Am 10. September 2011 habe ich auf www.freigeist-weimar.de einen Artikel eingestellt, den ich ursprünglich für die der LINKEN nahestehende Zeitung UNZ geschrieben hatte – als Replik auf ein ganzseitiges Interview mit Bodo Ramelow. Aus aktuellen Gründen soll dieser hier noch einmal veröffentlicht werden.
Halten wir zunächst einmal dies in Übereinstimmung mit studierten Theologen fest:
Die Bibel ist KEIN Gesetzbuch oder Verhaltenskodex und aus ihr läßt sich überhaupt nur wenig Normatives ableiten. Die Bibel ist eine Sammlung unterschiedlichster Texte aus einem Zeitraum von fast tausend Jahren mit den gegensätzlichsten Feststellungen, Aufrufen, Reflexionen und Ansichten – und damit überhaupt nicht auf einen Nenner zu bringen. Und insofern steht den Kirchen immer noch BEVOR, einmal der Öffentlichkeit zu erläutern WELCHEN Sinn die Beschäftigung mit diesem Buch haben soll.
Im Untertitel des Interviews heißt es: Für Bodo Ramelow ist Glauben immer mit Toleranz verbunden. An anderer Stelle sagt er: “Und auch die anderen der zehn Gebote finde ich akzeptabel.”
Nun, ich habe in der Bibel gelesen, und das nicht zum ersten Male, und da kann ich nur salopp sagen, daß der Ramelow mit gezinkten Karten spielt.
Denn schon im ersten Gebot heißt es: “Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.” Etwas später steht geschrieben: “Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation.”
Na, das ist doch wohl das totale Gegenteil von Toleranz! Und gleichzeitig bekundet die Bibel so ganz nebenbei, daß es “Gott” nicht gibt, sondern daß der Gott der Bibel nur einer von vielen ist…
In einem weiteren Gebot heißt es u.a.: “Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel…” (alle Zitate nach der Einheitsübersetzung der Bibel, Exodus 20, 1 – 21).
Soso, für Bodo Ramelow sind damit also die Sklaverei, die Gleichstellung von Ehefrau und Sklaven auf einer Stufe mit dem Vieh akzeptabel… Wobei hinzugefügt werden muß, daß mit dem Nächsten nicht jeder Mensch (eigentlich Mann) gemeint ist, sondern nur ein männliches Mitglied des eigenen Stammes, Clans…
Aber im Interview kommt es noch dicker! Und zwar mit dieser Aussage Ramelows: “…denn auch in den abrahamitischen Schriften ist schon das Kriegsverbot festgeschrieben.”
Lieber Bodo Ramelow, wenn dem so ist, warum benennst du denn diese Stelle oder Stellen nicht?
In einem hat er durchaus Recht. Recht hat er, insofern einige der jüngeren prophetischen Schriftsteller des Alten Testaments heftig gegen die kriegslüsternen Stämme und Führer des Volks polemisieren und stattdessen von einer zukünftigen Friedenszeit träumen: “Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden, und kein Volk wird wider das andere Krieg führen.”
Wohlgemerkt es sind Träume, keine Anweisungen…
Aber er vor allem Unrecht, weil diese prophetische Kritik gerade deswegen geführt wurde, weil einflussreiche Kreise in diesem Volk immer wieder Krieg geführt haben und weiter Krieg führen wollten gegen “Ungläubige”, sogar zum “Heiligen Krieg” wird dort aufgerufen.
Und die ganze Periode der “Landnahme” der nomadisierenden Israeliten, die mit ihren Herden sich in fremden Ländern niederlassen und seßhaft machen wollten, ist durchzogen von Kriegs- und Gewalttaten gegen die Einheimischen der angegriffenen und eroberten Länder.
Und liest man in der Bibel genauer nach, dann erteilt Gott sogar konkrete Kriegs- und Eroberungsaufträge. Man schaue doch bitte hier mal nach: Dtn 20, 10 – 16, und Dtn. 7, 1,2,5,17 sowie Num 31, 1 – 2, 7 – 10, 15 – 18, um nur einige wenige zu benennen. Hier heißt es sehr eindeutig, aber anders als von Bodo Ramelow behauptet:
“…Wenn sie (eine Stadt, gegen die man kriegerisch anrückt, SRK) aber keine friedliche Übereinkunft mit dir eingeht [...] dann magst du alles Männliche erschlagen. Die Frauen und Kinder jedoch, das Vieh und alles, was sich in der Stadt findet, alles in ihr Erbeutete sollst du an dich nehmen und das von deinen Feinden (die eben keine Nächsten sind, SRK) Erbeutete, welches dir Jahwe, dein Gott gibt, genießen. Auf diese Weise sollst du mit all den Städten verfahren, [...] die nicht zu den Städten dieser Völker dazugehören. Nur aus den Städten dieser Völker, welche dir Jahwe, dein Gott als Erbbesitz geben will, sollst du keine Seele am Leben lassen, denn an ihnen mußt du den Bann unbedingt vollstrecken.” [...] Du aber sollst alle Völker, welche Jahwe, dein Gott, dir preisgibt, verschlingen; du darfst sie nicht mitleidigen Blickes schonen…” [...] Mose fuhr sie an: ‘Habt ihr wirklich alle Weiber am Leben gelassen? [...] Tötet sofort alle männlichen Kinder, ebenso tötet jedes Weib, das bereits mit einem Manne geschlechtlich verkehrt hat!’”
Auch hier keinerlei Spur von Friedensliebe, Toleranz, Barmherzigkeit usw.!
Und wie verhält es sich nun mit dem Gebot “Du sollst nicht töten?” – Ein solches gibt es nicht, denn in der bereits erwähnten Einheitsübersetzung der Bibel heißt es: “Du sollst nicht morden!”
Hier haben wir nun endlich das uns immer wieder behauptete Tötungsverbot. Doch an dieser Stelle ist ganz besondere Vorsicht geboten. Denn hier wird im schriftlichen Original das hebräische Verb “razach” verwendet, das nur das gemeinschaftswidrige Töten, also das Morden aus niederen Beweggründen, meint. Nicht damit gemeint ist im Urtext das Töten in Übereinstimmung mit einem Gesetz, das Töten im Kriege. Und dieses Tötungsgebot bezieht sich auch nur auf Angehörige des eigenen Stammes bzw. Clans. Volksfeinde und vor allem Andersgläubige waren davon ausdrücklich ausgenommen. Im Gegenteil: ihnen gegenüber war das Töten sogar (göttlich) geboten!
Und das soll für Toleranz sprechen?
Nein, es soll jeder glauben was er will, oder er soll nicht glauben (müssen). Aber bitte nicht falsch Zeugnis ablegen… Ach, auch das ist ja ein abrahamitisches Gebot… Also bitte, lieber Bodo Ramelow, nicht etwas behaupten, was die Bibel angeblich festschreibt, sondern einfach nur bei den Originaltexten bleiben! Und wie sagte die Theologin Ilsegret Fink in deiner Veranstaltung vom 5. Juli? “Die Kirchen standen immer auf der Seite der herrschenden Ausbeuterklassen.” Und das gilt heute nicht minder, auch wenn es immer auch einzelne Ketzer und Befreiungstheologen gegeben hat und gibt. Diese aber wurden und werden stets von den Kirchenoberen verfolgt.
Siegfried R. Krebs