An Luises 11. Geburtstag habe ich endlich verstanden, dass ich nicht mitzumachen brauche beim Wettlauf um den schönsten Geburtstagskuchen aller Zeiten. Heute, an Prinzchens 7. Geburtstag, habe ich mir bewiesen, dass ich nicht nur verstanden habe, sondern inzwischen auch lebe, was ich glaube. Das ging so:
Prinzchen wollte zu seinem Geburtstag einen Ritterburg-Kuchen und zwar einen mit viel Schokolade. Schokoladenkuchen ist nicht mein Ding, ich werde wohl bis zu meinem Lebensende nicht verstehen, was die halbe Welt so toll daran findet. Aber wenn ein Kind etwas zum Geburtstag wünscht, ist mir das Befehl – es sei denn, es wünschte sich einen Hund – und darum suchte ich mir aus den unzähligen “Bester Schokoladenkuchen aller Zeiten”-Rezepten das am wenigsten unsympathische aus, mischte den Teig, schmierte das Zeug in die Ritterburg-Backform und glaubte, für einmal einen ganz annehmbaren Geburtstagskuchen kreiert zu haben. Das dachte ich leider nur so lange, bis der Kuchen ein wenig abgekühlt und aus der Form war. Da stand nämlich keine Ritterburg auf dem Kuchenteller, sondern eine Burgruine.
Vor meinem Gesinnungswandel zu Luises 11. Geburtstag habe ich in solchen Momenten je nach Stimmungslage ein paar Tränchen verdrückt, oder aber den elenden Kuchen an die Wand geschmissen. Heute jedoch betrachtete ich den unansehnlichen Haufen mit kühler Distanz, griff zur Glasur, schmierte alles voll und als ich die goldenen Zuckerhalbmonde darüber streute, die ich gestern einer Eingebung folgend gekauft hatte, war mir auch klar, wie ich dem Prinzchen die Sache schmackhaft machen kann. Die Osmanen hätten die Ritterburg angegriffen, würde ich erklären, doch die tapferen Ritter hätten mutig gekämpft, darum sei die Burg zwar ziemlich lädiert, nicht aber dem Erdboden gleich gemacht. Wie man an den Halbmonden unschwer erkennen könne, sei es den Osmanen aber gelungen, die Burg zu erobern. (Es komme mir jetzt keiner mit Erklärungen, die Osmanen hätten keine Ritterburgen angegriffen. Und erst recht komme mir keiner mit kruden Interpretationen im Zusammenhang mit der aktuellen Weltlage.)
Ich freute mich richtig, dem Prinzchen meine missratene Torte zu präsentieren, doch der liess mich nicht mal bis zu den Osmanen kommen. “Macht nichts, dass die Torte nicht so schön geworden ist”, sagte er, als er von der Schule nach Hause kam “darf ich jetzt endlich mein Geschenk auspacken?”
Um den Geburtstagskuchenstress weiter zu mindern, plane ich deshalb demnächst ein familieninterne Meinungsumfrage zum Thema “Braucht es am Geburtstag überhaupt einen Geburtstagskuchen?”