Israel steckt in einer schweren innenpolitischen Krise. So tief, dass die Demokratie Schaden nimmt. So tief, dass eine ganze junge, politisch engagierte Generation im Aufbruch scheint, die hart erkämpfte Heimat zu verlassen. Weil sie sich nicht mehr wiedererkennen im Weltbild der Regierung um Benjamin Netanjahu.
Weil neue Gesetze die Freiheit anfressen. Weil es an Putins Russland erinnert, wenn Medien und Schulbücher zensiert, die Arbeit von NGOs boykottiert und kritische Stimmen im eigenen Land als “anti-israelisch” und “terroristisch” abgestempelt werden.
Wenn Überwachungsausrüstung, die normalerweise an Israels Grenzen eingesetzt wird, plötzlich im Herzen Tel Avivs die Teilnehmer von Sozialprotesten observiert. Seit vergangenem Jahr fordern zig Tausende lauthals ein besseres Israel, das über die Hysterie um die “Sicherheit” nicht das Wohl der eigenen Bevölkerung vergisst. Proteste, die mittlerweile schlicht unterdrückt werden.
Die Ausstellung “Breaking The Silence” einer gleichnamigen Organisation israelischer Ex-Soldaten, die noch bis zum 29. September 2012 im Willy-Brandt-Haus in Berlin zu sehen ist, erzählt genau von dieser Ignoranz. Weil in Israel immer weniger Menschen zuhören wollen, sind die rund 800 Mitglieder von “Breaking the Silence” froh, dass die Exponate anderswo ein Publikum finden. Und sei es in Deutschland, dem Land, das am wenigsten geeignet ist, Israel einen Spiegel vorzuhalten.
“Dann verschwimmt die Grenze zwischen Gut und Böse”
Rund 60 Fotos hängen an den weißen Wänden. Amateuraufnahmen, die männliche und weibliche Soldaten zur eigenen Erinnerung geschossen haben, während sie ihren Militärdienst, den jeder Israeli leisten muss, in den besetzten Gebieten absolvierten. Frauen zwei, Männer drei Jahre. Knapp zehn Prozent der Soldaten landen in Gaza oder West Bank. Sie können den Ort der Stationierung nicht beeinflussen. Die Mitglieder von “Breaking the Silence” waren vor allem in Hebron stationiert, der größten palästinensischen Stadt im Westjordanland und der einzigen, in der jüdische Siedler leben, um “heiliges Land zurückzuerobern”. 800 Siedler, Männer, Frauen, Kinder harren hier aus, und israelische Soldaten müssen sie “beschützen”.
Was das bedeutet, zeigen die Bilder, die in Kombination mit Aussagen der Ex-Soldaten einen Blick ermöglichen ins Hirn derer, die die Besatzung ausführen: Graffitis (“Araber in die Gaskammern”), Bewohner Hebrons, die mit verbundenen Augen und gefesselten Händen auf der Straße sitzen, Soldaten, die neben einem getöteten Terroristen posieren.