Ah. Kona. Das Rennen der Rennen.
Die IRONMAN World Championship 2019 hat nicht enttäuscht. Wir durften ein spannendes, interessantes und abwechslungsreiches Rennen erleben. Einige ganz große Überraschungen – leider vor allem auf der enttäuschenden Seite. Mit dieser Negativ-Betrachtung möchte ich heute mal beginnen, bevor wir uns den äußerst beeindruckenden, großartigen , positiven Dingen zuwenden. Enttäuschungen haben ja auch eine gute Seite: Sie ent-täuschen uns, holen uns aus unserer Täuschung heraus.
Enttäuschung Nummer 1 war sicher das DNF des Titelverteidigers. Aber im Grunde nicht so sehr die Rennaufgabe, als das Wie, das Hinterher. Warum ist Patrick Lange ausgestiegen? Ich habe unter anderen so viele Tage mit meiner Nachbetrachtung gewartet, weil ich auf eine Erklärung des Titelverteidigers (oder seines Managements) gehofft hatte. Nichts. Das ist mal richtig schlecht und sehr unprofessionell, eines echten Champions unwürdig. Genau hier zeigen sich die Unterschiede im Vergleich zu den ganz Großen unseres Sports. Ja, von Sebi’s Ausstieg 2018 war ich auch enttäuscht, aber er verkriecht sich eben nicht, sondern klärt alles aus seiner Warte auf. Noch besser natürlich der Großmeister aller Meister: Jan Frodeno. Der wandert eben wie sich das – vor allem in Kona – gehört den Marathon zu Ende, finisht und wird gerade dafür von den Fans gefeiert.
Enttäuschung Nummer 2 ist für mich das Rennen der Titelverteidigerin. Auch hier gilt: Wenn’s auch schwer fällt – sucht die Medien, zeigt gerade in der Niederlage Größe und zeigt, dass ihr auch nur Menschen seid! Das macht sympathisch. Gleichzeitig machte es das Rennen der Frauen so viel interessanter. Lasst uns ehrlich sein: Wenn ich im Vorfeld eines Rennens gefragt werde und stets antworten muss, dass das Rennen der Frauen langweilig wird und eine gewisse Daniela Ryf mit 99,8-prozentiger Wahrscheinlichkeit gewinnen wird, ist das einfach nicht toll. Aber im Gegensatz zu Patrick finisht sie das Rennen. Respekt!
Enttäuschung Nummer 3 (und dann hör‘ ich auch auf): Die deutschen Männer stellen 13 Starter – ein Viertel des gesamten Profi-Feldes – und außer den Champions (Sebi & Frodo) reißt gar keiner etwas. Der drittbeste Deutsche ist Nils Frommhold auf Platz 20. Das ist zwar bei einer Weltmeisterschaft aller Ehren wert, aber interessiert natürlich kein Schwein. Von 13 Mann nur zwei in den Top 10 – das ist schwach. Insbesondere die vielen DNFs fallen auf und müssen nachdenklich stimmen. Und sorry, aber dass #Krawall keine gute Grundphilosophie für eine Langdistanz ist, sollte auch ein Herr Clavel (und v.a. sein Coach Lubos Bilek) erkannt haben. Das gilt in besonderem Maße für Hawai’i.
#taktischeminderleistung
Aber nun zu erfreulicheren Dingen: Der erste deutsche Frauensieg und dann gleich ein Doppelsieg sowohl bei den Jungs, als auch bei den Mädels. Ganz großes Kino!
Dass Jan Frodeno der uneingeschränkte Top-Favorit war, stand für alle, die so halbwegs den Sport verfolgen, außer Frage. Aber die Art und Weise, wie er das Rennen vollkommen dominiert hat und zu keiner Zeit auch nur die kleinste Schwäche zeigte, war schlicht beeindruckend. An einem perfekten Frodo-Tag (wie er selbst in den post-race Interviews einräumte) scheint er nach wie vor unschlagbar. Für irgendjemand. Punkt. Respekt. Firstpack-Swimmer, firstpack-Biker und den schnellsten Marathon des Tages. Jan Frodeno ist auch 2019 eine Klasse für sich.
Dahinter ein T.O. (Tim O’Donnell) in der Form seines Lebens. Dass er ein hervorragender Swim-Biker ist – klar. Aber dass er das Ding auf dem Marathon noch so zusammenhält. Respekt.
Und dann ist da Sebi (Sebastian Kienle). Okay geschwommen, immerhin mit „den richtigen Jungs“ aus den Fluten des Pazifik gestiegen. Das ließ noch hoffen. Und tatsächlich ließ er sich nicht von Cam (Cameron Wurf) abschütteln und blieb fast bis zur T2 dran. Lionel zwar auch, aber mit DEM Trainingsprogramm direkt vor Kona, war mir schon klar, dass das wieder nichts wird. Er will einfach nicht lernen und braucht aus meiner Sicht dringend einen Coach, dem er vertraut und der ihn hart einbremst.
In Kona wird jede kleine Nachlässigkeit direkt hart bestraft. Das musste auch The Hoff (Ben Hoffman) erkennen, der mit einer kleinen Radschwäche seine Optionen für noch-weiter-vorne verspielte, aber mit einem beherzten 2:43 h-Marathon noch verflucht nah an Sebi heran kam. Cam musste ja mit seinem völlig verrückten Race Schedule unbedingt noch IRONMAN Italy drei Wochen vor Kona einparken und gewann das Rennen in beeindruckender Manier. Natürlich mit Bike Course Record, aber eben auch mit einem 2:45 h-Marathon. Letzteres hört sich zwar stark an, ist allerdings wie immer mit Vorsicht zu genießen. Langdistanz-Laufstrecken haben die schreckliche Angewohnheit, etwas zu heiß gewaschen (zu kurz) zu sein.
Was uns zu den Mädels bringt. Allem voran: Anne Haug – alles richtig gemacht. Glückwunsch! Ich habe ja auf Tritime schon mal geschrieben, wie dumm ich es empfand, dass sie nicht früher auf die Langdistanz gewechselt ist. Sie behauptet zwar, dass sie die zwei Olympia-Starts nicht missen will, aber ich würde einen 36. Platz bei meinen zweiten Spielen jederzeit gegen einen Kona-Sieg eintauschen. Just saying. Im richtigen Swim Pack dabei, taktisch klug auf dem Bike und dann einen Killer-Marathon, der ihr sogar fast noch den Run Course Record eingebracht hätte.
Dahinter eine weitere beherzte Kämpferin. Lucy Charles schafft das, was nur wenige schaffen, einen Re-Pass (überholt werden und dann die Überholende wieder zu überholen). Sehr geile Nummer. Diesen zweiten Platz hat sie sich aber mal so richtig verdient. Dahinter eine ebenfalls stark kämpfende Sarah Crowley, gefolgt von Laura Phillip in ihrem Kona-Debüt.
Fazit
Das war ein enorm spannendes Rennen. Endlich gab es mal nicht eine einsam vor sich hin laufende Daniela Ryf, sondern Überholmanöver aller Art vom Schwimmen bis ins Ziel. Zwei „Defending Champions“, die beide einen gebrauchten Tag hatten und weit hinter ihren Möglichkeiten blieben. Zwei überragende Sieger, zum ersten Mal beide aus Deutschland. Und schließlich trägt auch im 6. Jahr in Folge der männliche Sieger schwarz-rot-gold. Gerade abseits der Rennstrecken zeigen sich die wahren Profis, diejenigen, die die Medien entsprechend professionell bespielen, offen Rede und Antwort stehen und mit tollen Bildern und Videos uns zuhause an den Rechnern & Smartphones teilhaben lassen an der großen ‚Ohana. Das ist genau die richtige Motivation, die ich und tausende andere Amateure (und einige meiner Athleten) brauchen, um entspannt in die Off-Season zu gleiten oder aber schon langsam wieder ins Training für die kommende Saison einzusteigen. Haut‘ rein!
Anekdote zum Schluss
Im Doppelinterview mit Sebi & Frodo zeigen sich beide kein bisschen überrascht über Patrick’s Ausstieg. Jan zitiert dabei Patrick von der pre-race Pressekonferenz mit den Worten „Ich wollte etwas schaffe, das mir keiner mehr nehmen kann“. Die Betonung liegt hier auf der Vergangenheitsform und das fällt den Mega-Profis, die Sebi und Frodo einfach sind, sofort auf. Ihnen war dort an dieser Stelle klar, dass Patrick Lange nichts reissen wird, da sich in solchen dahingesagten Sätzen das Mindset zeigt, mit dem wir in Rennen gehen. Ich dachte ja, man müsse professionell Kommunikationstrainer sein, aber im Triathlon gibt es eben jede Menge richtig clevere Typen.