Ist das Profiboxen in Deutschland nur zweitklassig?

Von Betker

Die englischsprachigen Boxzeitschriften bringen alle paar Jahre Sonderhefte oder Listen mit den 100 besten Kämpfen heraus, wie jetzt Boxing News aus England. Auch im Internet sind solche Listen zu finden. Diese Bestenlisten unterscheiden sich meist nur in Details. Da liegt zum einen daran, dass es relativ viele Kämpfe gibt, die unstrittig zu den besten aller Zeiten gehören: Marvin Hagler vs. Thomas Hearns, The Rumble in the Jungle, Archie Moore vs. Yvonne Durell, The Thrilla in Manila, Aaaron Pryor vs. Alexis Arguello und ähnliche. Hinzu kommt, dass auch wohl einige Journalisten voneinander abschreiben.
Ein Aspekt der aktuellen Bestenliste ist interessant: Nur ein einziger Kampf mit deutscher Beteiligung ist in der Liste zu finden, nämlich Max Schmeling vs. Joe Louis I. Dieser Kampf fand auch nicht in Deutschland, sondern in New York statt. Kein einziger Profiboxkampf, der in Deutschland ausgetragen wurde, fand also seinen Weg in eine der Listen mit den besten Kämpfen aller Zeiten.
Man könnte jetzt natürlich damit argumentieren, dass das Boxen in Deutschland erst in den letzten Jahrzehnten durch die TV Übertragungen etwas populärer geworden ist. Oder man könnte den Machern der Bestenlisten unterstellen, sie würden vor allem die Kämpfe in den eigenen Ländern sehen. An beiden Argumenten mag etwas dran sein, aber es erklärt dennoch nicht, warum nicht ein in Deutschland ausgetragener Kampf es in eine Bestenliste geschafft hat.
Lassen wir doch einfach mal die letzten Jahrzehnte Revue passieren. Welcher Kampf, den wir in Deutschland sahen, hätte es denn in eine Liste wie „die besten 100 Kämpfe“ schaffen können? Mir fallen nur zwei ein, wobei ich nicht ausschließen möchte, dass ich welche übersehe: Graciano Rocchigiani vs. Alex Blanchard und Graciano Rocchigiani vs. Dariusz Michalczewski. Den ersten Kampf (13.09.1991) könnte man eventuell als die größte Ringschlacht auf deutschem Boden bezeichnen. Aber dieser Kampf war „nur“ eine EM; damit war seine Chance, in einer Liste aufzutauchen, schon vernichtete. Im zweiten Kampf (10.08.1996) sorgte der Ringrichter Joe O’Neil und die Offiziellen der WBO dafür, dass Rocchigiani einer der größten KO Siege aberkannt wurde. Es war die, wie ich finde, geradezu ekelerregende Mauschelei, die damals Michalczewski und Universum Box-Promotion den Titel sicherte, die auch den Kampf aus der Liste katapultierte.
Was man insgesamt feststellen kann, ist, dass zu großen und unvergesslichen Kämpfen offensichtlich gleichwertige Boxer gehören. Und genau das ist denn auch der Grund, weshalb es kein deutscher Kampf in eine Bestenliste geschafft hat. Die deutschen Veranstalter versuchen vor allem auf Nummer sicher zu gegen. Es werden fast nur Kämpfe gezeigt, bei denen die Sieger bereits aufgrund des Matchmakings von vornherein schon feststehen.
Man kann sich da schon fragen: Ist das Profiboxen in Deutschland nur zweitklassig?
© Uwe Betker