Irrlicht SPD

Von Oeffingerfreidenker
Von Stefan Sasse
Manchmal fragt man sich, was eigentlich die SPD-Führung reitet. 2009 gingen sie mit der Aussage in den Wahlkampf, die von der überwältigenden Mehrheit der Wähler ungebliebte Große Koalition unter Führung Angela Merkels fortsetzen zu wollen. Eine Koalition, mind you, die so unbeliebt war dass die von Westerwelle (!) geführte FDP ihr bestes Bundestagswahlergebnis aller Zeiten erreichte und die LINKE eine zweistellige Stimmenrate erhielt. Seit Schwarz-Gelb an der Macht ist profiliert sich die SPD hauptsächlich damit, dass sie die Koalition von rechts kritisiert - sie spare nicht hart genug, sie sanktioniere nicht hart genug und überhaupt sei "ökonomische Kompetenz" nur bei der SPD zu finden. Das ist, mit Verlaub, schlichtweg Unsinn. Nicht, dass die CDU und FDP tatsächlich über die ihnen so penetrant zugeschriebene "Wirtschafts- und Fiskalkompetenz" verfügten. Der Versuch der SPD, ihnen auf diesem Feld Konkurrenz zu machen aber ist schlicht selbstmörderisch. Seit 2003 versucht die SPD sich nun schon als bessere Partei der "Mitte" als die CDU zu profilieren. Sie hat in dieser Zeit rund 30% ihrer Wähler eingebüßt. Diese Wähler sind nicht zur CDU und FDP abgewandert, sondern zum Großteil zu Nichtwählern, LINKEn und Grünen. Das heißt, zu den Frustrierten und zu den Parteien, die einen Wandel versprechen. Die Attitüde der SPD in allen Landtags- und Bundestagswahlkämpfen, keine Partei des Wandels, sondern eigentlich die besseren Konservativen zu sein ist absurd. Es führt zu der absurden Situation, dass die SPD selbst den zarten Gehversuchen der CDU auf dem Feld progressiver Politik hinterherhechelt. 
Tatsächlich aber kann die SPD nur auf eine Art eine relevante Rolle in Deutschland spielen: indem sie eine Partei des progressiven Wandels ist. Was sie stattdessen tut ist, ungeliebte Politik der CDU zu nehmen, sie als zu lasch zu charakterisieren und zu versprechen, an der Regierung konsequenter zu sein. Als ob man gerade irgendwo konsequente Sozialdemokraten vermissen würde. Als Helmut Schmidt seine Rede auf dem Parteitag hielt, klatschten und johlten die Delegierten, und auch Gabriel und der Rest der Parteiführung zeigten sich gebührend beeindruckt und rekurrieren seither permanent auf die Rede. Sigmar Gabriel hat in seinem umtrittenen FAZ-Artikel darauf verwiesen und erklärt, dass die Bedeutung Europas von der CDU sträflich vernachlässigt werde. Recht hat er. Und welche Schlussfolgerung zieht er? Dass Merkels Vernachlässigung europapolitischer Ideale mit einer noch konsequenteren Vernachlässigung europapolitischer Ideale begegnet werden muss. Bitte was? 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gabriel nicht verstanden hat, was Schmidt gesagt hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so blind ist, den Rat von Flassbeck und Bofinger nicht wenigstens zur Kenntnis genommen und verstanden zu haben, bevor er sich entschloss ihn zu ignorieren. Damit bleibt nur eine Erklärung: Sigmar Gabriel ist ernsthaft überzeugt, dass der derzeitige Kurs der SPD diese wieder auf die Siegerstraße führen wird. Kann er ernsthaft überzeugt davon sein, der leichte Aufwind in den Umfragen gegenüber dem Wahlergebnis 2009 sei auf die aktuelle Positionierung der Partei zurückzuführen? Die SPD hätte eine Chance, wenn sie alle von Schmidts Ratschlägen beherzigte. Ihre Inszenierung als verantwortliche Partei, die sich gegen den Opportunismus der tagesaktuellen Situation stimmt hat eine lange Vergangenheit. Schon Noske befleißigte sich dieser Attitüde 1919. Wir wissen, wo das endete. Woher der Masochismus der SPD kommt, dass sie so in der Rolle des geprügelten Hundes aufgeht, werde ich nie verstehen. Was erhofft sich Gabriel? Die Liebe der FAZ-Wirtschaftsredaktion? Eine Wahlempfehlung des Handelsblatts? Diese Leute und ihre Leser werden nie, nie, nie die SPD wählen. Die verzweifelte Jagd nach ihrer Liebe nehmen sie nur als Schwäche war - und das völlig zu Recht. Die SPD kommt langsam aber sicher rechts von der Mitte an. Wo ihre Positionen aber kaum mehr von denen der CDU zu unterscheiden sind - warum sollte man da die billige Kopie und nicht das Original wählen?