fake. falsch. fälschung. nicht echt. nur so als ob. das begleitet uns im alltag viel mehr, als wir es wahrhaben wollen. die ausschreibung? fake. da wissen die wirklich eingeweihten längst, wer den zuschlag bekommen wird. die politische entscheidung in gremien? fake. auch hier wissen die wirklichen insider längst, wie entschieden wird. die bewerbung um einen posten? fake. längst ist ausgemacht, wer da direktor_in, dort abteilungsleiter_in oder geschäftsführer_in wird. die entscheidung über die baugenehmigung für das grossprojekt? fake. war seit dem treffen mit den lobbyist_innen klar, wie das auszugehen hat.
und wir? wer von uns hat solche situationen nicht schon selbst erlebt? wer hat von solchen situationen noch nie profitiert? wer hat noch nie genau wegen solcher vorgänge, verloren? wer hat nicht schon mal das spiel der objektivität mitgespielt, obwohl es eigentlich anders gelaufen ist? wer hat dann lieber doch nichts gesagt, denn wer weiss, wie es das nächste mal laufen wird?
machtstrukturen, sei es politische, kommerzielle oder persönliche, funktionieren immer so. sie leisten sich den luxus der scheinobjektivität, der pseudodemokratisierung. machtstrukturen beweisen ihre wahre mächtigkeit besonders dann, wenn die show entsprechend aufwendig und besonders “transparent” organisiert wird. da gibt es dann eine scheinjury, die in wirklichkeit selbst nicht entscheidet, sondern den auftrag der realen jury ausführt. da gibt es gerechtigkeiten, die bei genauerer betrachtung keine sind, aufteilungen des “kuchens”, die dann mal zufällig so und nicht anders laufen. und eine mal klug gesteuerte, dann wieder höchst plump erzwungene dramaturgie der abläufe gehört dazu. der betrug geht auf allen ebenen weiter: “krise” ist ein elegantes wort für organisiertes wirtschaftsverbrechen, “rettungsschirm” meinte niemals die menschen, sondern vielmehr die spekulationsorganisationen, die sich auf kosten der allgemeinheit unverschämt bereicherten. und konsument_innen. die nicht bei jedem espresso einen kassenbon verlangen, machen sich gedanken, behilfe zum steuerbetrug zu leisten, während andere nicht mehr wissen, in welche offshore briefkästen sie jetzt einsteigen sollen. fake. fake. fake.
ein endloses spiel. es wäre spannend zu untersuchen, wieviel energie, zeit und sonstiger aufwand ausschliesslich dafür verbraucht wird, die fake-show für uns aufrecht zu erhalten. die gesamtsumme wäre vermutlich für uns alle überraschend.
aber sie dürfte es uns dennoch wert sein. es ist zwar absurd, aber offensichtlich: wir wollen beschissen werden und bezahlen noch bitter dafür. selbst mit dem geld unserer nachkommen. wir wollen uns im gefühl wohlig räkeln können, dass (fast) alles – bis auf ganz, ganz wenige, böse böse ausnahmen – in ordnung ist, fair abläuft und dass wir eigentlich alle die gleichen chancen haben. mehr oder weniger. dass das ganz nebenbei für frauen, migrant_innen oder viele andere ganz und gar nicht gilt, ein kleiner schönheitsfehler.
wir lassen uns diesen betrug einiges kosten. und wir wollen ganz fest glauben, dass es wirklich ehrlich abläuft. nicht auszudenken, wenn plötzlich wirklich alles ehrlich ablaufen würde, also jede_r offen aussprechen würde, wie die dinge in wirklichkeit entschieden werden.
dass die dokusoap schrille erfindung ist, dass so manche interviews vorher abgesprochen und so manche leitartikel auftragsarbeiten sind, das wissen wir zwar, verdrängen es aber immer wieder. dass objektive berichterstattung fast schon verdächtig eigenartig anmuten muss, ist dann die folge jenes lernprozesses, dem wir täglich ausgesetzt sind. irgendwie muss immer etwas fake sein. sonst stimmt was nicht. selbst die abschaffung des fakes muss mit an sicherheit grenzender sicherheit fake sein. oder der kampf gegen die korruption? wohl eher ein kampf gegen zu plumpe tarnung? der preis ist heiss.
also müssen wir uns die frage stellen:
ist fake die neue ehrlichkeit?
ps. dieser artikel ist vermutlich auch fake.
dieser artikel ist am 24.2.2015 auf fisch+fleisch erschienen und auch dort aufrufbar:
https://www.fischundfleisch.at/politik-jetzt-ich/ist-fake-die-neue-ehrlichkeit.html