Island ist Leseland

Island ist Leseland

Island ist der perfekte Ort, um dort Geschichten spielen zu lassen. Es ist Europa, es ist aber auch ein Märchenland mit fremd klingenden Namen, mythischen Geschichten, die während der Wirtschaftskrise hart auf die Realität prallten. Island ist weit weg, die Bevölkerung ist klein, überschaubar. Jeder kennt jeden – in Krimis sorgt das für eine enge Bindung zwischen Komissar und Fall und für eine gewissen Überschaubarkeit der Personen. Inseln sind ein guter Ort für Geschichten. Island ist die beste Insel.

Das kleine Land ist der diesjährige Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse. Und lenkt den Blick somit auch auf die dortige Literaturszene. Acht Bücher kauft ein Isländer durchschnittlich im Jahr, der Schriftstellerverband hat 400 Mitglieder – dabei leben auf der Insel nur 320.000 Menschen.

Selbst deutsche Autoren greifen gerne auf Island als Ort ihrer Handlung zurück. Die wohl beste Kurzgeschichte von Judith Hermann Kaltblau aus Nichts als Gespenster (2003) spielt auf der Insel. Die Liebesgeschichte arbeitet mit der Einsamkeit, mit dem Schnee und der Dunkelheit. Eine ideale Kulisse, um den Verlust der großen Liebe zu beschreiben.

News.de stellt Ihnen isländische Autoren vor, bei denen es wirklich lohnt, sich in in die kalten Gefilde von Island entführen zu lassen.

Nonni und Manni – das in Deutschland bekannteste Kinderbuch aus Island.

1870 verließ Jón Sveinsson seine Heimat Island. 13 Jahre alt war der Junge damals. Er ging erst nach Frankreich, später nach Dänemark. 1944 starb er in Deutschland – nur noch zweimal kehrte er nach Island zurück.

Seine Kindheit zwischen Eis, Gletschern und Vulkanen verarbeitete er in zwölf Nonni-Büchern, die 1988 verfilmt und als Weihnachtsserie im ZDF gezeigt wurde. Dabei sind die meisten Erlebnisse in dem Film rein fikitv. Es geht um die zwei Brüder Nonni und Manni, deren Vater, ein Seefahrer, gestorben ist. Der beste Freund des Vaters kommt nach Island, um sich um die zwei Jungen, die Mutter und den Hof zu kümmern. Dabei erleben sie eine ganze Menge Abenteuer, deren Höhepunkt eine wilde Verfolgungsjagd am Rande eines ausbrechenden Vulkans ist.

Ohnehin spielen die Vulkane und die Gletscher in vielen isländischen Romanen eine Rolle. Sie stehen nicht nur für das, was das Land über Jahrhunderte prägte, sondern sind auch Anziehungspunkt für die Touristen, die immer häufig den Weg nach Island finden.

Titel: Neue Abenteuer auf Island mit Nonni und Manni
Autorin: Jón Sveinsson
Verlag: Herder Verlag
Seiten: 128Seiten
Preis: 9,90 Euro

Arnaldur Indriðason und der isländische Krimi

Sie sind unfassbar spannend. Sie sind nicht laut, nicht schnell. Sondern bedächtig. Die Kriminalromane von Arnaldur Indriðason rund um den Ermittler Erlendur Sveinsson, der als kleines Kind seinen geliebten Bruder während eines Schneesturms verlor.

Erlendur ist melancholisch ohne das wallander’sche Selbstmitleid. Im Gegensatz zu dem schwedischen Kommissar aus der Tastatur von Henning Mankell packt der Isländer seine Probleme an.

In dem aktuellen Fall Abgründe spielt Erlendur deshalb auch nur eine untergeordnete Rolle. Weil er in den Bergen seiner Heimat sich selbst und die Überreste seines Bruders sucht, übernimmt Sigurdir Oli, sein Mitarbeiter, den aktuellen Fall. Bisher war der Fan alles Amerikanischen nur am Rande vertreten, ein Nebendarsteller. Nun vertritt er Erlendur.

Arnaldur Indriðason widmet sich Sigurdir Oli in dem ganzen Roman. Wer damit in die Reihe einsteigt, der könnte ein Problem haben, weil viel Hintergrundwissen fehlt – für alle anderen ist der  Krimi eine Bereicherung und eine spannende Lektüre.

Die Suche nach der isländischen Identität

Sigurdir Oli ermittelt in einem Fall von Erpressung und Mord. Lose Handlungsfäden werden dabei erst zum Ende hin verbunden – lange überlegt der Leser, in welche Richtung die Geschichte gehen soll. Nebenbei wird auch das Privatleben des Ermittlers betrachtet. Er hat sich gerade von seiner Frau getrennt, hat ein schlechtes und eher kühles Verhältnis zu seinen Eltern – und fühlt sich in Island fehl am Platze. Lange hat er in den USA gelebt, die amerikanische Kultur, das Wetter, gefällt ihm besser als alles isländische.

Damit greift Arnaldur Indriðason ein Problem der isländischen Gesellschaft auf. Viele junge Leute gehen aus dem Land weg – und kommen nicht wieder. Hunderte Jahre alte Traditionen verschwinden.

Die Suche nach der eigenen Identität zieht sich durch alle Romane von Arnaldur Indriðason. Nicht nur in der Erlendur-Reihe, auch in den anderen Büchern des Journalisten findet sich dieses Motiv. Die Kriminalfälle und Geschichten haben ihren Ursprung oftmals in der Vergangenheit – und werden mit dem Übergang in die Gegenwart zu einem Stück isländischer Geschichte und Kulturkritik.

Deshalb bietet Arnaldur Indriðason mehr als nur pure Krimiliteratur. Er bietet einen Einblick in eine Gesellschaft, die durch das Meer vom Rest der Welt abgeschnitten war. Eine Welt, in der die Menschen sich duzen, in der sich alle zumindest um zwei Ecken kennen und wo Schnee, Eis und Vulkane den Alltag bestimmen.

Titel: Abgründe
Autorin: Arnaldur Indriðason
Verlag: Bastei Lübbe
Seiten: 432 Seiten
Preis: 19,99 Euro
Erscheinungstermin: bereits erschienen

Der isländische Nobelpreisträger Halldór Laxness

Der erste Isländer, der mit seiner Literatur weltweit bekannt wurde, war Halldór Laxness. 1902 wurde er in der Hauptstadt Reykjavik geboren und reiste im Erwachsenenalter häufig nach Europa. Dort wechselte er zum Katholizismus – und entdeckte die Politik für sich.

1955 erhielt er den Nobelpreis für Literatur – zu diesem Zeitpunkt hatte er schon 20 Bücher veröffentlicht, viele weitere sollten folgen. Sein Roman Atomstation aus dem Jahr 1948 war der Grund für die Ehrung des Nobelkomitees. Das Buch ist bis heute ein Klassiker der isländischen Literatur.

In dem Buch verarbeitet er die Stationierung der Briten und später der Amerikaner auf Island. Obwohl die Bevölkerung gegen eine Stationierung der Truppen war, beschloss die Regierung den so genannten Keflavik-Vertrag, der es dem amerikanischen Militär erlaubte, eine Luftwaffenbasis in dem Land zu errichten. Auch Arnaldur Indriðason arbeitet dieses isländische Trauma später in seinen Romanen auf, eine explizite Rolle spielt der Keflavik-Vertrag in Gletschergrab, einem Roman, der jedoch nicht zur Erlendur-Reihe gehört, sondern für sich alleine steht.

Die Ablehnung der Stationierung der Amerikaner und Briten auf Island brachte Halldór Laxness den Ruf ein, sich dem Marxismus und dem Kommunismus zugewendet zu haben. Um 1955 herum wendete er sich aber wieder davon ab, da ihm die politische Richtung zu weltfremd und unumsetzbar erschien. Dennoch blieben seine Romane auch weiterhin den politischen Idealen von Gleichheit und dem Problem der Entfremdung verschrieben.

Die Nähe zum Marxismus und Kommunismus sorgte dafür, dass die Romane von Halldór Laxness vor allem in der DDR viel verlegt und gelesen wurden. Erst nach der Wende wurden die Bücher des Isländers auch im Westen wieder gelesen.

Titel: Atomstation
Autorin: Halldór Laxness
Verlag: Steidl
Seiten: 203 Seiten
Preis: 9,90 Euro

Steinar Bragi und Kristof Magnusson – die neue Generation der Schriftsteller

2005 erschien Zuhause von Kristof Magnusson. Im Gegensatz zu vielen anderen isländischen Romanen spielen hier Eis und Schnee nur eine untergeordnete Rolle. Es geht um das Gefühl, nach langer Zeit nach Hause zu kommen. Die Hauptfigur, Lárus, kehrt nach einiger Zeit aus Deutschland zurück nach Island.

Die Dunkelheit macht ihm schwer zu schaffen. Während er weg war, hat sich nichts in seiner Heimatstadt verändert – nur er ist anders geworden. Oder ist es genau umgekehrt? «Nett ist die kleine Schwester von Scheiße» lässt Kristof Magnusson seine Hauptfigur einmal sagen und zeigt damit: die Geschichte steckt voller Zynismus und Selbstreflektion.

Kristof Magnusson zeigt in Zuhause ein Problem vieler Heimkehrer auf. Für das Studium, die Ausbildung oder um einfach nur die Welt zu erkunden, gehen viele Isländer weg, kommen wieder und können sich nicht mehr einbinden, haben das Gefühl, nicht mehr zu Island dazuzugehören. Die Figur Sigurdir Oli aus dem Romanen von Arnaldur Indriðason ist dafür ebenfalls ein Beispiel.

Auch in dem Buch von Steinar Bragi Frauen, übrigens übersetzt von Kristof Magnusson, geht es um eben dieses Gefühl. Eva, eine Künstlerin, kommt aus New York nach Island zurück. Sie zieht in eine Wohnung mit Blick auf das Wasser und merkwürdigen Nachbarn, denen sie erst vertraut – und irgendwann gar nicht mehr.

Nach und nach verändert sich die Umgebung von Eva, und auch sie selber spürt, dass sie nicht mehr die alte Eva ist. Immer mehr begreift sie, dass sie nur Bestandteil einer Kunstinszenierung ist, die tödlich enden wird, wenn sie sich nicht wehrt und es nicht schafft, auszubrechen.

Während viele Romane auf eine Art losgelöst von gesellschaftlichen Problemen arbeiten, thematisieren die isländischen Romane die Probleme direkt. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Geschichte und der Hauptpersonen. Gerade die Wirtschaftskrise, die Island hart traf, wird viel und häufig erwähnt und problematisiert. Auch das neue Buch von Kristof Magnusson, Das war ich nicht, spielt im Umfeld der Bankenkrise.

Titel: Frauen
Autorin: Steinar Bragi
Verlag: Kunstmann
Seiten: 255 Seiten
Preis: 19,90 Euro

Titel: Das war ich nicht
Autorin: Kristof Magnusson
Verlag: Goldmann
Seiten: 288 Seiten
Preis: 8,99 Euro

Reykjavik 101 – ein verfilmter Kultroman

Nur selten schaffen Filmemacher es, dass aus einem erfolgreichen Buch auch ein erfolgreicher Film wird. Im Fall von 101 Reykjavik hat das funktioniert.

Das Buch von Hallgrímur Helgason wurde 1996 in Island ein großer Erfolg, später wurde es auch in anderen Ländern verlegt und machte Helgason zu einem der bekanntesten isländischen Autoren. Der große Durchbruch kam aber, als 2000 der spanisch-isländische Regisseur Baltasar Kormákur die Geschichte verfilmte.

In der Erzählung geht es um den 30 Jahre alten Hlynur, der bei seiner Mutter wohnt, nicht arbeitet und seine Tage mit Pornoschauen im Internet verbringt. Hoffnung, dass sich sein Leben verändert, bekommt er erst, als seine Mutter ihre Flamencolehrerin Lola mit in die Wohnung bringt. Hlynur verliebt sich – leider liebt auch seine Mutter die rassige Tänzerin.

Er muss lernen, dass das Leben immer nicht so spielt, wie er es sich wünscht. Und der Leser – oder Zuschauer – muss erfahren, dass ein Ende nicht immer ein Ende ist – sondern manchmal auch der Anfang. Kurios und zynisch ist das Buch, ebenso der Film. Unbedingt empfehlenswert.

Titel: 101 Reykjavik
Autorin: Hallgrímur Helgason
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
Seiten: 448 Seiten
Preis: 9,95 Euro

Quelle:
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Frankfurter Buchmesse – Island ist Leseland

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Tags: Arnaldur Indriðason, Bastei Lübbe, Deutscher Taschenbuch Verlag, Frankfurter Buchmesse, Halldór Laxness, Hallgrímur Helgason, Herder Verlag, Jón Sveinsson, Kunstmann, Steidl, Steinar Bragi

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