Mein Körper und ich, wir verstehen uns eigentlich ganz gut. Klar haben wir auch einmal Tage, an denen wir uns nicht so gut leiden können. Da spricht ein Pickel im Spiegel mit mir, der Bauch meckert unter dem T-Shirt rum oder der Rücken klagt über die Hexe, die schießt. Doch sonst sind wir in wahrer Harmonie. 33 Jahre und eine Geburt habe ich dafür gebraucht.
Vor der Pubertät habe ich mir ehrlich gesagt nie Gedanken um mein Aussehen gemacht. Ich bin in einer Generation aufgewachsen, in alten Klamotten der Geschwister und Cousins auf dem Boden liegend Murmeln spielen wichtiger war, als die Marke oder Farbe der Kleidung. In der Pubertät litt ich jedoch sehr. Kurze Haare, Brille und kaum Busen. Nicht schön, nein, nein. Die Jungs lästerten, ich litt leise vor mich hin und stopfte alles Mögliche in den BH, damit er etwas voller aussähe. Meine beste Freundin hatte lange blonde Haare, eine pralle Oberweite und einen knackigen Po. Die Komplexe waren vorprogrammiert. Meine Mutter sagte immer: “Kind, sei froh, dass du nicht so viel Busen hast. Das ist nur unbequem.” Damals konnte ich sie nicht verstehen, heute weiß ich, dass sie recht hatte. In der Studienzeit wurde es etwas besser mit meinem Körpergefühl. Von Kindesbeinen an machte ich viel Sport, ich war also wenigstens immer schlank.
Doch in den richtigen Genuss meines Körpers kam ich erst während der Schwangerschaft. Diese Zeit war eine wundervolle Zeit. Ich musste zwar sehr auf mich achten, denn trotz Schwimmen und gesunder Ernährung bekam ich Schwangerschaftsdiabetes, doch ich liebte meinen kugelrunden Bauch, aus dem kleine Tritte kamen. Ich zog enge T-Shirts an, damit es auch jeder sehen konnte. Ja, ich war eine Frau und ja ich erwartete ein Kind! Ich strahlte aus meinem Inneren das Glück aus. Die Geburt hingegen war schlimm, es kam zu Komplikationen, mein Baby musste auf die Intensivstation und ich konnte nicht von Anfang an stillen. Erst am dritten Tag fingen wir damit an, ich glaube deshalb hat es nie richtig geklappt und nach vier Monaten stillte ich schon wieder ab. Hinzu kamen die Hämorrhoiden, von denen niemand spricht also ich konnte einen Monat nicht richtig sitzen! Ich hasste meinen Körper!
Jetzt, nach zwei Jahren kann ich sagen: Ich habe mich noch nie so gut gefühlt. Klar, der vom Personaltrainer gestählte Körper ist nicht mehr da. Ich wiege zwar weniger als vor der Geburt meiner Tochter, doch alles ist irgendwie komisch verteilt. Der Bauch ist etwas schwammiger, der Po ist weg. Und trotzdem fühle ich mich wunderbar. Es ist das Selbstvertrauen, das mir meine Tochter gibt, das mich starkt macht und mich schön fühlen lässt. Ich bin eine richtige Frau geworden dank meiner Tochter, auch wenn ich manchmal neidisch auf die langen iberischen Mähnen meiner andalusischen Freundinnen schaue. Ich trage viel öfter Kleider und Absatzschuhe, besonders wenn ich ins Büro gehe. Ich laufe aufrecht und stolz den Gang entlang. “Seht her, ich habe ein wunderbares Kind zur Welt gebracht und sehe umwerfend aus”, denke ich in meinem Inneren.
Es ist einfach dieser Blick, den mir meine Tochter schon frühmorgens zuwirft, diese Liebe in ihren Augen. Sie findet mich schön. Sie liebt mich. Und ich liebe sie und meinen Körper dafür, dass er dieses Wunder möglich gemacht hat. Dieses Selbstvertrauen, das mir die Schwangerschaft und die Geburt meiner Tochter gegeben haben ist mir viel wichtiger, als eine perfekte Figur, lange Haare oder volle Lippen.
@freeimages.com