Wie viel »Bastard« steckt dahinter?
Ist die Fotografie nicht irgendwie eine Bastard-Kunst? Immerhin ist sie stets von ihrem Abbild abhängig – ohne Abbild, keine Fotografie. Wenn man diesen Aspekt weiterhin verfolgt, wäre die Fotografie in diesem Sinne nur eine Verdoppelung des Gegenübers, sprich des Abbildes. Klingt alles sehr verwirrend, dennoch könnte da etwas dran sein…?! Aber wer genau behauptet das überhaupt; was steckt dahinter?
Michael Schmidt, von dem es hier in dieser Zusammenfassung geht, steht dazu und sagt aus, dass für ihn die Fotografie eine reine Bastard-Kunst ist. Neben der soeben genannten Verdoppelung des Bildes, spinnt er aber diesen Gedanken noch um einiges weiter. Auch wenn die Fotografie das aussagen mag – sie erschafft zudem eine ganz eigene Bildwelt.Jedes Bild ist die Wirklichkeit, birgt aber auch noch einen viel tieferen Sinn. Und genau DAS bedeutet für ihn Fotografie. Jeder »Bastard« kann Fotos schießen; die Frage ist nur, ob sie auch ästhetisch ansprechend sind und eine hohe Qualität aufweisen…?!
Michael Schmidt, ein deutscher Fotograf, der im Jahr 1945 in Berlin geboren ist, gewann das Interesse an Fotografie durch viele verschiedene Gesichtspunkte. Diese Punkte sind zudem seine Inspirationsquellen. Zum einen wäre das die Musik, da er schon als Kind ein gewisses Ritual genoss. Er und seine Familie hörten beim Mittagessen immer klassische Musik, wodurch er seine Fantasie freien Lauf setzen konnte. Wenig später kaufte er sich Kunstdrucke berühmter Maler, wie zum Beispiel eines von Vincent van Gogh. Für ihn war die Malerei etwas ganz Besonderes und Prägendes, da er sie sehr stark mit der Fotografie in Verbindung gebracht hat; dazu später mehr. Was aber letztendlich den meisten »Push« brachte, wodurch er sich für die Fotografie entschied und Fotograf werden wollte, waren seine gekauften Fotobücher. Die waren zur damaligen Zeit so teuer, dass er sie in raten abzahlen musste. Allein dieser Aspekt zeigt, dass das Fotografieren für ihn etwas sehr Wichtiges im Leben darstellt.
Mit seinen jungen 20 Jahren, um 1965, fing er an, seine ersten Fotos zu schießen und die Fotografie näher zu kategorisieren. Er wollte nicht wie jeder Andere Einzelfotos machen. Der Grund war für ihn simpel und hier kommen wir auch zurück zur Malerei: Er ist sich sicher, dass ein Foto niemals so aussagekräftig wie ein gemaltes Bild sein kann. Wenn man die Komponenten jetzt vergleichen würde – die Malerei bietet den Freiraum, in das Geschehen einzugreifen und etwas hinzuzufügen. Außerdem ist die Farbtiefe ein wichtiger Aspekt, wodurch das Gemälde bzw. das gemalte Bild, viel lebendiger und emotionaler aufgefasst werden kann. In der Fotografie wird das Bild lediglich auf einem matten oder glänzenden Papier ausgedrückt. Und hier stellt sich Schmidt natürlich die Frage, wo die »Farbtiefe« und die Emotion in einer Fotografie stecken kann.
Aus dieser Ansicht heraus hat er für sich selbst festgelegt, dass seine Bilder nur noch in einer Serie gesehen werden dürfen. Serien erzählen Geschichten und können viel mehr Fantasie und Emotion transportieren. Das ist nicht mit einem Einzelbild zu vergleichen, wo nur ein einziger Moment erfasst wird.
Aber welche bekannten Serien hat er denn herausgebracht? Richtig bekannt sind die Serien:
• Waffenruhe, 1987
• Ein-Heit 1996
• Frauen. 2000
• Irgendwo, 2005
Die Serie »Irgendwo« möchte ich später noch etwas näher beleuchten, vor allem, weil es eines seiner neusten Werke ist. Die Ausgangslage ist einfach die, dass er in seinen neuen Arbeiten einfach viel mehr Erfahrung in seine Bilder steckt und versucht, Zusammenhänge näher zu verdeutlichen.
Aber wie fotografiert er seine Bilder denn? Wie bereits gesagt, ist das Serielle für ihn ein sehr bedeutsamer Punkt, an dem er sich festhält. Aber auch die Farbe macht seine Bilder sehr anspruchsvoll und eigen. Er verwendet nämlich nur Grau-Töne. Das mag jetzt nicht spektakulär klingen, hat aber dennoch einen gewissen Reiz, da er die Vollfarben Schwarz und Weiß, jeweils der 100% Farbton völlig auslischt. Die Frage, die man sich hierbei stellen muss ist, wieso er das komplette Schwarz und Weiß meidet. Der Sinn liegt klar auf der Hand:Schwarz und Weiss sind klar definierte Farben; man mag das mit zwei klaren Seiten aussprechen. Da er die Welt, die Erde und damit auch das Leben fotografiert, ist es ihm wichtig, keine harten Schnitte, wie es die Farben machen würden, in seinen Bildern zu integrieren. So wie die Farben, besteht auch das Leben aus verschiedenen Nuancen. Das Leben ist immer anders, unvorhersehbar und gestaltet sich immer neu. Hier also eine klare Definition zu finden, wäre ein fataler Fehler. Durch Grautöne versucht er, zwar in diesem »Schwarz-Weiß« zu bleiben, eliminiert aber gleichzeitig dieses Strikte und Klare.
Auch wenn seine Bilder in einem interessanten Grau stehen, bieten sie doch keine große Attraktion, keine Qualität in dem Sinne, dass das Bild den Betrachter wirklich faszinieren würde. Das ist schwer zu erklären… es ist nun mal so, dass seine Bilder stets in diesem»Einheitsgrau« vorzufinden sind. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass sie schlecht sind, ganz im Gegenteil. Er selbst sagt, dass er Bilder, die einfach viel zu viel Dynamik und »Qualität« aufweisen, nicht in seine Serie aufgenommen werden, da sie nur zu einem Bruch der Serie führen würden.
Ich möchte also nochmals klipp und klar sagen, dass der Begriff »Qualität« hier in einem ganz anderen Fokus steht.
Nun möchte ich aber zu der Bilderserie »Irgendwo kommen« und die Bilder näher interpretieren. Welchen Fokus setzt er in seinen Bildern, wie soll der Betrachter diese Serie sehen?
Ich erwähne hier Bilder, die aus der Serie »Irgendwo« stammen. Aus rechtlichen Gründen, darf ich leider keine Bilder veröffentlichen. Daher bitte ich euch, euch eine Referenz zu besorgen, sofern ihr mehr über sein Werk erfahren möchtet…
Das erste Bild in dieser Serie zeigt eine Hecke im Vordergrund, gefolgt von einem Teich sowie einigen Häusern. Was nicht nur die Farbe, sondern auch die gesamte Bildkomposition aussagt: Das Allein-Gefühl. Man befindet sich irgendwo in der Einöde, es ist nichts los und scheinbar sind auch keine Menschen in diesem Dorf anwesend. Schmidt vermittelt eine Art Trauer und Sinnlosigkeit in den Bildern – der Betrachter befindet sich irgendwo im Nirgendwo (daher auch der Serien-Titel »Irgendwo«). Man fühlt sich allein und weiß nicht, wie man aus dieser Einöde ausbrechen soll. Das Faszinierende an dieser Geschichte ist, dass er sogar schon mit seinem ersten Bild dieses Gefühl vermitteln kann.
Das neunte Bild der Serie zeigt einen Holzzaun, einen kleinen Garten sowie Hügel, die das Bild auslaufen lassen. Hier wird auch wieder dieses »Verlassen« aufgegriffen und verdeutlicht. Es scheint ein verlassenes Haus zu sein, mit einem alten Holzzaun und sehr alten Bäumen. Wer will hier schon sein Leben verbringen? Hier ist man von der Zivilisation abgeschnitten, man befindet sich in einem traurigen Irgendwas und ist förmlich darin gefangen.
Seine Bilder wiederholen sich in dem Gedanken, etwas Tristes und Lebloses darzustellen. Das sechszehnte Bild dieser Serie zeigt einen Discounter, der wohlmöglich geschlossen ist. Der Parkplatz ist völlig leer, kein einziges Auto steht hier. Schmidt versucht klar zu machen, dass nicht einmal ein Supermarkt, wo sich regelrecht viele Menschen aufhalten, besetzt ist. Die Stadt ist einfach tot und unbelebt. Keine Menschenseele geistert noch herum. Und hier wird nochmals die Brücke zu Schmidts Ansicht der Fotografie geschlagen: Die Fotografie ist eine Bastard-Kunst und man muss wissen, wie damit umgegangen wird. Er schafft es, den Betrachter in diese Einöde hereinzuziehen und ihn zum Nachdenken zu bringen. Hat hervorragend geklappt…