Um es vorweg zu nehmen, ich finde die Diskussion um Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht absurd, sondern wichtig. Aber ist sie wirklich neu und denken wir manchmal zu einseitig?
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, wo mein Vater der Alleinverdiener war und meine Mutter den Haushalt schmiss, war dieses Thema auch schon auf dem Tisch. Nur nannte es niemand "Vereinbarkeit". Mein Vater kam oft spät nach Hause und arbeitete meist auch am Wochenende. Da war meine Mutter nicht nur einsam, sondern hatte auch alle Hände voll zu tun.
Mein Vater packte aber immer mit an, sobald er zu Hause war. Die generellen Hausarbeiten erledigte meine Mutter und er kümmerte sich vor allem um Haus und Garten. Er war sich aber auch nicht für den Wocheneinkauf, Arztbesuche mit mir, Schulangelegenheiten oder Kochen zu schade, auch wenn die Rollen eher konservativ verteilt waren. Doch wenn ich auf das Wort "Vereinbarkeit" zurückkomme, muss ich sagen, dass mein Vater keine andere Wahl hatte, als so viel zu arbeiten. Sein Arbeitgeber hätte ihn nicht einfach einige Stunden weniger für die Familie schuften lassen, schon gar nicht in einer Vorgesetztenfunktion. Es hätte unserer Familie gut getan, mehr Beruf und Familie vereinen zu können. Andererseits hielt meine Mutter meinem Vater den beruflichen Rücken frei. Sie hätte in ihrem Beruf immer nur dazu verdienen, aber nie eine ganze Familie ernähren können. Und da die beiden nicht auf Betreuung in der Familie oder Kita zurückgreifen konnten, blieb im Grunde nur dieser Weg. Aus dieser Perspektive finde ich die heutigen Diskussionen sinnvoll und wichtig, damit jede Frau und jeder Mann die Chance auf ein erfülltes Berufs- und Familienleben hat.
Da komme ich auch schon zu meinem Kritikpunkt oder eher, was mich stutzig macht. In den meisten Zeitungsartikeln und TV Formaten geht es um Frauen und deren Vereinbarkeit. Aber wo bleiben die Männer und zu guter Letzt unsere Kinder? Und geht es bei Vereinbarkeit immer nur um Paare mit Kindern? Als ich noch kein Kind hatte, voll arbeiten ging und mein Mann oft lange im Ausland war, hätte ich mir auch mehr Vereinbarkeit gewünscht. Wir haben das Problem angepackt und mein Mann hat eine andere Stelle angekommen, mit der auch zufriedener war, weil wir nun mehr Zeit für uns hatten. Wir gingen somit das Problem offensiv an und lösten es für uns. Es gibt fast immer einen Weg. Man muss sich nur an Veränderungen heran trauen und auch Abstriche in Kauf nehmen. Das haben wir getan. Ich möchte mit meinen Aussagen darauf hinweisen, dass es schon immer darum ging, Familie und Job unter einen Hut zu bekommen und es kein zwingendes Thema der Neuzeit ist. Wir packen es nur endlich an und haben ein Wort dafür gefunden. Aber zurück zu den Männern. Mein Mann würde sich auch flexiblere Arbeitszeiten wünschen, aber wir wissen auch, dass es a) nicht geht und b) wir uns bewusst für unser Modell ich zu Hause und er auf der Arbeit entschieden haben. Und zwar zugunsten unserer Kindes. Klar, es hätte auch anders herum sein können und ich wäre voll berufstätig. Doch ich glaube einfach, dass wir nicht alles haben können und da auf den wunden Punkt der Vereinbarkeit stoßen. Wir möchte alle uns voll und ganz beruflich verwirklichen, eine Familie haben, viele soziale Kontakte, tolle Urlaube und schicke Dinge kaufen. Vielleicht haben wir aus den Augen verloren, dass nicht Alles möglich ist. Sowohl zeitlich als auch finanziell. Der Tag hat nur 24 Stunden und der Preis für eine volle Haushaltskasse ist nun einmal viel Arbeiten, was wieder zu Lasten der Zeit geht. Wie wir sehen, handelt es sich hierbei um konkurrierende Ziele. Wir möchten alles und zwar sofort. Nicht alle, aber doch viele. Ich kenne einige Paare, die mit den Kindern nicht bereit sind, ihren Lebensstandard anzupassen an das zur Verfügung stehende Gehalt. Mit drei oder vier Personen im Haushalt kommen unweigerlich höhere Kosten auf einen zu. Und nicht jeder ist in der Lage, die Karriereleiter immer höher zu steigen, um sein Einkommen anzupassen. Ergo, müssten sich diese Familien einschränken. Wollen sie aber oft nicht. Also gehen beide voll arbeiten und dann kommt wieder die Betreuungskiste ins Spiel. Keine Kita hat rund um die Uhr geöffnet und ich Frage mich, ob das wirklich das ist, was sein muss. Zuerst wollen wir die Kinder und dann soll alles so laufen, wie vor ihnen. Das klappt einfach nicht und dann kommen die tausend aktuellen Diskussionen ins Spiel.
Damit will ich nicht für "zurück in die Steinzeit" plädieren oder dass Frau/Mann nicht mehr ihren beruflichen Träumen nachgehen soll. Wir sollten vielleicht mehr darauf achten, was uns gut tut und dass weniger oft mehr ist. Sicher, es gibt unendlich viele Familien, die auf zwei Gehälter angewiesen sind. Ich höre die meisten Klagen aber immer von denjenigen, die es flexibler lösen könnten, aber unbedingt mit dem Kopf durch die Wand müssen. Ich bin auch für den Ausbau von Kitas, die Förderung von Frauen wieder in den alten Beruf einsteigen zu können, dass Männer mehr Elternzeit nehmen können und und und. Für unsere Evolution ist es gewiss ein Gewinn. Doch all diese Punkte in einer Familie erfüllen, wird auf Dauer zu Lasten des gemeinsamen Lebens und der Gesundheit gehen. Das Wort "Vereinbarkeit" kann hierfür nichts.
Bine