Ich klage diese Regierung an! Ich klage sie an, weil ihr Kurs mich als Linken dazu nötigt, mit Gruppen und Spinnern "gemeinsam" gegen den Wahnsinn anzurennen! Ich klage sie an, weil sie die politische Linke dazu animiert, für einen Nationalstaat aufzustehen, für den üblicherweise irgendwelche rechtsnationalen Irrgeister marschieren! J'accuse!
Ausgerechnet die NPD vergleicht den Europäischen Stabilitätsmechanismus mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933. Ausgerechnet! Und was kann man dagegen sagen? Gegen die Aussage selbst, meine ich... nichts kann man dagegen sagen; sie ist richtig! Diese Partei macht es freilich nicht freundlicher. Es demütigt mich als Mensch, in einer solchen Zeit leben zu müssen! Es demütigt mich, dass selbst die Hohlköpfe einsehen, dass der ESM eine Diktatur des Kapitals sein wird - und es demütigt mich, dass ich "patriotische Anklänge" zeigen muß. In Zeiten zu leben, da der Faschismus mit dem Ermächtigungsgesetz warnt - was für eine Kränkung!
Ich klage diese Regierung dafür an, dass sie den Schwachköpfen Losungen in den Mund legt, die man überhaupt nicht beanstanden kann! Dass sie solchen rasierten Quadratschädeln Reputation erteilt, indem die aussprechen, was nicht zu widerlegen ist!
Natürlich, es sind verfassungspatriotische Anklänge, die sich nicht auf das patriotische Gewimmel derer beziehen, die das ja passioniert immer schon taten; kein Patriotismus von Blut und Boden und Volksgemeinschaft. Einer, der die Gemeinschaft der Bevölkerung unter einer Verfassung, die sich als hin und wieder anständig erwiesen, die nach ihrer Lesart ein wenig von der Aufklärung übernommen hat, verschreibt. Verfassungspatriot zu sein bedeutet ja nicht, in der traurigen Verfassung zu sein, nicht mehr als nur Patriot sein zu können - aus Mangel an Einsicht, Bildung und Selbstwert. Er ist ja wesentlich mehr als Ethnie - er ist Ethik.
Ich klage an, dass ich mit Leuten wie Berlusconi auf einer Linie liegen muß, wenn die meinen, sie wollten kein deutscheres Europa! Dass Faschistoide aus dem Ausland den Zugriff "deutscher Tugenden" fürchten und es formulieren und damit richtig liegen, das kann man nicht nur beklagen, das muß man anklagen! Selbst Konservative und Reaktionäre haben erkannt, dass ein Europa des Kapitals ante portas steht; eines mit protestantischer Frugalität ausgestattet - eines, das noch kapitaler kapitalistisch ist, wie es ja unter dem Lissaboner Vertrag ohnehin schon war. Ein sonderbarer Kapitalismus zudem, der das Sparen predigt - will er seinen Motor, den Konsum, abschalten und sich bescheiden als Eremit in die Berge zurückziehen?
Ich klage an, dass ich mit Gestalten wie Dobrindt in einen Kessel gerührt werde, obgleich der gegen eine kapitalistische Union von Europa natürlich wenig hat, wenn sie nur unter deutscher Regie und unter Abwendung von Schaden für das deutsche Steuerzahlervolk abgewickelt wird. Und ich fühle mich gedemütigt, mit Gruppen wie dem Bund der Steuerzahler "einer Meinung" gemacht zu werden - oberflächlich betrachtet jedenfalls.
Ich müsste sie auch anklagen, dass sie eine konservative und selbstgerechte Regierung wie jene des Kohl, wie einen Hort des Glücks aussehen läßt. Nur daran habe ich mich bereits gewöhnt. Die Politik im Kohl-Deutschland wirkt mit dem Wissen von den Zeiten, die nach ihm kamen, fast sozial und ausgleichend. Und der Vorgänger der Merkel, ein Sozialdemokrat immerhin, hat mit seinem asozialen Wirken Kohl auch schon zum Sozialisten verklärt...
Kann ich die Regierung nicht wegen Rufmord drankriegen? Ist es etwa kein Rufmord, wenn ich, wenn die politische Linke, mit ihren politischen Kontrahenten rhetorisch und medial zusammengebracht wird, um gegen die Absichten eines sich zersparenden Europas aufzubegehren? Ist es nicht eine Ehrverletzung, dass man als Linker auf das Bundesverfassungsgericht hoffen muß? Sicherlich verbindet die Gegner des ESM nur wenig, nur die Ablehnung - aber die Öffentlichkeit im Zeitalter der Oberflächlichkeit interessiert sich nicht für die jeweiligen Positionen der Gegner, sie sieht nur die Gegner und kategorisiert sie unter diesem Stichwort. So werden sie zu einem Brei. Und diese schlampige Betrachtung firmiert dann unter der Losung, dass sich Rechts und Links auflöse, weil sie nun mehr verbindet, als sie je trennte... so ein Unsinn!
Der Unterschied für mich: Rechte und Linke verfolgen hin und wieder, manchmal glaubt man gar, stündlich mehr, dieselben Ziele. Die Linke versucht diese "gemeinsamen Ziele" allerdings stets so zu verwirklichen, dass möglichst wenige Menschen, im besten Fall gar keine, hinten runterfallen; die Rechte hingegen nimmt in Kauf, dass Menschen auf der Strecke bleiben – das ist nicht ungewollt, denn die politische Rechte hegt ein Weltbild, in dem es Opfer, Ausgebeutete, Verdammte dieser Erde, um es mit Fanon zu sagen, geben muss. Wer machte sonst die Dreckarbeit, wer robbte denn weiterhin unter Tage und schürfte Ressourcen? Wer putzte Toiletten und hütete Kinder? Die politische Rechte wünscht diesen geschröpften Schicksalen sicherlich kein schlimmes Leid, kein Leben in Trauer – aber sie braucht nun mal Opfer, um das eigene Weltbild und die darin verbürgten Pfründe zu erhalten. Für die politische Linke ist dieses Zurücklassen von Opfern ein Sündenfall; lässt sie skandalöserweise doch Opfer bewusst zurück, wie dies bei New Labour und im Schröderismus geschehen ist, so verliert sie ihren elementaren Anspruch darauf, als linke Politik betitelt zu werden.
Ich fühle mich gedemütigt und schäme mich, dabei zu sein. Darin hat diese Regierung ja gut Übung. Man ist in merkelinischen Zeiten als progressiver Mensch geschult darin, auch Typen zu verteidigen, die einem politisch überhaupt nicht zusagen. Ich denke da an Wulff, den ich, obgleich links, obgleich weit entfernt von seiner Denke und seiner Klientel, irgendwie doch immer verteidigen wollte. Nicht weil ich dessen Mitnahmementalität lobenswert fand, sondern weil der Umgang mit ihm zum Kotzen war - ich hielt es ja auch für sowas wie Anstand, nicht in den Hohn- und Wutchor einzustimmen. So in etwa ist es doch jetzt auch mit den Gauweilers und Dobrindts und Steuerzahlerbündlern - im Affekt möchte man sie loben, aber wenn man genauer hinsieht...
Sehnsucht nach der guten alten Zeit, in der schwarz noch nicht weiß war und andersherum? Klingt so, ich gebe es ja zu. Ist es aber nicht! Sehnsucht nach einer Zeit, die nicht so oberflächlich begutachtete, die genauer hinsah, die nicht ständig nur in Kategorien dachte, um die Denkmechanismen und cerebralen Sortierprozesse zu simplifizieren - das trifft es eher! Dobrindt ist keine Wagenknecht und ich bin nicht die NPD, nur weil ich wie die den ESM für ein Ermächtigungsgesetz halte!
Ich klage an, dass diese Regierung und ihre Weigerungshaltung eine Politik zu gestalten, die sich am Allgemeinwohl orientiert, Zustände verfestigt, in der die allgemeine Oberflächlichkeit weiterhin widerstandslos grassieren kann. Ich klage an, dass diese Haltung mich persönlich angreift, weil sie mich in eine Opposition mit Typen schubst, mit denen ich nichts zu tun haben will. Ich klage an, dass Lobbyisten und Neonazis und Reaktionäre als Widerstandkämpfer und anständige und aufrichtige Charaktere gezeichnet werden können, weil man ihnen mit dieser Politik für Finanz- und Großkonzerne ein Betätigungsfeld schenkt, das eigentlich der politischen Linken vorbehalten war.
Wenn man es allen recht macht, weiß ein Sprichwort, dann hat man etwas falsch gemacht - wenn man es allen nicht recht macht, ist es bestimmt nicht besser...
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Ausgerechnet die NPD vergleicht den Europäischen Stabilitätsmechanismus mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933. Ausgerechnet! Und was kann man dagegen sagen? Gegen die Aussage selbst, meine ich... nichts kann man dagegen sagen; sie ist richtig! Diese Partei macht es freilich nicht freundlicher. Es demütigt mich als Mensch, in einer solchen Zeit leben zu müssen! Es demütigt mich, dass selbst die Hohlköpfe einsehen, dass der ESM eine Diktatur des Kapitals sein wird - und es demütigt mich, dass ich "patriotische Anklänge" zeigen muß. In Zeiten zu leben, da der Faschismus mit dem Ermächtigungsgesetz warnt - was für eine Kränkung!
Ich klage diese Regierung dafür an, dass sie den Schwachköpfen Losungen in den Mund legt, die man überhaupt nicht beanstanden kann! Dass sie solchen rasierten Quadratschädeln Reputation erteilt, indem die aussprechen, was nicht zu widerlegen ist!
Natürlich, es sind verfassungspatriotische Anklänge, die sich nicht auf das patriotische Gewimmel derer beziehen, die das ja passioniert immer schon taten; kein Patriotismus von Blut und Boden und Volksgemeinschaft. Einer, der die Gemeinschaft der Bevölkerung unter einer Verfassung, die sich als hin und wieder anständig erwiesen, die nach ihrer Lesart ein wenig von der Aufklärung übernommen hat, verschreibt. Verfassungspatriot zu sein bedeutet ja nicht, in der traurigen Verfassung zu sein, nicht mehr als nur Patriot sein zu können - aus Mangel an Einsicht, Bildung und Selbstwert. Er ist ja wesentlich mehr als Ethnie - er ist Ethik.
Ich klage an, dass ich mit Leuten wie Berlusconi auf einer Linie liegen muß, wenn die meinen, sie wollten kein deutscheres Europa! Dass Faschistoide aus dem Ausland den Zugriff "deutscher Tugenden" fürchten und es formulieren und damit richtig liegen, das kann man nicht nur beklagen, das muß man anklagen! Selbst Konservative und Reaktionäre haben erkannt, dass ein Europa des Kapitals ante portas steht; eines mit protestantischer Frugalität ausgestattet - eines, das noch kapitaler kapitalistisch ist, wie es ja unter dem Lissaboner Vertrag ohnehin schon war. Ein sonderbarer Kapitalismus zudem, der das Sparen predigt - will er seinen Motor, den Konsum, abschalten und sich bescheiden als Eremit in die Berge zurückziehen?
Ich klage an, dass ich mit Gestalten wie Dobrindt in einen Kessel gerührt werde, obgleich der gegen eine kapitalistische Union von Europa natürlich wenig hat, wenn sie nur unter deutscher Regie und unter Abwendung von Schaden für das deutsche Steuerzahlervolk abgewickelt wird. Und ich fühle mich gedemütigt, mit Gruppen wie dem Bund der Steuerzahler "einer Meinung" gemacht zu werden - oberflächlich betrachtet jedenfalls.
Ich müsste sie auch anklagen, dass sie eine konservative und selbstgerechte Regierung wie jene des Kohl, wie einen Hort des Glücks aussehen läßt. Nur daran habe ich mich bereits gewöhnt. Die Politik im Kohl-Deutschland wirkt mit dem Wissen von den Zeiten, die nach ihm kamen, fast sozial und ausgleichend. Und der Vorgänger der Merkel, ein Sozialdemokrat immerhin, hat mit seinem asozialen Wirken Kohl auch schon zum Sozialisten verklärt...
Kann ich die Regierung nicht wegen Rufmord drankriegen? Ist es etwa kein Rufmord, wenn ich, wenn die politische Linke, mit ihren politischen Kontrahenten rhetorisch und medial zusammengebracht wird, um gegen die Absichten eines sich zersparenden Europas aufzubegehren? Ist es nicht eine Ehrverletzung, dass man als Linker auf das Bundesverfassungsgericht hoffen muß? Sicherlich verbindet die Gegner des ESM nur wenig, nur die Ablehnung - aber die Öffentlichkeit im Zeitalter der Oberflächlichkeit interessiert sich nicht für die jeweiligen Positionen der Gegner, sie sieht nur die Gegner und kategorisiert sie unter diesem Stichwort. So werden sie zu einem Brei. Und diese schlampige Betrachtung firmiert dann unter der Losung, dass sich Rechts und Links auflöse, weil sie nun mehr verbindet, als sie je trennte... so ein Unsinn!
Der Unterschied für mich: Rechte und Linke verfolgen hin und wieder, manchmal glaubt man gar, stündlich mehr, dieselben Ziele. Die Linke versucht diese "gemeinsamen Ziele" allerdings stets so zu verwirklichen, dass möglichst wenige Menschen, im besten Fall gar keine, hinten runterfallen; die Rechte hingegen nimmt in Kauf, dass Menschen auf der Strecke bleiben – das ist nicht ungewollt, denn die politische Rechte hegt ein Weltbild, in dem es Opfer, Ausgebeutete, Verdammte dieser Erde, um es mit Fanon zu sagen, geben muss. Wer machte sonst die Dreckarbeit, wer robbte denn weiterhin unter Tage und schürfte Ressourcen? Wer putzte Toiletten und hütete Kinder? Die politische Rechte wünscht diesen geschröpften Schicksalen sicherlich kein schlimmes Leid, kein Leben in Trauer – aber sie braucht nun mal Opfer, um das eigene Weltbild und die darin verbürgten Pfründe zu erhalten. Für die politische Linke ist dieses Zurücklassen von Opfern ein Sündenfall; lässt sie skandalöserweise doch Opfer bewusst zurück, wie dies bei New Labour und im Schröderismus geschehen ist, so verliert sie ihren elementaren Anspruch darauf, als linke Politik betitelt zu werden.
Ich fühle mich gedemütigt und schäme mich, dabei zu sein. Darin hat diese Regierung ja gut Übung. Man ist in merkelinischen Zeiten als progressiver Mensch geschult darin, auch Typen zu verteidigen, die einem politisch überhaupt nicht zusagen. Ich denke da an Wulff, den ich, obgleich links, obgleich weit entfernt von seiner Denke und seiner Klientel, irgendwie doch immer verteidigen wollte. Nicht weil ich dessen Mitnahmementalität lobenswert fand, sondern weil der Umgang mit ihm zum Kotzen war - ich hielt es ja auch für sowas wie Anstand, nicht in den Hohn- und Wutchor einzustimmen. So in etwa ist es doch jetzt auch mit den Gauweilers und Dobrindts und Steuerzahlerbündlern - im Affekt möchte man sie loben, aber wenn man genauer hinsieht...
Sehnsucht nach der guten alten Zeit, in der schwarz noch nicht weiß war und andersherum? Klingt so, ich gebe es ja zu. Ist es aber nicht! Sehnsucht nach einer Zeit, die nicht so oberflächlich begutachtete, die genauer hinsah, die nicht ständig nur in Kategorien dachte, um die Denkmechanismen und cerebralen Sortierprozesse zu simplifizieren - das trifft es eher! Dobrindt ist keine Wagenknecht und ich bin nicht die NPD, nur weil ich wie die den ESM für ein Ermächtigungsgesetz halte!
Ich klage an, dass diese Regierung und ihre Weigerungshaltung eine Politik zu gestalten, die sich am Allgemeinwohl orientiert, Zustände verfestigt, in der die allgemeine Oberflächlichkeit weiterhin widerstandslos grassieren kann. Ich klage an, dass diese Haltung mich persönlich angreift, weil sie mich in eine Opposition mit Typen schubst, mit denen ich nichts zu tun haben will. Ich klage an, dass Lobbyisten und Neonazis und Reaktionäre als Widerstandkämpfer und anständige und aufrichtige Charaktere gezeichnet werden können, weil man ihnen mit dieser Politik für Finanz- und Großkonzerne ein Betätigungsfeld schenkt, das eigentlich der politischen Linken vorbehalten war.
Wenn man es allen recht macht, weiß ein Sprichwort, dann hat man etwas falsch gemacht - wenn man es allen nicht recht macht, ist es bestimmt nicht besser...
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