Etwas mehr als zwei Monate ist es nun her, dass ich unseren Kleinen in den Kindergarten gebracht habe. Dass wir den Vater am Fahrradständer verabschiedet und ihm einen guten Tag im Büro gewünscht haben. Dass ich diverse Essenboxen gepackt habe. Dass ich mich in Ruhe an meinen heimischen Schreibtisch gesetzt habe und mich mit einem Kaffee in meine Arbeit vertieft habe.
Wir kommen klar. Der befürchtete Lagerkoller bleibt aus. Viele Laufrunden, unzählige Waldspaziergänge und Hörspiele bringen uns gut durch die Zeit. Kurzarbeit gibt es auch bei uns, aber nur auf dem Papier und Konto. Das Telefon klingelt, die Mails flattern rein, die nächste Videokonferenz steht an. Klar, da besteht man nicht darauf, die gekürzte Arbeitszeit zu leisten, schließlich ist es ja im eigenen Interesse, zum Unternehmenserfolg beizutragen und seinen Job langfristig zu sichern.
Viel Arbeit, wenig Spiel
Wir arbeiten viel, unser Sohn beschwert sich selten. Trotzdem kommt er zu kurz. Viel zu kurz nach unserem Empfinden. Wenn wir dann mal Feierabend haben, dann möchte er spielen. Den ganzen Tag hat er Türme gebaut, Hörspiele gehört, geturnt, ist in der Mittagspause Fahrrad oder Skateboard gefahren und hat sich die großartigsten Höhlen gebaut. Er kann sich unfassbar gut selbst beschäftigen, aber die sozialen Kontakte, sie fehlen ihm. Und wir Eltern, wir sind müde nach einem Arbeitstag, oft gereizt, weil das Arbeitsvolumen zu groß und die wirtschaftliche Lage mies ist. Ideale Spielkameraden sehen anders aus. Auch wenn wir schon knapp ein Jahr in Heidelberg wohnen, eine Familie, mit der wir uns zusammen tun können, haben wir nicht. Irgendwie sind wir auf uns angewiesen. Das ist zum einen gut, denn das Infektionsrisiko halten wir so gering. Andererseits ist es wirklich schwierig, denn so langsam wird es Zeit, dass unser Sohn wieder Kontakt zu anderen Kindern hat.
Beschränkte Lockerungen
Das ist der Punkt, den ich nicht verstehe. Die Lockerungen kamen so schnell. Während in der einen Woche noch die mediale Berichterstattung größtenteils Besorgnis erregend war, scheint alles mehr und mehr gut zu werden. Es ist wieder Platz für andere Nachrichten, die Leute beklatschen nicht mehr das Pflegepersonal. Ich begreife nicht, so viele Lockerungen möglich sind. Es gibt so viele Beschränkungen, die die wenigsten einhalten. Erst am Wochenende ist die Polizei an einem überfüllten Spielplatz mit sich rangelnden Kindern vorbeigefahren, obwohl die Schilder ganz klar sagen, dass nur zehn Kinder zeitgleich spielen dürfen. Klar, die Wirtschaft muss wieder angekurbelt werden, es muss weitergehen. Aber es will nicht in meinen Kopf gehen, weshalb auf so vielen Ebenen im öffentlichen Leben wieder sehr viel Nähe möglich ist, aber wenn es um die Betreuung von Kindern geht, die vorgeschriebenen Beschränkungen diese unmöglich machen. Auf der Straße geht mir niemand mehr aus dem Weg, im Supermarkt ist wieder Tuchfühlung angesagt, in der Schlange vor der Eisdiele drängeln sich die Leute, auf dem Spielplatz schlecken sich die Kinder ab. Spazieren, einkaufen, spielen und Eis essen, das machen wir privat. Da können wir keinen verantwortlich machen, wenn wir uns infizieren. Wenn man sich aber in einer Einrichtung ansteckt, dann ist die Gefahr groß, dass die Verantwortung dort gesucht wird.
Corona bestimmt unseren Alltag
Einerseits habe ich den Eindruck, das Schlimmste ist überstanden. Die sinkenden Fallzahlen werden gefeiert, die Menschen gehen wieder raus, das Leben geht voran. Andererseits weiß ich, dass der Eindruck täuscht. Das Schlimmste konnte verhindert werden, zumindest vorerst. Es ist noch nicht vorbei. Das wird mir jeden Morgen bewusst, an dem wir alle drei zu Hause sitzen. Ich von meinem morgendlichen Spaziergang, um zumindest ein paar Minuten für mich ganz allein zu haben, zu meinen Jungs zurückkehre und wir unseren Corona-Alltag fortsetzen. Ein Ende ist noch nicht in Sicht, zumindest für uns nicht.