Ist es schlimm, dass mit schöner Regelmäßigkeit neue Säure durchs kulinarische Dorf getrieben werden?
Wahrscheinlich nicht.
Denn glücklicherweise hat ja jeder Mensch die Freiheit, sich eigene Gedanken zu machen. Die helfen, das mediale Buzzword-Gewitter zu filtern und den Großteil davon sofort wieder zu vergessen.
Overnight-Oats? Hat meine Mutter schon vor 20 Jahren gemacht, lief damals unter dem Begriff „Müsli“.
Kale? Hieß bis vergangenes Jahr im deutschsprachigen Raum Grünkohl und war schon damals, wenn ich mich recht erinnere, lecker.
One-pot-pasta? Ich hoffe, ich trete hier niemandem zu nahe: das Konzept, alle Komponenten einer Pasta in nur einem Topf zusammen zu kochen, führt, logisch weitergedacht dazu, dass ich in demselben Topf auch gleich meinen Kaffee und die Eier fürs nächste Frühstück mitkochen kann.
Na ja, was ich sagen möchte: man kann das mit der Effizienz auch übertreiben…
Und „brutal lokal„?
Finde ich prima, denn das Konzept wertschätzt die Qualität im Allgemeinen und die guten(!), lokalen Produzenten im Besonderen. Das ist prima, denn der Ansatz, Lebensmittel um die Ecke zu kaufen bei jemandem, denn man kennt (oder kennen lernt), ist wahnsinnig schlau.
Denn man kann dem Produzenten mal tief in die Augen schauen, bei dieser Gelegenheit nach guten Rezepten fragen und gleichzeitig – im besten Falle – ein Vielfalt an Sorten genießen, dass es dem Supermarkt um die Ecke die Schamesröte ins Gesicht treibt (ein tolles Konzept zur direkten, regionalen Vermarktung von Lebensmitteln sind übrigens so genannte Ernährungsräte. Viele interessante Informationen findet Ihr beim Ernährungsrat Köln).
Das dieses Konzept in den letzten Jahren in den verschiedensten ambitionierten Restaurants auf die Spitze und darüber hinaus getrieben wird, ist in diesem Zusammenhang eine völlig normale Entwicklung, die so bei nahezu allen Hype-Themen zu beobachten ist: die Avantgarde lotet die Grenzen aus, erfindet jede Menge gute Sachen aber eben auch viel grenzwertigen Kokolores. Nach einigen Jahren schütteln sich alle durch, das Gute kommt ins Töpfen und das Schlechte ins Kröpfchen und am Ende haben alle etwas gelernt. So weit – so gut.
Eine, wie ich finde, schöne Idee, die in diesem aktuellen Hype immer mal wieder hochpoppt, ist der Einsatz archaischer Kochtechniken. Dazu gehört auch das Garen direkt in der Glut. Wie es gemacht wird, habe ich schon ausführlich hier beschrieben.
Das Tolle ist: der im Gemüse enthaltene (überwiegend wasser-lösliche!!!) Zucker kann wunderbar karamellisieren und wird nicht ins Kochwasser abgegeben. Kocht man Rote Bete (oder andere stark Zucker-haltige Gemüse wie Möhren, Kartoffeln, Sellerie, Petersilienwurzeln etc.) nämlich in Wasser, diffundiert ein signifikanter Anteil des Zuckers ins Wasser. Ergebnis: das Gemüse schmeckt weniger intensiv und dicht.
Deshalb gibt es bei mir heute nochmal Gemüse direkt aus der Glut – sehr nah angelehnt an das wunderbare Original-Rezept von Claudio – mit Joghurt, Olivenöl und Minze. Ich habe lediglich etwas Basilikum ergänzt und dem Joghurt einen Klacks Tahina spendiert.
Rote Bete, Sesam-Joghurt, Olivenöl , Minze & Basilikum
- 2 Stk. Rote Bete
- 5 EL Griechischer Joghurt (10%)
- 1 TL Tahina
- 1 TL Olivenöl
- Fleur de Sel, Pfeffer
- Basilikum, Minze
Für die rote Bete
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Holzkohle anschmeißen und weiß werden lassen. Ggfs. zwei bis drei Handvoll Räucher-Chips in die Kohle geben.
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Die Rote Bete in die Kohle geben, einbuddeln und eine Stunde garen lassen.
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Die Rote Bete aus der Kohle nehmen, schälen, in Scheiben schneiden und Stücke in der gewünschten Größe ausstechen/ abschneiden.
Endspurt
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Joghurt, Tahina, Limettensaft und Olivenöl verrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und mittig auf einem runden Teller verstreichen.
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Die Rote Bete kreisrund ausstechen (wenn man mag), auf den Joghurt geben und mit Olivenöl, Salz, Pfeffer und den Kräutern garnieren.
Dazu passt…
Van Nahmen – Konstantinopler Apfelquitte
Ja richtig! Kein Wein heute. Denn: Wein tut sich grundsätzlich schwer mit Joghurt. Tatsächlich gibt es im herzhaften Segment kaum ein Produkt, dass in der Gesellschaft von Wein derart zickig reagiert. Da ist Saft eine schöne Alternative, zumal wenn er aus so gutem Hause wie Van Nahmen kommt und dazu noch derart spektakulär schmeckt. Denn die Konstantinopler Apfelquitte schmeckt wie ein trockener Sauternes ohne Alkohol. Das ist nicht nur sau-lecker sondern verleiht dem Gericht eine zusätzliche fruchtige Komplexität. Je nach persönlichen Geschmacks-Vorlieben könnte man den Saft mit Tonic verlängern um ihn aromatisch etwas abzumildern. Prost