Islamismus lässt sich nicht in Mordanschlägen messen

Seyran Ates
Seyran Ates

In der Zeit schreibt Evelyn Finger über die Gefahr des Islamismus in Deutschland.

Ich bin bekannterweise sehr vorsichtig mit Artikel, die sich mit dem Thema Islamismus befassen. Da sehr schnell die Grenze zwischen Religionskritik zu einer generellen Verurteilung von Muslimen überschritten wird.

Genau dieses Thema greift die Autorin auf und schreibt dagegen an. Ein sehr lesenswerter Artikel, aus dem ich hier ein paar Zitate bringe:

…das Entscheidende am Fanatismus ist, dass man alle Andersgläubigen, die man zu seinen Feinden erklärt hat, mundtot macht. Dazu muss man den Feind nicht erschießen. Es genügt, ihn einzuschüchtern, bis er aus Angst vor einem Attentat schweigt.

Seyran Ateş weiß, wie hasserfüllt Islamisten auch hierzulande sind. [Sie] musste vor zwei Jahren, nach dem Erscheinen ihres Buches Der Islam braucht eine sexuelle Revolution, alle Lesungen absagen und untertauchen, weil sie mit dem Tod bedroht wurde. [...] Jetzt ist wieder eine Gewaltdrohung per E-Mail gekommen. Ihr werde die Zunge abgeschnitten, wenn sie ein falsches Wort sage, kündigte vorige Woche ein Absender namens »Iskender Büyük« (Alexander der Große) an…

Dem Ketzer die Instrumente zeigen: So nannte man das in den dunklen Zeiten des Christentums. So machten es im 20. Jahrhundert die Gesinnungswächter der totalitären Erlösungsutopien. Und so handhabt es heute der militante Islamismus…

Von etwa vier Millionen Muslimen in Deutschland tendiere etwa ein Prozent zum Extremismus, sagt der Verfassungsschutz. Das klingt fast lächerlich, wenn man bedenkt, wieviele Deutsche den Islam fürchten. Es gibt jedoch auch Studien des Innenministeriums, wonach jeder vierte junge Muslim zur Gewalt gegen Andersgläubige bereit sei. An welche Zahlen soll man sich halten? Immer an die, die einem ins Konzept passen?

…Fanatismus lässt sich nicht allein in gelungenen Mordanschlägen beziffern. Fanatismus beginnt nicht mit dem Attentat, sondern mit der religiösen Rechtfertigung von Unrecht. Erst kommt der einzig wahre Gott, dann der Hass auf die Gottlosen und dann die Gewalt. Irgendwo dazwischen entsteht die religiöse Gewaltfantasie. Auch sie ist eine Gefahr, und zwar für die Demokratie. Man kann Andersdenkende auch mit Worten attackieren.

…Sie [Seyran Ates] warnte davor, dass Identitätsbildung bei jungen Migrationsverlierern in Deutschland über den radikalen Islam erfolge, aber auch davor, den radikalen Imamen durch Islamfeindlichkeit in die Hände zu spielen. Ihr Buch mit dem provozierenden Titel Der Multikulti-Irrtum gehört zum Besten, was in Deutschland über den beiderseitigen Konflikt zwischen Mehrheitsgesellschaft und Migranten erschienen ist…

Was heißt das überhaupt, »der« Islam? Es gibt keinen einheitlichen Islam, sondern nur die verschiedensten Muslime. Liberale Religionskritiker haben immer wieder auf die Vielfalt muslimischen Glaubens hingewiesen [...] Die Dynamik der Islamdebatte hat eine unselige Frontstellung erzeugt, die eine differenzierte Kritik an den Fundamentalisten fast nicht mehr erlaubt. Denn wer die Grundlagen von Religion kritisiert, steht mittlerweile unter Verdacht…

…Religionskritik wird gern als Religionsfeindschaft missverstanden, damit man sich den Argumenten nicht aussetzen muss. Wir kennen das in moderaterer Form aus der aktuellen Kirchenkrise, wo gewisse Amtsträger gewisse Reformer schon mal als antitraditionalistische Kulturkämpfer titulieren…

Man verteidigt den Islam nicht besonders überzeugend, wenn man seine Kritiker beschimpft und mit den Fremdenfeinden in einen Topf wirft. Und man kommt aus der Falle der wechselseitigen Relativierungen nur heraus, wenn man sowohl Islamophobie als auch Islamismus vom Standpunkt der Aufklärung kritisiert.

Dazu gehört die Frage, was der Islam mit dem Islamismus zu tun hat. Es gibt viele Journalisten, die behaupten, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Diese Behauptung schützt einen sicherlich vor dem Vorwurf, alle Muslime unter Generalverdacht stellen zu wollen. Aber sonst führt sie zu nichts…

Es ist für eine Gesellschaft existenzbedrohend, wenn Religion zur Rechtfertigung von Gewalttaten missbraucht wird und wenn ein geschlossenes Weltbild zur Motivation einer kriegerischen Moral dient. Dagegen hilft auch nicht, im Koran zu kramen, um herauszufinden, ob der Islam nun eine Schwertreligion (»Das Paradies liegt im Schatten der Schwerter«) oder eine Friedensreligion ist (»Wahrer Friede ist die vollkommene Harmonie zwischen Gott, der Schöpfung und den Menschen«). Ebenso gut könnte man aus der Bibel herauspräparieren wollen, ob der Christengott nun ein strafender Gott oder ein Gott der reinen Gnade sei. Möglich ist beides. Welche Interpretation sich durchsetzt, ist eine Machtfrage. Und die entscheidet sich früh. Es kommt immer darauf an, wer reden darf und wer nicht. Das ist der Grund, warum Fundamentalisten ihre Kritiker mundtot machen wollen.

Auch deshalb geht es jetzt darum, die seriösen Religionskritiker zu hören…

Was kann der Islam für den Islamismus? Nichts. Aber es gibt fließende Übergänge zwischen Religion und religiösem Wahn, das heißt zwischen harmlosen Glaubensvorschriften, deren repressiver Auslegung und Gewalt. Die Aufgabe besteht darin, den Punkt auszumachen, wann eine Ideologie in Terror kippt und wo Religion fanatisch wird. Erst wenn man das weiß, kann man Fanatisierung verhindern.

hier den kompletten Artikel lesen

Seyran Ates: Der Multikulti-Irrtum
Seyan Ates: Der Islam braucht eine sexuelle Revolution


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