Italiens Juristen im Kampf gegen das organisierte Verbrechen

richter_coverWenn von Italien die Rede ist, dann kom­men die Gespräche unwei­ger­lich so oder so nicht am unhei­li­gen Geflecht von wirt­schaft­li­cher Macht, kor­rup­ter Politik, mafiö­sen Strukturen und Geheimdiensten vor­bei. Richter (und auch Staatsanwälte), die es ernst mei­nen mit Demokratie, mit Recht und Gesetz, leben des­halb gefähr­lich. So heißt es in einer der drei Erzählungen des hier vor­ge­stell­ten Buches im wahrs­ten Sinne des Wortes: “Wenn ein Richter zu viel weiß, aber nichts in der Hand hat, kommt es vor, dass sie ihn abknal­len.”

Aus der Feder von Andrea Camilleri stammt die erste Geschichte, „Richter Surra”. Sie führt in die 1860er Jahre zurück, als das geeinte Königreich Italien ent­stand. Im Zuge der Bildung eines ein­heit­li­chen Staatsapparates und der Durchsetzung einer moder­nen Rechtsprechung wird Richter Surra aus dem nörd­li­chen Piemont in ein klei­nes Städtchen auf Sizilien ver­setzt. Dort soll er die Rechtsprechung des eben ver­ein­ten Italiens durch­set­zen. Hier bekommt er es sofort mit der gerade ent­ste­hen­den Mafia zu tun. Nur, Surra ist fremd in die­sem Landstrich, kennt Gegebenheiten nicht, erkennt deut­li­che Signale nicht. Als dienst­eif­ri­ger und unbe­stech­li­cher Beamter macht er ein­fach nur seine Arbeit. Er wird zum Symbol für Mannesmut – ohne es selbst zu wis­sen und zu erken­nen. Und so gelingt es ihm nicht nur auf seine Art, dem ört­li­chen Capo der Mafia das Handwerk zu legen. Nein, es gelingt ihm sogar, „sein” Gericht zu einem Musterbeispiel an Effizienz, Korrektheit und Unparteilichkeit zu machen.

Die zweite Erzählung, „Die Bambina” von Carlo Lucarelli, spielt gut 120 Jahre spä­ter in Bologna. Heldin der Geschichte ist eine junge Staatsanwältin, von Kollegen eher abschät­zig Bambina genannt. In einem eher neben­säch­li­chen Ermittlungsverfahren gegen einen Buchhalter wegen betrü­ge­ri­schen Konkurses stößt sie auf ein gan­zes Geflecht von Scheinfirmen. Wie sie erkennt, geht es nicht um sim­ple Unterschlagungen, son­dern um eine rie­sige Schwarzgeldsache zur Finanzierung von Geheimdienstaktivitäten zur Verhinderung eines demo­kra­ti­schen Wandels, Stichwort „Gladio”. Im Gegensatz zu Richter Surra wird sie lebens­ge­fähr­lich ange­schos­sen, hier offen­bart sich ein kri­mi­nel­les Geflecht von Geheimdiensten, Polizei und Justiz. Nur ein älte­rer Polizeibeamter hilft ihr, ret­tet ihr das Leben, bringt sie zu einem „Untergrundarzt”. Als dann der hilf­rei­che Polizist ermor­det wird, führt sie aus dem Untergrund her­aus Untersuchungen, kehrt mit gerichts­fes­ten Dokumenten ins „nor­male” Leben zurück. Doch zu ihrer Enttäuschung wer­den nur drit­tran­gige Personen belangt. Die Gladio-Verschwörung geht indes wei­ter: Die Geschichte endet mit einem Hinweis auf den neo­fa­schis­ti­schen Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna am 2. August 1980.

Die dritte Erzählung, Giancarlo de Cataldos „Der drei­fach Traum des Staatsanwaltes”, liest sich wie eine Persiflage auf das System Berlusconi, das seit den 1990er Jahren Italien voll im Griff hat. Durch die gekonnte Verbindung von rea­lem Geschehen und Alpträumen kommt diese Abrechnung mit dem durch und durch kor­rup­ten poli­ti­schen System des zeit­ge­nös­si­schen Italien beson­ders gut zur Wirkung. Hier kämpft ein ehr­li­cher Staatsanwalt zeit sei­nes Lebens ver­geb­lich gegen den Wirtschaftstycoon sei­ner Heimatstadt an. Letzterer ist nicht nur größ­ter Unternehmer, son­dern zugleich auch all­ge­wal­ti­ger Bürgermeister. Dieser ver­steht es (bereits als Mitschüler des spä­te­ren Staatsanwaltes am Gymnasium) immer wie­der, die Meinung ande­rer zu mani­pu­lie­ren, sich Gefälligkeiten zu erkau­fen oder not­falls mit Gewalt zu erzwin­gen. Obwohl alle Mitbürger dies wis­sen, so geben sie ihm doch bei Wahlen immer wie­der ihre Stimme. Passend hierzu und zum System Berlusconi sei aus dem Vorwort die­ser Erzählung zitiert: „Die Leichtigkeit, mit der sich die west­li­che Welt der Kriminalität ergibt, ohne jede Gegenwehr, ver­mit­telt den Eindruck, dass zwi­schen Mafia und Demokratie eine unauf­lös­li­che Verbindung herrscht.” (S. 113)

Aber – und das kommt in den drei außer­or­dent­lich gut erzähl­ten Geschichten zum Ausdruck: Ohne Zivilcourage wird sich nichts ändern. Und trotz aller Korruptheit und kri­mi­nel­len Verflechtungen gibt es auch im Staatsapparat Italiens immer noch geset­zes­treue und mutige Beamte. Beispiele aus dem rea­len Leben müs­sen aber an die­ser Stelle wohl nicht genannt wer­den.

Siegfried R. Krebs

Andrea Camilleri, Giancarlo de Cataldo, Carlo Lucarelli: Richter. Drei Erzählungen. Aus dem Italien. von Hinrich Schmidt-Henkel. 176 S. geb. m. Schutzumschlag. Klett-Cotta. Stuttgart 2013. 16,95 Euro. ISBN. 978-3-608-93989-7 (Erscheinungsdatum: 24.05.2013)


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