Das scheinen uns viele unserer Facebook-Freunde zurufen zu wollen, wenn man manche Fotos und Statusmeldungen sieht. Auf Instagram scheint dieses “Schaut her – mein Leben ist so super!” noch größere Dimensionen anzunehmen.
Aber ist das wirklich so? Ist das Leben der anderen so viel besser? Sollten wir die anderen darum beneiden? Und was hat das alles mit einer Angststörung zu tun? Die Antworten liefert der folgende Artikel.
Das Leben der anderen ist der Hammer
Wenn ich die Meldungen bei Facebook so sehe, könnte man den Eindruck bekommen, das Leben meiner Facebook-Freunde sei so viel aufregender als meines. Da werden Bilder von Urlauben in traumhafter Kulisse gepostet, Partyfotos gezeigt und Fotos vom leckeren Essen in einem schicken Restaurant.
Dann erwische ich mich manchmal dabei, dass ich denke: “Ist mein Leben eigentlich so langweilig?” Die Frage ist allerdings schnell mit einem eindeutigen “Nein” beantwortet, wenn meine 19 Monate alte Tochter – ein echter Wirbelwind vor mir steht und ruft “Papa Arm”!
Auch ich fahre in ziemlicher Regelmäßigkeit in den Urlaub, gehe auswärts essen und zu Partys. Na klar, nicht dauernd. In der Regel arbeite ich tagsüber, kümmere mich um meine kleine Familie und lasse den Abend auf der Couch bei einem guten Buch ausklingen. Das ist mein Alltag. Das klingt vielleicht nicht besonders spannend – langweilig ist mein Leben aber bei weitem nicht.
Heute geht es mir gut, ich weiß, dass ich Glück habe mit meiner kleinen Familie und ich bin dankbar dafür, dass mein Leben heute so ist wie es ist.
Vor ein paar Jahren allerdings – als ich noch an der Angststörung gelitten habe, kam manchmal Neid auf, wenn ich die Bilder von anderen gesehen habe. Die sahen alle so glücklich aus. Ich hingegen war ein Schatten meiner Selbst und war froh, den Tag irgendwie zu überstehen.
Ich fühlte mich wie einer von ganz wenigen, die mit dieser ständigen Angst zu tun hatten und es gab Phasen, in denen ich mich fragte: “Warum gerade ich? Womit habe ich das verdient?” Ich wollte nichts mehr als ein normales Leben zu führen. Ich verlange doch wirklich nicht zuviel!
Warum konnte ich nicht so sein wie die anderen? Hätte ich mir stattdessen mal lieber die Frage gestellt: “Ist das Leben der anderen wirklich so viel besser?”
Ich möchte meinen Facebook-Freunden ihr Glück gar nicht absprechen. Und ich gönne ihnen, wenn es ihnen gut geht. Ganz ehrlich.
Aber es ist doch auch ein Fakt, dass kein Leben immer nur ein Highlight ist. Jeder von uns durchlebt die eine oder andere Krise und zwar immer mal wieder. Das gehört zum Leben dazu. Darüber spricht aber kaum jemand. Selten im richtigen Leben und noch seltener bei Facebook.
Millionen Facebook-Nutzer haben eine Angststörung
Schon gar nicht wird mit einer psychischen Erkrankung wie einer Angststörung hausieren gegangen. Dabei sind Millionen Facebook-Nutzer von einer Angststörung betroffen. Ja, Du hörst richtig: Millionen!
Die TU Dresden beschäftigt sich regelmäßig mit der Verbreitung von psychischen Erkrankungen. Danach ist etwa jeder Dritte von einer psychischen Störung betroffen. Bei den 18 bis 35-jährigen sind es sogar 45 % und zwar BINNEN EINES JAHRES! Das heisst also, dass allein in Deutschland mehr als 25 Millionen Menschen mit einer psychischen Störung herumlaufen.
Dabei haben mit etwa 15 % die meisten Betroffenen mit einer Angststörung zu tun. Das sind etwa 12 Millionen Bundesbürger. Diese Zahlen kann man sich kaum vorstellen. Millionen Menschen leiden darunter und kaum jemand bekennt sich offen zu seinen Problemen. (Quelle 1, Quelle 2)
Von über 35 Millionen deutschsprachigen Facebook-Nutzern müssten sich statistisch gesehen, also etwa 12 Millionen Menschen mit einer psychischen Störung, davon über 5 Millionen mit einer Angststörung tummeln.
Und doch liest man bei Facebook relativ wenig davon. Außer in einigen (geschlossenen) Gruppen postet kaum jemand, dass er an einer Angststörung leidet. Ich habe bislang zumindest keinen Status gesehen, nach dem Motto “Gerade hatte ich mal wieder einen Panikattacke, die sich gewaschen hat.”
Sollten wir offen bei Facebook zeigen, dass man eine Angststörung hat?
Das muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, inwieweit er seine Angstzustände und Panikattacken publik macht. Und das will ich mit diesem Artikel auch nicht bezwecken.
Natürlich kann es anderen Menschen Mut machen und Hoffnung geben, denn sie sehen, dass sie damit nicht allein sind.
Für denjenigen, der seine Angststörung in Facebook und Co. offen zur Schau stellt, kann diese Offenheit auch Nachteile mit sich bringen. Wenn der potentielle neue Arbeitgeber im Profil eines Bewerbers sieht, dass er eine Angststörung hat, ist die Gefahr groß, dass er von einer Einstellung Abstand nimmt.
Bekannte und Kollegen könnten sich lustig machen, obwohl ein Erwachsener da drüber stehen sollte. Kinder und Jugendliche könnte das jedoch sehr viel mehr belasten. Daher sollte man sich gut überlegen, ob man Gott und die Welt an seinen psychischen Problemen teilhaben lassen will.
Einen offenen Umgang mit einer psychischen Erkrankung gegenüber bestimmten Personen hingegen befürworte ich. Es kann einen gewissen Druck nehmen, wenn der gute Freund, der Büronachbar oder der Vorgesetzte (sofern man ein gutes Verhältnis hat) von einer Angststörung weiß, was wiederum dazu führen kann, dass Panikattacken weniger häufig auftreten.
Ich will auf etwas anderes hinaus
Ich kenne eine Person ziemlich gut, die auf Facebook sehr aktiv ist. Ich möchte an dieser Stelle nicht einmal ein Geschlecht nennen. Nennen wir die Person einfach geschlechtsneutral Alex.
Alex postet vor allem Bilder, die den Eindruck erwecken, dass ihr Leben (der Person “Alex”) total geil ist. Besuche in schicken Restaurants, hinter dem Steuer ihres Cabrios, Urlaube in fernen Ländern, Partyfotos mit einem Drink in der Hand usw.
Alex erlebt tatsächlich viele tolle Dinge. Da ich Alex aber wie gesagt sehr gut kenne, weiß ich, dass sie seit zwei Jahren in einer Phase steckt, die alles andere als beneidenswert ist. Alex befindet sich in einer Art Identitätskrise, ist oft unglücklich und im Moment fühlt sich Alex oft sehr einsam.
Solche Phasen gibt es im Leben eines Menschen. Das ist nicht unnormal und an und für sich nichts besonderes. Alex wird aus dieser Phase wieder herauskommen. Da bin ich sicher.
ABER: Wenn ich nur Alex’ Facebook-Freund wäre, würde ich denken, Alex’ Leben ist ziemlich geil und sie rundherum glücklich.
Und ich bin sicher, dass solche Profile zuhauf bei Facebook existieren. Vermutlich hat jeder von Euch nicht nur einen Facebook-Buddy, bei dessen Posts man denkt “Wow, was der für ein Leben hat!”
Wir sind nicht offen und ehrlich
Facebook, Instagram und Co. vermitteln oft einen vollkommen falschen Eindruck.
Wir sind nicht ehrlich gegenüber anderen Menschen. Wir teilen nicht jedem mit, was uns wirklich bewegt und wie es uns wirklich geht. Und das geht ja auch nicht jeden etwas an.
Warum sollte ich all meinen Facebook-Freunden mitteilen, wie es tatsächlich um mich bestellt ist. Den einen oder anderen würde ich im “echten” Leben höchstens flüchtig grüßen. Die meisten meiner Facebook-Freunde sind nicht meine wahren Freunde. Davon habe ich vielleicht gerade mal eine Handvoll – Freunde, denen ich mitteile, was mich wirklich im Innersten bewegt.
Das Problem an der ganzen Sache – diesen “Mein Leben ist so geil – Posts”, ist, wenn auf diese Weise der Eindruck entsteht, das Leben der anderen wäre besser, als es tatsächlich ist.
Andere sind immer glücklich, erleben nur Schönes und alles läuft immer super. Warum ist das bei mir nicht so?
Dann fängt man an, andere zu beneiden und fühlt sich selbst noch schlechter. Noch kleiner. Wie ein schwarzes Schaf in einer großen Herde voll glücklicher Menschen.
Das Leben ist aber nicht immer nur toll. Es gibt Phasen, in denen es auch mal nicht so gut läuft. Es gibt Tage, da möchte man sich einfach die Decke über den Kopf ziehen. Es gibt Momente des Selbstzweifels, der Angst und der Hoffnungslosigkeit. UND ZWAR BEI JEDEM EINZELNEN MENSCHEN.
Dort draußen laufen Millionen Menschen mit einer Angststörung herum. Sooo viele Leute, die verstehen, was Ihr durchmacht. Kaum jemand geht offen damit um. Schon gar nicht bei Facebook, Twitter, Instagram und Co.
Ihr seid keine seltene Spezies, Ihr seid nicht unnormal. Es gibt auch bei Facebook Millionen von Menschen mit einer Angststörung, Depressionen, Burnout usw.
Und absolut jeder einzelne Mensch – ob mit oder ohne psychischer Erkrankung hat so seine kleinen und größeren Probleme. Nur werden diese halt selten mit anderen Leuten geteilt.
Also bitte: Macht nicht den Fehler, zu glauben, die anderen hätten ein so viel besseres Leben als Ihr. Andere hätten keine Probleme und alles wäre immer nur Friede, Freude, Eierkuchen.
Es ist quatsch, die anderen zu beneiden. Ihr wisst nicht, wie es ihnen wirklich geht. Ihr schaut den anderen nur vor den Kopf. Ihr seid nicht die Einzigen, die in einer Krise stecken.
Und noch ein Gedanke zum Abschluss: Wenn das eigene Leben wirklich immer so geil ist – hat man dann überhaupt Zeit und Lust dazu, das eigene Leben dauernd zu posten?
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