnen in einem Ryokan, einem traditionellen japanischen Hotel, das sich insbesondere durch eine außerordentlich spartanische Möblierung der Zimmer auszeichnet. Dennoch fühlen wir uns extrem wohl. Das Personal ist freundlich, das Hotel verfügt über einen schönen Onsen und das Essen soll sich noch als außerordentlich erfreulich herausstellen.
Kulinarisch ist Nikko für eine besondere japanische Spezialität bekannt: Yuba. Bei Yuba handelt es sich um die Haut der Soja-Milch, die aufwändig gewonnen, getrocknet und dann weiterverarbeitet wird. Wir kennen Milchhaut (von Kuhmilch natürlich) aus unserer Kindheit und haben dezente Schwierigkeiten, uns diese Spezialität aus Sojamilch als übermäßig köstlich vorzustellen. Deshalb entscheiden wir uns für einen ersten Test für das Restaurant Komekichi Kouzushi, dass gleichermassen gut in Yuba sein soll wie in Sushi.
Sicher ist sicher.
Um es kurz zu machen: das Sushi ist excellent, das Yuba schmeckt – weitgehend – wie erwartet: die frittierte Variante ist lecker, das eingeweichte Yuba ist nahezu ungewürzt und schmeckt, wie man sich getrocknete und wieder eingeweichte Milchhaut so vorstellt – eher neutral.
Das ist für westliche Gaumen sehr gewöhnungsbedürftig, aber durchaus ein Anlass sich ein paar Gedanken über die japanische Esskultur zu machen, in der der reine Wohlgeschmack („lecker!“) offensichtlich einen anderen, meint: weniger zentralen Stellenwert hat als in der westlichen Welt. Denn die Erfahrungen von Texturen und deren Feinheiten spielen in Japan offensichtlich eine deutlich stärkere Rolle als bei uns. Auf die Spitze getrieben wird das übrigens bei dem berühmten Mizu Shingen Mochi. Bei dieser, auch Raindrop Cake genannten, Nachspeise, handelt es sich um eine Art Götterspeise, die tatsächlich aus purem Wasser besteht und lediglich durch die Beilagen mit Geschmack versorgt wird.
Einen ziemlich guten Eindruck von der japanischen Art zu Kochen erhalten wir auch in unserem Hotel. Dort nämlich werden abends Kaiseki-Menus serviert. Diese Art der japanischen Küche besteht aus mehreren Gängen, deren zentrale Eckpfeiler die Saisonalität und der Eigengeschmack der Produkte ist. Erklärtes Ziel der Kaiseki-Küche ist vor allem, durch die Art der Zubereitung sowie die Präsentation den eigentlichen Geschmack der Lebensmittel so optimal wie möglich zur Geltung zur bringen (wer mehr dazu erfahren möchte – ein sehr gute Ausarbeitung findet sich hier.) Das ist alles in allem erstaunlich wohlschmeckend, seltener als befürchtet irritierend oder schlimmer und alles in allem sehr befriedigend.
Mein persönliches kulinarisches und emotionales Highlight ist aber ein ganz anderes: in den Bergen oberhalb von Nikko befinden sich die Kegon-Wasserfälle, die zu den bekanntesten Wasserfällen Japans gehören. Man kann sich diese Wasserfälle von oben anschauen oder mit einem Aufzug ca. 100 Meter in die Tiefe fahren um das Spektakel von unten zu genießen. An der oberen Plattform befindet sich, wie an Sehenswürdigkeiten auf der ganzen Welt üblich, eine größere Auswahl von Fress-Ständen.
Nun ist es ja (fast) auf der ganzen Welt so, dass Essen und Getränke an touristischen Highlights zum einen eher schlecht und zum anderen maßlos überteuert sind.
Nicht so in Japan.
Wie überall auf dieser Reise sind auch an dieser Touristen-Attraktion die Preise, auf japanischen Niveau, erstaunlich zivil. Offenbar widerstrebt es den Japanern, die Situation der Touristen auszunutzen und Mondpreise zu verlangen.
Wie sympathisch!
Und zum anderen bekommt man hier, es ist kaum zu glauben, wirklich gutes Essen. Nun könnte man ja meinen, dass das betriebswirtschaftlich nicht besonders sinnvoll ist, denn immerhin wird kaum ein Tourist ein zweites Mal zum Wasserfall kommen. Das Potenzial also, Stammgäste zu gewinnen, tendiert gegen Null. Während manch Effizienz-optimierter westlicher Gastronom deshalb an dieser Stelle konsequent Tiefkühl-Kost zu Höchstpreisen anbieten würde, bereiten die Japaner stattdessen Essen mit einer Hingabe zu, dass es einem den Atem verschlägt.
Zum Beispiel zwei ältere, nun eigentlich; greise Herren, die kleine, aus dem benachbarten See gefischte Süßwasser-Fische grillen.
Die Grillstelle allein ist ein Hingucker: das glühende Holz ist penibel genau gestapelt. Zu diesem Zweck werden die Holzscheite, die alle gleich zugeschnitten sind, im hinteren Bereich angefeuert um dann, in perfektem Grillzustand, auf den Grill überführt zu werden. Am Grill kümmern sich die beiden Herren mit einer einzigartigen Hingabe und Konzentration um den Fisch. Den beiden zuzuschauen ist eine wahre Freude, den Fisch danach zu vertilgen natürlich auch.
Man merkt – wie so oft auf dieser Reise – das unbedingte Streben nach Qualität in jedem Handgriff. Kein Detail wird außer Acht gelassen. Jeder Fisch wird regelmäßig geprüft gedreht, je nach Bedarf weiter zur Glut hin oder davon weg gesteckt – bis am Ende ein hervorragendes Produkt steht.
Es ist einfach eine Freude und Inspiration dabei zuzusehen.
Hakone – Wohlfühl-Essen
Hakone ist weniger ein Städtchen als eine Ansammlung kleiner Siedlungen am Fuße des Fuji. Die Hauptattraktionen ist der Fuji selber, der immerhin der höchste Berg Japans ist. Außerdem beliebt ist das vulkanische Tal Ōwakudani, in dem es an allen Ecken und Ende dampft und brodelt und über das man man mit einer Seilbahn fahren kann.
Bis 2015 gab es sogar die Möglichkeit, das Areal über Wanderwege zu erkunden und direkt zu den heißen Tümpeln zu wandern. Seit einer kleinen Eruption in 2015 ist die Konzentration der vulkanischen Gase aber offenbar so hoch, dass die Behörden alle Wanderwege gesperrt haben.
Schade.
Der Ort Hakone ist bei den Einwohnern Tokios als Naherholungsgebiet beliebt. Dennoch ist die Infrastruktur um unser Hotel herum rudimentär. Da das Angebot im Hotelrestaurant abenteuerlich teuer und, laut TripAdvisor, ein Fall für „Nepper, Schlepper Bauernfänger“ ist, machen wir uns zu Fuß auf den Weg und landen, mehr oder weniger zufällig, in einem weiteren Juwel: dem Restaurant Fuku-Fuu.
Es ist kalt an diesem Abend, die Anreise aus Nikko steckt uns in den Knochen und die Erkältung entwickelt sich ungünstig. Heißes Wohlfühlen-Essen muss her.
Wir bestellen Udon-Nudeln und Tempura.
Schon als das Essen gebracht wird weiß ich, dass wir im richtigen Restaurant sind. Vor jedem von uns dampft eine riesige Schüssel mit einer transparenten, köstlich riechenden Flüssigkeit mit Udon-Nudeln sowie eine üppige Auswahl Tempura. Es duftet atemberaubend gut.
Die Suppe ist umami pur und besser nicht zu machen. Heiß, intensiv, wohltuend und perfekt gewürzt. Erstaunlich, wie viel Geschmack man in eine klare Suppe reinbekommen kann. Das Tempura ist ein weiteres Highlight: der Teig ist geschmackvoll und knusprig. Er schmiegt sich dünn um die Garnele und die Gemüse.
Die Garnele ist perfekt gegart, intensiv und süß und geradezu cremig. Die Gemüse sind perfekt auf den Punkt. Der Teig ist hauchdünn und perfekt. Er ergänzt die Gemüse und sorgt zum Beispiel dafür, dass sich die Aubergine beim Frittieren nicht mit Öl vollgesogen haben. Das ist absolute Spitzenklasse. Tempura kommt definitiv auf die „To Do-Liste“ für die Zeit nach dem Sabbatical, wohlwissend das das wohl ein steiniger Weg werden wird.
In Teil 2 geht es weiter mit…
- fermentierten Köstlichkeiten in Takayma,
- Kanazawa – dem Paradies für Fisch- und Meeresfrüchte sowie…
- gemischten Eindrücken aus Kyoto