Manchmal frage ich mich ja auch, weshalb die Arbeit der Bibelübersetzung dermassen langsam vor sich geht. Beim Besuch von Janeth, die seit dreissig Jahren in einem Übersetzungsprojekt arbeitet, wurden mir wieder neu ein paar Antworten bewusst.
Janeth arbeitet in einem Volk, das sich vor gut einer Generation durch die Arbeit eines Missionars aus einer anderen Volksgruppe integral zum christlichen Glauben bekehrte. Logisch, dass sie eine Übersetzung in ihrer Sprache wollten, denn sozusagen niemand in diesem Volk sprach damals eine andere Sprache. So ging Janeth in jenes Gebiet und erlernte die Sprache, und wie man merkt, musste sie dies tun, ohne ihre Mitarbeiter in einer “Brückensprache” befragen zu können (allerdings konnte sie irgendwie die Frage “Was ist das“?” “auftreiben”, was natürlich eine enorme Hilfe war). Neben dem Erlernen der Sprache musste die Sprache auch von Grund auf erforscht werden. Im Gegensatz zu den anderen Sprachen in der Umgebung handelt es sich dabei um eine Tonsprache (die gleiche Silbe in verschiedenener Tonhöhe ausgesprochen kann Verschiedenes bedeuten. Im Bild sieht man Zahlen von 1-9, mit denen die verschiedenen Tonmuster bezeichnet werden; man erkennt auch, dass die allermeisten Wörter extrem kurz sind. Da ich in Afrika selber in einer solchen Sprache gearbeitet habe, weiss ich, wie schwierig dies zu erlernen und zu analysieren ist – es braucht dafür mehr als einen Nachmittag…
Als sie sich diese Grundlagen endlich erarbeitet hatte, konnte sie sich an die Übersetzung machen. Nur: es gab ja niemanden, der die Bibel in einer anderen Sprache verstehen konnte. Also war sie es, die einen holprigen Erstentwurf machte, den sie dann mit ihren vier Mitarbeitern besprach. Ein unendlich langsamer Prozess, zumal die Leutet dieses Volkes es nicht gewohnt sind, Fragen zu beantworten oder Anweisungen entgegen zu nehmen. Dass sie es überhaupt schaffte, Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, war nur darum möglich, weil über die Jahre hinweg eine Vertrauensbeziehung wuchs.
Nun kamen Leute aus benachbarten Volksgruppen und wollten ihre eigene Übersetzung haben. Unmöglich, dass Janeth auch diese Sprachen lernen konnte… Aber mithilfe eines einfachen Computerprogramms ist es möglich, die Übersetzung in der einen Sprache in die andere anzupassen. Die Mitarbeiter für dieses Projekt mussten natürlich zuerst ausgebildet werden, was auch nicht über Nacht geschah.
Man kann Janeth beim besten Willen nicht als junge Dame bezeichnen . Aber sie strotzt vor Energie und Freude an ihrer Arbeit. Sie wohnt alleine in einem supersimplen Haus und kann im gleichen Satz von riesigen Herausforderungen und grossen Durchbrüchen erzählen. – Schade, dass nicht mehr Menschen es wagen, sich auf ein solches Abenteuer einzulassen.