Regisseur Tom Ford ist eigentlich Mode-Designer und hat damit einen Blick für schöne Dinge, für stylische Outfits, für ein gepflegtes Äußeres. In 2009 legte Ford mit A Single Man sein Regie-Debüt hin und kleidete Colin Firth als britischen College Professor in Los Angeles ein. Jetzt, sieben Jahre später lebt er seinen Kleiderwahn in Nocturnal Animals an Amy Adams aus, die hier unfassbar extravagant und chic in Erscheinung treten darf. Ansonsten hält der Film allerdings höchst wenig Glamour und Schönheit bereit, sondern taucht in menschliche Untiefen ein.
Sie spielt Susan Morrow, eine Galeristin, die von ihrem Ex-Mann (Jake Gyllenhaal) dessen Roman zugeschickt bekommt. Sie soll lesen und beurteilen, wie die Geschichte geschrieben ist. Dabei handelt es sich um einen äußerst gewalttätigen Thriller, den sie als versteckte Drohung und symbolische Rache ihres Ex interpretiert.
Man merkt sehr schnell, dass Tom Ford hier mit seinem Designer-Blick die Kamera von Seamus McGarvey gesteuert hat, zugleich aber immer auch einen Blick auf die Ausstattung des Films hatte. Der Regisseur beweist, dass er für seine Filmprojekte einen stylischen All-Around-Blick hat. Wir bekommen vor allem Amy Adams, aber auch Jena Malone (The Neon Demon) in Kleidern zu sehen, mit denen Ford sich von anderen Filmausstattungen deutlich abheben kann.
Amy Adams in „Nocturnal Animals“
Zugleich zeigt er ein Gespür für Landschaftsaufnahmen, die er ebenso am Zeichenbrett skizziert zu haben scheint, um sie dann in all ihren dämonischen Abgründen dennoch wie wunderschöne Postkarten-Motive erscheinen zu lassen. Die Bilder, aber auch die dazu passende Musik von Abel Korzeniowski (Penny Dreadful!) lassen Nocturnal Animals stellenweise wie einen finsteren Neo-Noir Film erscheinen.
Jake Gyllenhaal erweist sich auch unter der Regie von Ford als einer der großartigsten Darsteller dieser Generation (der andere wäre Ryan Gosling). In der ersten halben Stunde des Films kann man in seinem Gesicht immer genau ablesen, was gerade in ihm vorgeht. Gyllenhaal muss hierzu gar nichts weiter sagen, man weiß zu diesem Zeitpunkt, dass sich seine Frau und seine Tochter in Gefahr befinden – er selbst natürlich auch – und er in diesem Moment absolut hilflos ist. Was auch immer als nächstes geschieht, er hat keine Kontrolle darüber. Das macht die Situation absolut zermürbend. Gyllenhaal gewährt uns diesen tiefen Einblick, nimmt uns hier und im Rest des Films an die Hand und führt uns durch seine Gefühlswelten.
Seine emotionale Verzweiflung und Wut wird von Ford mit der Kälte von Amy Adams parallel geschnitten. Nocturnal Animals empfiehlt sich über viele Kategorien hinaus sicherlich auch für eine Oscar-Nominierung für den besten Schnitt! Die Kälte von Adams’ Figur bröckelt natürlich nach und nach, sie lässt sich in die Erzählung hineinziehen, ebenso wie wir als Zuschauer.
Jake Gyllenhaal (links) und Aaron Taylor-Johnson (rechts) geraten aneinander
Äußerst starke Leistungen werden aber auch am Rand gebracht. Wobei der Rand sich fast schon in den Mittelpunkt drängt. Michael Shannon (Midnight Special) als Cop, der sich nur zu gerne über das Gesetz hinwegsetzt um eigenmächtig Vergeltung zu üben, sowie Aaron Taylor-Johnson (Savages) als gefährlicher Hillbilly. Beide Männer tragen unfassbar viel zum Film bei, lassen sich von Tom Ford zu grandiosen Leistungen ziehen. Es ist für Taylor-Johnson seine bisher vielleicht beste Leistung überhaupt.
Wie es oftmals mit Geschichten ist, die in Geschichten verpackt sind, hat man die ganze Zeit über das Gefühl, dass hier eigentlich etwas ganz anderes vor sich geht. Man puzzelt selbst zusammen, ob hier die Wahrheit präsentiert oder ein makaberes Spiel abgezogen wird. Nocturnal Animals ist ein Horrorfilm, anders kann man es kaum sagen. Selbst ein Jump Scare funktioniert hier besser, als in manch anderen Vertretern des Horror-Genres. Und wir sind mittendrin, krallen uns irgendwo fest, hoffen nur das Beste, bekommen aber nur diese gewalttätigen Bilder, die uns die Luft abschnüren.