Ironman, ITU, WTS, Bundesliga & Co.

Von Wonseong

Es ist Ironman-Woche, DIE Woche im Kalender eines jeden Triathleten, der sich selbst und seine Sportart ernst nimmt. Zeit, einen Blick in meine Glaskugel zu werfen (zu einem späteren Zeitpunkt), Zeit aber auch, um den Zustand unseres geliebten Triathlon-Sports zu analysieren.

Brett Sutton hat mal wieder einen seiner eher bissigen Kommentare rausgehauen (das wird jedenfalls von vielen so wahrgenommen – ich halte das einmal mehr für eine recht gelungene Analyse). Im Kern geht es da um die Entwicklung des Kurzdistanz-Triathlons, die ITU und deren Top-Serie WTS (World Triathlon Series). Ich möchte an dieser Stelle darauf aufbauen und ein paar Dinge ansprechen, die sich mir in den vergangenen Wochen und Monaten gezeigt haben.

Beginnen wir mit der Kurzdistanz-Welt. Wie Sutto so schön schreibt, könnte der Kontrast gar nicht größer sein: Hier die Rennwoche des Ironman Hawaii, der „Triathlon World Championship“, dort eine Rennserie, die ohnehin nur ein paar wenige eingefleischte Genossen interessiert, aber am „normalen Volk“ spurlos vorüberzieht. Und um die Dinge noch schlimmer zu machen, gibt es verschiedene Serien, die selbst diese eingefleischten Nerds nicht auseinanderhalten, geschweige denn erklären könnten. WTS? World Cup? Nicht das Selbe? European Cup? Auch noch? Continental Championships? Jetzt wird’s langsam echt verwirrend. Aus der Ferne scheint das genau das Programm zu sein: Möglichst viele Menschen zu verwirren. Wie viele Triathleten kennst Du, die Dir erklären können, wie diese „Punkte-Sache“ wirklich funktioniert und warum welches Land wie viele Slots bei Olympia bekommt? Das wäre so, als ab beim Fußball nicht eine Vorrunde gespielt würde, in denen sich die Mannschaften für die Endrunde (die eigentliche „Fußball-Weltmeisterschaft“) qualifizieren, sondern auf willkürliche Art und weitestgehend im Verborgenen irgendwelche Punkte in Club-Spielen, nationalen Ligen, UEFA- und Champions League-Spielen zusammengewürfelt würden. Macht keiner. Einfach keine gute Idee. Und Weltmeister ist auch nicht derjenige, der das Endspiel gewinnt, sondern der, der über’s Jahr in einer Serie am meisten Punkte gesammelt hat. Sorry, wer kommt den auf so eine schwachsinnige Idee?

Um die Sache schlimmer zu machen, muss man, wenn man (als echter Fan) die Rennen live verfolgen will, einen kostenpflichtigen Kanal abonnieren. Wie viele Menschen machen das? Ich kenne keinen Einzigen (und ich kenne eine Menge Menschen). Und dabei gäbe es so viele spannende Geschichten zu erzählen! Über interessante Menschen, die mit Inbrunst und Leidenschaft sich vollkommen diesem Sport verschrieben haben. Über großartige Rennen in fantastischen Locations. Hach, über so viele Dinge. Und es gäbe so viele aufregende Werbe-Ikonen, die auch Produkte jenseits des Sports promoten könnten.

Was uns zu unserer tollen Triathlon-Bundesliga bringt. Ich kann mich noch ziemlich genau an das Jahr 1987 erinnern. Damals gab es eine Rennserie, die „Deutschland Cup“ genannt wurde. Da war alles am Start, was Rang und Namen hatte. Ein Jürgen Zäck, ein Wolfgang Dittrich, ein Rainer Müller – hach, eben ALLE! Da gab es Preisgeld! 1987!!! Und wie ist die Entwicklung so gelaufen in den letzten 30 Jahren (dreißig!!!!)? Genau. Wen interessiert die Triathlon-Bundesliga? Genau. Was wird im Fernsehen gezeigt? Genau. Ist sie der breiten Bevölkerung bekannt? Genau. Was wurde in den vergangenen Jahren gemacht, um das zu ändern? Genau. So viel Dilettantismus gibt’s sonst nur in der Politik.

Dagegen haben die Macher der Ironman-Brand so einiges richtig gemacht. Es gibt EIN Weltmeisterschaftsrennen (okay, eines über die volle und eines über die halbe Distanz). Es ist DAS Rennen im gesamten Rennkalender. Wenn Du DIESES EINE Rennen gewinnst bist Du der Held und kannst – wenn Du professionell genug bist, einen professionellen Manager zu nutzen – finanziell ausgesorgt haben. Der gesamte Medien-Hype konzentriert sich extrem fokussiert auf dieses eine Rennen. Wenn Du’s am Samstag versaust, kannst Du vielleicht eine ganz ordentliche Saison gehabt haben, aber keine großartige mehr. Alles spitzt sich auf diesen einen Tag hin zu. Und genau so muss das sein! Die Jungs und Mädels machen schon einiges richtig. Aber natürlich längst nicht alles. Denn der Nimbus dieses Rennen steht und fällt mit dem sehr begrenzten Zugang, der klar geregelten Vergabe über Direkt-Qualifikation („Kona Slots“) bei den Agegroupern bzw. das sogenannten KPR (Kona Points Ranking) bei den Profis. Und genau das wird bei uns Amateuren durch die hemmungslose Zunahme an Rennen verwässert. So war es in den vergangenen Jahren eher die Ausnahme, dass sich jemand durch „reines Glück“ mit einer schwachen Zeit für Kona qualifizieren konnte. Heutzutage ist das schon recht weit verbreitet. Aktuelles Beispiel (weil ich gestern natürlich den Krimi bei den Herren und den überlegenen Sieg von Laura Philipp bei den Damen verfolgen musste): In meiner Altersklasse M50 gewinnt Señor Jose Luis Cano Villanueva in sehr respektablen 8:58:56 h. Das Problem: Es braucht geschlagene 33 Minuten, bis überhaupt die Nummer 2 am Horizont auftaucht. Das geht doch nicht! Das sind LICHTJAHRE Unterschied.

Und das ist eben keine Ausnahme mehr. Was sich bei der Ironman 70.3-WM extrem verbessert hat (früher konnte sich da „jeder“ qualifizieren, heute muss man in der Regel schon was können), entwickelt sich bei der „vollen WM“ in die völlig falsche Richtung.

Aber das ist – wie immer – natürlich nur meine Sicht der Welt. 😉

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