Ist das schon die zweite Welle?

Eigentlich wollte ich ja nichts direkt über die Corona-Daten schreiben und eigentlich auch nur einen Beitrag pro Monat. Aber die neuen Zahlen schreien fast nach einem näheren Blick. Es fällt auf, dass rund drei Wochen nach der ersten Lockerung die Zahl der neu gemeldeten Fälle (Inzidenzen) wieder nach oben gehen. Das ist deshalb interessant, weil es ungefähr so lange dauert, bis neue Infektionen auch tatsächlich diagnostiziert und gemeldet sind. Und heute, am 8. Mai liegt das erste Mal seit dem 3. April der 7-Tage-Schnitt höher als am Vortag. Aber der Reihe nach.

Saisonale Schwankungen

Ein Blick auf die Grafik zeigt schon, dass man mit Aussagen wie „die Zahlen steigen wieder" vorsichtig sein muss, vor allem wenn man die einzelnen Tage betrachtet. Es gibt nämlich ein klares Muster. Sonntag, Montag und Dienstag sind die Zahlen immer niedriger. Betrachtet man die Zahlen seit dem 28. Januar, wurden an Montagen durchschnittlich 20,4 Prozent weniger Fälle gemeldet als im Schnitt aller Wochentage, am Freitag 22,7 Prozent mehr.

Das Bild verändert sich etwas, wenn wir nur die Daten seit dem 3. April betrachten, also seitdem der 7-Tage-Schnitt fällt. Dann liegt der Montag sogar 30,1 Prozent niedriger, der Freitag 27,8 Prozent höher. Auch die anderen Tage verschieben sich etwas, besonders stark der Donnerstag, der insgesamt 22,4 Prozent über dem Schnitt liegt, seit April aber nur 10,8. Für die anderen Tage ist der Unterschied nicht so groß und das Muster bleibt insgesamt gleich.

Hier macht sich das Wochenende bemerkbar. Dass es drei Tage umfasst dürfte daran liegen, dass an Wochenenden weniger Test durchgeführt und weniger ausgewertet werden. Es gibt also zwei Effekte, die zeitlich leicht verschoben sind. Am Montag kommen beide zusammen.

Saisonbereinigung?

Natürlich könnte man jetzt überlegen die Daten einer Saisonbereinigung zu unterziehen, wie es beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit mit den Arbeitslosenzahlen macht. Dabei wird ein Saisoneffekt identifiziert und dann aus den Daten herausgerechnet. Ein sehr einfaches (und aber auch sehr grobes) Verfahren wäre es, einfach jeden Montag mit dem Faktor 1,4 zu multiplizieren, den Freitag mit 0,8 und so die um 30,1 Prozent zu niedrige beziehungsweise 22,4 Prozent zu hohe Zahl auszugleichen.

Aber da Verfahren ist nicht nur sehr grob, auch ein komplexeres wäre auf Ebene von Tagen problematisch. Allein der 1. Mai als Feiertag bringt alles durcheinander. Außerdem war in den vergangenen Wochen eher der Donnerstag der Ausreißer nach oben.

Hinzu kommen zufällige Schwankungen, es ist also schlicht nicht möglich, auf Basis von wenigen Tagen eine Trendwende vorherzusagen.

Und der gleitende Durchschnitt

Beunruhigender ist der erste Anstieg des 7-Tages-Schnittes. Vor allem, weil allein schon die sinkende Zahl von Infizierten auch eine sinkende Zahl von Neuansteckungen bewirken sollte. Denn die sinkt weiter, trotz steigender Fallzahl. Die vom Robert Koch Institut veröffentlichte Zahl von heute 167.300 Personen ist nämlich die kumulierte Fallzahl. Es werden hier also alle Fälle zusammengezählt, auch die bereits beendeten sind enthalten. Beendet sind rund 149.000, davon rund 141.700 durch Genesung und 7.266 durch Tod. Es gibt also heute noch rund 25.600 Infizierte, das sind rund 600 weniger als gestern.

Allerdings ist in all diesen Zahlen die Dunkelziffer nicht enthalten. Eine Zunahme der Fälle - auch im 7-Tages-Schnitt - kann deshalb leicht eine Folge zunehmender Test sein. Wird mehr getestet, werden auch mehr Fälle entdeckt. Das ist ähnlich wie bei Verkehrs- oder Fahrausweiskontrollen. Werden sie ausgeweitet, steigt die Zahl der erfassten Verstöße.

Wir sollten also noch nicht zu viel in die Daten hineininterpretieren.


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