In diesem Artikel möchte ich aus meiner eigenen Erfahrung etwas über die verschiedenen Jahreszeiten und die Frage nach der besten Reisezeit für den Jakobsweg erzählen.
Es ist warm, Urlaubszeit – warum nicht jetzt pilgern? Doch es scheint auch total voll auf dem Weg und in den Herbergen – also doch lieber in der Nebensaison gehen?
Ich selbst habe bei meinem ersten Jakobsweg beides ausprobiert. Ich bin den nordspanischen Küstenweg in „zwei Etappen“ gegangen:
- die einen 400 Kilometer im März (Mitte des Weges bis Santiago) und
- die restlichen 450 Kilometer im Juli (Irun bis Mitte des Weges) sowie 1 Woche auf dem portugiesischen Weg
Und ich kann sagen: Beide Reisen und beide Jahreszeiten waren komplett unterschiedlich und beide auf ihre Art sehr schön und gewinnbringend.
Meine Pilger-Erfahrungen zur Nebensaison im März
Auf meinem Frühlings-Camino habe ich…
- teilweise alleine in den Herbergen übernachtet
- teilweise tagelang keinen Mitpilger getroffen
- sogar einmal vor geschlossener Herberge gestanden
- teilweise morgens und abends noch mit Mütze und dicker Fleecejacke mich anziehen müssen
- dafür tagsüber frühlingshaftes T-Shirt-Wetter gehabt
- die Einsamkeit und Ruhe des Weges für mich genossen
- aber auch eine Handvoll Mitpilger an anderen Tagen getroffen und schöne Begegnungen gehabt
Es war genau das, was ich gesucht hatte. Ruhe und Zeit für mich in der Natur und ein paar, aber nicht zu viele Mitpilger.
Niedergeschrieben habe ich meine Erlebnisse von unterwegs in meinem eBook „Sehnsucht unterwegs zu sein„.
Meine Erfahrungen zur Hauptsaison im Sommer
Im Hochsommer auf dem Jakobsweg habe ich…
- zwar eigentlich einen mäßig vollen spanischen Küstenweg erwartet und erhofft,
- doch tatsächlich dann vor Ort einen sehr vollen Weg vorgefunden
- wenig Zeit alleine verbracht,
- und das schließlich dann doch wider Erwarten lieben gelernt aufgrund der tollen Begegnungen,
- bis auf eine Ausnahme immer ein Bett gefunden,
- wenngleich oftmals nur ganz knapp oder auch mal notgedrungen auf dem Boden einer Herberge oder in einem teuren Hotel, was sich in den Kosten für den Jakobsweg niedergeschlagen hat
- tagsüber trotz vieler Mitpilger Ruhe gehabt, da man sich auf dem Weg verteilt
Ich würde sagen: Beide Zeiten, sowohl Haupt- wie auch Nebensaison haben ihre Vor- und Nachteile, ihren eigenen Charme.
Beide Reisezeiten auf dem Jakobsweg haben Charakteristika, die dir gefallen und missfallen werden.
Der Sommer – die beliebteste Reisezeit
Gehst du zur Hauptsaison im Sommer (circa. Juni bis Mitte September) oder gar im Hochsommer (Juli, August) pilgern, so wirst du nicht als einziger die Idee gehabt haben.
Wie die Pilgerstatistiken zeigen, sind diese Monate die mit der höchsten Pilgerfreuquenz. Sie gehören zur liebsten Reisezeit bei Pilgern.
Das Wetter ist gut, es ist warm. Doch wenn du ein paar Tipps beherzt, kannst du auch bei Hitze pilgern gehen und dabei eine sehr schöne Zeit haben und es als nicht zu warm empfinden.
Das Meer und der Jakobsweg
Zudem gibt es Jakobswege, die am Meer entlang führen und dadurch ohnehin ein gemäßigtes Klima sowie kurze Abkühlungen im Meer bieten:
(Also eventuell die Badehose mit auf die Packliste für den Jakobsweg setzen bzw. den Badeanzug auf die Packliste für Frauen)
- den spanischen Küstenweg
- den Jakobweg in Portugal (mittlerweile auch inklusive Küstenvariante)
- den kaum bekannten Camino Inglés
Aber auch der bekannte Camino Francés ist im (Hoch)Sommer aus Wetter- und Klimasicht „begehbar“. Dieser von Hape damals gewählte und populärste aller Wege liegt noch relativ nördlich in Spanien.
Schon bedenklicher ist die Situation bei der in Südspanien beginnenden Via de la Plata. Auf diesem wenig bekannten Pilgerweg können im Hochsommer durchaus Temperaturen von 40 Grad und mehr erreicht werden. Zudem gibt es stellenweise kaum Schatten.
Einen guten Vergleich der Wege bietet der Artikel zur Jakobsweg-Länge der wichtigsten Wege.
Wie das Leben mich überrascht hat – persönliche Anekdote
Wie vorhin erwähnt, habe ich bei meinem zweiten Jakobsweg-Trip im Hochsommer eine dicke Überraschung erlebt: Der Küstenweg war proppevoll und die Herberge dazu.
Da ich immer von einem wenig bekannten Weg gelesen hatte (& einige Monate davor im März auch einen solchen vorgefunden hatte), war ich ziemlich überrascht.
Ja ehrlich gesagt war ich sogar nicht gerade begeistert, sondern eher genervt, als ich in Irun ankam und noch so gerade in der Herberge unterkam. Schließlich wollte ich doch eigentlich in Ruhe pilgern für mich allein.
Doch in der Herberge wuselten gerade so um die 40 Menschen aus allen Nationen herum und an Ruhe war nicht zu denken. Gesprächsfetzen aus allen Sprachen. Na toll, dachte ich.
Einen Pilger fand ich besonders unsympathisch. Ich konnte nicht mal genau sagen, warum. Es war mehr ein spontanes Gefühl. Vermutlich auch daher kommend, dass ich eh schon genervt war. Und dann noch er. Er wirkte so sehr von sich überzeugt., es nervte.
Doch ich wollte nicht vorschnell urteilen und sprach ihn in der Küche an zum Test. Das Ergebnis?
Ich hätte laut gelacht, hättest du mir vorher gesagt, was passieren würde
Wir kamen ins Gespräch, wir freundeten uns an, und wir liefen schließlich die nächsten drei Tage die meiste Zeit zusammen, ehe ich weiterzog, weil er wegen Knieproblemen aussetzen musste.
Ich war positiv überrascht und froh, dass ich ihm – und damit auch dem Leben – eine Chance gegeben hatte. Ich denke heute noch manchmal an ihn.
Letztlich könnte diese kleine Geschichte stellvertretend für diesen Jakobsweg von mir im Hochsommer sein: Obwohl ich ursprünglich alleine pilgern wollte, lernte ich diese Jahreszeit mit den vielen Pilgern auf dem Weg noch lieben und verbrachte viel Zeit mit anderen unterwegs.
Ich muss aber auch sagen, dass ich zu dieser Zeit schon besser mit mir selbst im Kontakt war. Ich spürte besser, was ich brauchte, wann ich Ruhe brauchte und wann nicht, und konnte mich besser abgrenzen als früher noch. Vermutlich hat mir das es auch leichter gemacht, mehr Zeit mit anderen zu verbringen.
So viele Pilger? Zu viele? – Notfallplan
Ein kurzer Exkurs an dieser Stelle, was du tun kannst, falls dein möglicherweise „worst case“ eintreffen sollte: Du bekommst kein Bett mehr in deiner anvisierten Unterkunft:
- vorab bewusstmachen, dass der worst case mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreffen wird
- falls doch, dann eine oder mehrere der folgenden Optionen wählen:
- weiterpilgern zur nächsten Herberge im Ort oder im nächsten Ort (oder im Ort zuvor)
- herumtelefonieren im Ort/in der nächstgrößeren Stadt für eine Unterkunft (dazu Portale wie booking.com oder airbnb nutzen; lies auch den Artikel mit dem Überblick über alle Arten von Unterkünften auf dem Jakobsweg)
- ggf. vorab reservieren (geht nicht bei öffentlichen Herbergen; bringt dir Sicherheit, nimmt dir aber auch Freiheiten bei der Spontanität)
- falls die nächste freie Unterkunft/der nächste Ort für deinen jetzigen Zustand zu weit weg scheint: Bus (Webseite alsa.es), Zug oder notfalls Taxi (und ggf. am nächsten Morgen wieder zurück, falls du sonst deine hoffentlich nur von dir selbst aufgestellten „Pilger-Regeln“ verletzt ;))
- zelten oder (wenn das Wetter es erlaubt und du dich wohl damit fühlst) unter freiem Himmel schlafen
Noch eine Erklärung, warum es auch auf weniger stark freuquentierten Wegen als dem Camino Francés (also z.B. auf dem Camino Portugues oder Küstenweg) ab und an mal zu Engpässen kommen kann bei den Betten: Ganz einfach weil es zwar weitaus weniger Pilger, aber auch weitaus weniger Herbergen dort gibt.
Lieber Off-Season und ohne Menschen?
Ein paar Gedanken zum Pilgerstrom: Möchtest du in absoluter Einsamkeit laufen und auch abends in den Herbergen deine Ruhe haben?
Dann wären wahrscheinlich der Frühling (März bis Mai) oder Herbst (Mitte September bis Ende Oktober) für dich sinnvoller als Reisezeitraum.
Durch die Nebensaison sind die Unterkünfte auf dem Jakobsweg günstiger. Nicht nur weniger Pilger, auch weniger Touristen generell sind dann unterwegs. Du sparst also womöglich etwas Geld.
Dafür wirst du andererseits etwas mehr Ausrüstung mitschleppen müssen in deinem Rucksack. Denn das Wetter ist womöglich wechselhafter und schwerer vorauszusehen.
Regenkleidung ist wichtig, ein dicker Schlafsack ohnehin. Du wirst sowohl für warme, wie auch für kältere Tage gewappnet sein müssen.
Eine Frage des Geschmacks & der Neugier
Ich würde zusammenfassend sagen: Es kommt darauf an, wonach dir ist.
Frage dich: Bist du neugierig auf Begegnungen mit anderen Menschen?
Dann könnte der (Hoch)Sommer trotz (oder gerade aufgrund) vieler Mitpilger spannend sein.
Viele der Pilger sind alleine unterwegs (auch diese 15 Frauen haben sich jeder alleine auf den Weg gemacht, was zeigt, dass du das auch als Frau kannst), was die Kontaktaufnahme leicht macht.
Viele sind auf der Suche nach etwas, möchten sich selbst besser kennen lernen. Es ergeben sich überraschend schnell tiefe, offene Gespräche und Begegnungen, die teilweise in Erinnerung bleiben.
Durch diese Gespräche und Verbindungen kann es sein, dass du die vielen Mitpilger plötzlich nicht mehr als annonyme, störende Masse wahrnimmst.
Sondern sie vielleicht sogar gar nicht mehr mitbekommst und völlig ausblendest. Weil du ganz im Moment aufgehst.
In einem Gespräch mit jemandem. Und dich so als verbundener Teil dieser großen Pilgerfamilie fühlst und dein Bild von „zu viel Pilgern“ veränderst.
In diesem Zusammenhang verweise ich auch gerne auf meinen Erfahrungsbericht von den Herbergen.
Frage dich auch: Bist du neugierig, wie es ist, Zeit mit dir alleine zu verbringen?
Dann könnte die Nebensaison im Frühjahr, Herbst (oder gar Winter) spannend sein.
Du wirst keine, wenig oder maximal mäßig viele Mitpilger treffen. Das bedeutet: Du hast viel Zeit für dich.
Es gibt keinen Grund, mittags schon in der Herberge zu sein. Die Angst, kein Bett zu bekommen, fällt weg. Du hast also alle Zeit der Welt, kannst unterwegs ganz in den Moment eintauchen.
Die Landschaft genießen, ausgiebig Rast machen, in einem Café am Rand des Jakobswegs verweilen.
Viele Kilometer laufen, um deinen Kopf frei zu bekommen, oder auch das Tempo einmal ganz herausnehmen und spüren, was passiert, wenn du einmal innehältst. Oder auch was überhaupt dein natürliches Tempo ist.
Du kannst abends in der Herberge in Ruhe kochen, Tagebuch schreiben oder lesen. Deinen Tag Revue passieren lassen und einmal ganz für dich sein.
Was das mit dir im positiven Sinne „machen kann“, kannst du in diesem oder diesem Erfahrungsbericht zum Beispiel nachlesen als Inspiration.
Fazit
Ich hoffe mit diesem Text herübergebracht zu haben, dass alle Jahreszeiten ihre Vor- und Nachteile und ihre Eigenschaften haben.
Es ist letztlich eine Frage des Geschmacks, und vielleicht auch ein Experiment, beides einmal auszuprobieren.
Die beste Jahreszeit zum Pilgern gibt es also meiner Meinung nach pauschal nicht. Finde sie für dich heraus!
Was ist deine liebste Jahreszeit für den Camino & warum? Oder welche willst du für dich ausprobieren? Verrat es uns in den Kommentaren!