Ein Gastbeitrag von Herbert Danziger
Bereits seit Jahren wird die Implementierung ökonomischer beziehungsweise finanzieller Bildung in die Lehrpläne von allgemeinbildenden Schulen in Deutschland gefordert. Hier in Baden-Württemberg ist das seit einigen Jahren insofern Realität, als dass ein neues Fach "Wirtschaft" - häufig im Fächerverbund mit Geographie und Gemeinschaftszukunde zu GWG verschmolzen - geschaffen und die Ausbildung der Lehrer entsprechend angepasst wurde. Nun aber besteht nicht gerade viel Einigkeit darüber, was unter ökonomischer Bildung eigentlich genau zu verstehen ist und wie diese umgesetzt werden soll. Dies wird augenfällig, wenn man sich die Ausgabe 12/2011 der Reihe "Aus Politik und Zeitgeschichte" (Link mit .pdf) ansieht, die sich dem Thema "Ökonomische Bildung" widmet. Was die Autoren in diesem Heft einer ansonsten qualitativ äußerst hochwertigen und empfehlenswerten Reihe fordern (das Abonnement der Wochenzeitschrift "Das Parlament", dem die APuZ beiliegt, kostet keine 30 Euro im Jahr) grenzt geradezu an Irrsinn. Sie fordern wesentlich weitergehend als dies bisher der Fall ist (in GWG werden volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Theorie gelehrt), dass ein ordentliches Fach Wirtschaft ohne Fächerverbund mit einem eigenen Lehramtsstudium geschaffen wird, in dem sie Schüler zu unternehmerischem Denken erzogen werden sollen und in dem man ihnen beibringen soll, mit Geld umzugehen ("Finanzbildung"). Die Inhalte dieses hypothetischen neuen Fachs, die die Autoren skizzieren, lassen jedoch Böses ahnen, sollte es jemals eingeführt werden. Es veträgt sich in dieser Gestalt überhaupt nicht mit dem Konzept einer Schule.
Dies liegt vor allem daran, dass die geforderten Inhalte nichts mit einem Fach wie Geschichte oder Gemeinschaftskunde am Hut haben. In diesen Fächern sollen Schüler Kompetenzen entwickeln, um eigenständig reflektieren und Sachverhalte untersuchen zu können. Ein Lehrer, der in einem dieser Fächer versuchte, eine bestimmte Position als einzig wahre zu lehren, würde zurecht für nicht ganz plemplem gehalten werden. Genau das aber verlangen die Autoren für ihr Ökonomiebildungsutopia. So soll das "unternehmerische Denken" der Schüler gesteigert werden, da diese "besonders in Westdeutschland eine Angestellten- und Sicherheitsmentalität" besitzen würden. Diese gelte es zu beseitigen, indem man mehr unternehmerisches Gedankengut (das etwas nebulös bleibt) an die Schüler heranträgt. Zwar kann man an dieser Stelle verteidigend anbringen, dass auch andere Fächer spezifische Denkansätze lehren; jedoch ist die Forderung nach einem solchen Mentalitätswandel merkwürdig losgelöst von didaktischen Konzeptionen. Wo etwa kritisches, hinterfragendes Lesen im Geschichtsunterricht unabdingbar ist, um eine Quelle verstehen zu können, bleibt die Frage wie genau diese neue Mentalität beim Verständnis von Inhalten helfen soll. Ich kann wirtschaftliche Zusammenhänge begreifen, auch ohne ein Unternehmer werden zu wollen, wie ich physikalische Zusammenhänge begreifen kann ohne deswegen gleich in meiner Freizeit experimentierfreudig zu sein.
Stattdessen wird hier eine Art Gehirnwäsche light verlangt. Die Schüler sollen auf ein spezifisches, wirtschaftlich erwünschtes Gedankengut hin gepolt werden. Das geschieht sonst nur in einem weiteren Fach, Gemeinschaftskunde, das die freiheitlich-demokratische Grundordnung verbindlich vorgibt - und den Sinn dieser Maßnahme dürfte kaum jemand ernsthaft bestreiten. Warum aber sollte etwa im Religionsunterricht nicht mit einer ähnlichen Legitimationsschiene den Schülern Gottesfürchtigkeit eingeimpft werden? Was die Autoren hier vorschlagen, schüfe einen bedenklichen Präzedenzfall für Indoktrination, wie sie an Schulen nichts verloren hat, ganz egal wie ehrenhaft und gut gemeint die Motive auch sein mögen. Noch viel frappanter wird das in einem anderen Artikel der Heftes, in dem ein anderer Autor die Einführung von finanzieller Bildung fordert, also den Umgang mit Geld. Dieser Artikel liest sich in weiten Strecken wie Werbung für die Versicherungswirtschaft. Beständig wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, sich zu versichern, und das Schaubild, das in dem Artikel enthalten ist, macht das auf plakative Weise deutlich: der Abschluss einer Lebensversicherung wird hier zum didaktischen Meilenstein, der den Umgang mit Geld leichter macht und den Schülern ein Gefühl für den Umgang mit den eigenen Finanzen gibt.
Wenn ökonomische Bildung auf diese Art und Weise an die Schulen gelangt, stellt das ein ernstes Problem dar, denn von Bildung lässt sich hier kaum sprechen. Ein Fach, das klare Prämissen aufstellt, die es dann einfach auswändig zu lernen gibt (Nutze Versicherungen!) oder irgendwelche Geisteshaltungen postuliert, hat nichts mit Bildung zu tun. Es ist nicht viel besser als die Staatsbürgerkunde der DDR. Der Umgang mit Geld ist eine Fähigkeit, die die Eltern dem Kind beibringen und nicht die Schule. Die Anmaßung, in solche privaten Lebensbereiche hineinzuregulieren steht ihr nicht an. Sie ist für die Bildung der Kinder und Jugendlichen zuständig, und nicht für die Regelung ihres Alltags.
Bereits seit Jahren wird die Implementierung ökonomischer beziehungsweise finanzieller Bildung in die Lehrpläne von allgemeinbildenden Schulen in Deutschland gefordert. Hier in Baden-Württemberg ist das seit einigen Jahren insofern Realität, als dass ein neues Fach "Wirtschaft" - häufig im Fächerverbund mit Geographie und Gemeinschaftszukunde zu GWG verschmolzen - geschaffen und die Ausbildung der Lehrer entsprechend angepasst wurde. Nun aber besteht nicht gerade viel Einigkeit darüber, was unter ökonomischer Bildung eigentlich genau zu verstehen ist und wie diese umgesetzt werden soll. Dies wird augenfällig, wenn man sich die Ausgabe 12/2011 der Reihe "Aus Politik und Zeitgeschichte" (Link mit .pdf) ansieht, die sich dem Thema "Ökonomische Bildung" widmet. Was die Autoren in diesem Heft einer ansonsten qualitativ äußerst hochwertigen und empfehlenswerten Reihe fordern (das Abonnement der Wochenzeitschrift "Das Parlament", dem die APuZ beiliegt, kostet keine 30 Euro im Jahr) grenzt geradezu an Irrsinn. Sie fordern wesentlich weitergehend als dies bisher der Fall ist (in GWG werden volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Theorie gelehrt), dass ein ordentliches Fach Wirtschaft ohne Fächerverbund mit einem eigenen Lehramtsstudium geschaffen wird, in dem sie Schüler zu unternehmerischem Denken erzogen werden sollen und in dem man ihnen beibringen soll, mit Geld umzugehen ("Finanzbildung"). Die Inhalte dieses hypothetischen neuen Fachs, die die Autoren skizzieren, lassen jedoch Böses ahnen, sollte es jemals eingeführt werden. Es veträgt sich in dieser Gestalt überhaupt nicht mit dem Konzept einer Schule.
Dies liegt vor allem daran, dass die geforderten Inhalte nichts mit einem Fach wie Geschichte oder Gemeinschaftskunde am Hut haben. In diesen Fächern sollen Schüler Kompetenzen entwickeln, um eigenständig reflektieren und Sachverhalte untersuchen zu können. Ein Lehrer, der in einem dieser Fächer versuchte, eine bestimmte Position als einzig wahre zu lehren, würde zurecht für nicht ganz plemplem gehalten werden. Genau das aber verlangen die Autoren für ihr Ökonomiebildungsutopia. So soll das "unternehmerische Denken" der Schüler gesteigert werden, da diese "besonders in Westdeutschland eine Angestellten- und Sicherheitsmentalität" besitzen würden. Diese gelte es zu beseitigen, indem man mehr unternehmerisches Gedankengut (das etwas nebulös bleibt) an die Schüler heranträgt. Zwar kann man an dieser Stelle verteidigend anbringen, dass auch andere Fächer spezifische Denkansätze lehren; jedoch ist die Forderung nach einem solchen Mentalitätswandel merkwürdig losgelöst von didaktischen Konzeptionen. Wo etwa kritisches, hinterfragendes Lesen im Geschichtsunterricht unabdingbar ist, um eine Quelle verstehen zu können, bleibt die Frage wie genau diese neue Mentalität beim Verständnis von Inhalten helfen soll. Ich kann wirtschaftliche Zusammenhänge begreifen, auch ohne ein Unternehmer werden zu wollen, wie ich physikalische Zusammenhänge begreifen kann ohne deswegen gleich in meiner Freizeit experimentierfreudig zu sein.
Stattdessen wird hier eine Art Gehirnwäsche light verlangt. Die Schüler sollen auf ein spezifisches, wirtschaftlich erwünschtes Gedankengut hin gepolt werden. Das geschieht sonst nur in einem weiteren Fach, Gemeinschaftskunde, das die freiheitlich-demokratische Grundordnung verbindlich vorgibt - und den Sinn dieser Maßnahme dürfte kaum jemand ernsthaft bestreiten. Warum aber sollte etwa im Religionsunterricht nicht mit einer ähnlichen Legitimationsschiene den Schülern Gottesfürchtigkeit eingeimpft werden? Was die Autoren hier vorschlagen, schüfe einen bedenklichen Präzedenzfall für Indoktrination, wie sie an Schulen nichts verloren hat, ganz egal wie ehrenhaft und gut gemeint die Motive auch sein mögen. Noch viel frappanter wird das in einem anderen Artikel der Heftes, in dem ein anderer Autor die Einführung von finanzieller Bildung fordert, also den Umgang mit Geld. Dieser Artikel liest sich in weiten Strecken wie Werbung für die Versicherungswirtschaft. Beständig wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, sich zu versichern, und das Schaubild, das in dem Artikel enthalten ist, macht das auf plakative Weise deutlich: der Abschluss einer Lebensversicherung wird hier zum didaktischen Meilenstein, der den Umgang mit Geld leichter macht und den Schülern ein Gefühl für den Umgang mit den eigenen Finanzen gibt.
Wenn ökonomische Bildung auf diese Art und Weise an die Schulen gelangt, stellt das ein ernstes Problem dar, denn von Bildung lässt sich hier kaum sprechen. Ein Fach, das klare Prämissen aufstellt, die es dann einfach auswändig zu lernen gibt (Nutze Versicherungen!) oder irgendwelche Geisteshaltungen postuliert, hat nichts mit Bildung zu tun. Es ist nicht viel besser als die Staatsbürgerkunde der DDR. Der Umgang mit Geld ist eine Fähigkeit, die die Eltern dem Kind beibringen und nicht die Schule. Die Anmaßung, in solche privaten Lebensbereiche hineinzuregulieren steht ihr nicht an. Sie ist für die Bildung der Kinder und Jugendlichen zuständig, und nicht für die Regelung ihres Alltags.