Jakob Augstein, angeblich links – ein nerviger Wichtigtuer

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Man hätte schon viele seiner Artikel so besprechen können – aber warum nehmen wir nicht einfach das jüngste Elaborat dazu her: Jakob Augstein, für einige der Kolumnen-Säulenheilige der Linken, erklärt in seiner SPON-Kolumne “Was Merkel jetzt machen muss”, wie man den Kapitalismus mit dem Kapitalismus rettet und warum das Dach wichtig ist, wenn es schon kein Haus darunter gibt. Seiner Ansicht nach “ist Geld greifbares Vertrauen” und deswegen “das Vertrauen der Märkte” das Allerwichtigste. Für den Leser bleibt die Frage: Hätte man vom Verlegersöhnchen mehr erwarten dürfen oder raucht er einfach nur das falsche Zeug?

Gut, zugegeben, und das gleich am Anfang: Jakob Augstein lesen ist neunmal angenehmer als seinem kongenialen Partner Blome zuzuhören und elfmal besser, als ein Interview mit Phillip Rösler auszuhalten. Das war´s dann aber auch schon. Augstein zelebriert gebetsmühlenartig das, was er, und hoffentlich niemand sonst, für links hält, bewegt sich dabei jedoch immer innerhalb dessen, was keinen Neoliberalen jemals um den Schlaf bringen könnte. So auch heute: “Diese Krise ist eine des Vertrauens. Geld ist greifbares Vertrauen. Und erst wenn Merkel auf Europa vertraut, werden das auch die Märkte tun.” – Danach müsste man theoretisch nicht weiterlesen.

Im Klartext fordert Augstein: “Die Märkte”, die diese Welt in Wahrheit regieren, müssen unter allen Umständen, mit jedem zur Verfügung stehenden Mittel und allen nötigen Kosten ruhig gestellt werden, weil das die einzige Lösung ist. Eine komplette linke Bankrotterklärung in nur zwei Zeilen. Augstein lädt den immer enger werdenden Hosenanzug ausdrücklich ein, sich zu opfern, damit die Kapitaleigner endlich Ruhe geben. Wohl weiss er, dass der Euro als Dach auf ein nicht vorhandenes europäisches Haus gesetzt wurde, doch jetzt muss das in der Luft schwebende Dach um jeden Preis gerettet werden. Dafür müssen die Häuslebauer das tun, was noch nie ging. Den voluminösen Luftraum zwischen Fundament und Dach ausfüllen, ohne dass alles einstürzt. Egal wie.

Man könnte das achselzuckend pauschal als das abtun, was es ist – pseudointellektuelles Schwafeldioxid angeblich linker Prägung -, wenn er nicht ab und zu ein paar richtige Sätze einstreuen würde: “Den Deutschen ist das immer noch nicht bewusst. Sie versuchen immer noch, sich mit dem Verweis auf griechischen Wein und Dolce far niente aus der Verantwortung für ihre eigene Zukunft zu stehlen. Aber es wird den deutschen Arbeitslosen nicht helfen, Griechen und Italienern die Schuld zu geben.” Nur zieht er regelmässig selbstbewusst die falschen Schlüsse aus der richtigen Analyse: “Niemand wird mehr fragen, wo der Zusammenbruch des Euro, der europäischen Integration und des deutschen Wohlstands seinen Ursprung hatte – sondern nur noch danach, wer ihn hätte verhindern können. Das sind die Deutschen selbst. Das ist ihre Kanzlerin Angela Merkel.”

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Der Zusammenbruch des Euro ist also auch für Augstein gleichbedeutend mit dem Ende von Europa, wie das die Jubelscheuche ständig propagiert. Eine alberne, mit der heissen Nadel gestrickte Währung konditioniert die europäische Integration. Und nicht etwa, weil man mehr Europa generell will sondern ausschliesslich um die Währung zu retten und die Märkte zu beruhigen, muss die Bundeskanzlerin jetzt mehr Europa wagen, auch wenn es sie den Job kosten sollte. Angesichts solcher Synapsen-Verwirrung, ist man versucht, die Meinungen von Blome und Rösler vorzuziehen – die sind weit schlimmer, aber mindestens stringent und in sich logisch.

Es ist anstrengend, alle paar Tage eine neue vielsagende Kolumne aus dem Ärmel schütteln zu müssen, weil das im Vertrag steht, Herr Augstein, das wissen wir selbst sehr genau. Aber warum dann nicht mit ehrlichen Titeln und Aussagen: “Wie man das bestehende System stabilisiert, ohne denjenigen, die wirklich darüber bestimmen, an die Karre zu fahren”, wäre unser Vorschlag. Die andere Möglichkeit ist weit anstrengender und nach allem Gelesenen der vergangenen Jahre trauen wir Ihnen das schlicht nicht mehr zu: Nämlich einzusehen, dass der Euro nicht gleichbedeutend mit Europa und die “Rettung” dieser Währung rein gar nicht dazu geeignet ist, die Umverteilung von unten nach oben (besser: von der Mitte nach unten und oben) zu beseitigen oder auch nur abzuschwächen. Sie Linker!


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