Jetzt holen wir mal die ganz große Glaskugel raus! Während der Rennverlauf bei den Damen zu langweilig wird, dass ich mich hier näher damit auseinandersetzen will, gehen wir mal – während unsere Helden in Hawaii noch schlafen – einen von vielen möglichen Rennverläufen durch.
Kurz nebenbei erwähnt: The Angry Bird (Daniela Ryf) kommt mit leichtem Rückstand aus dem Wasser, ist aber am Scenic Point bereits in Führung, legt auf dem Rückweg von Hawi das ganz große Blatt auf und distanziert die gesamte Damenkonkurrenz wie gewohnt gewaltig. Wie man das von ihr kennt, verwaltet sie aber nicht einfach ihren Vorsprung sondern zerlegt die anderen Mädels auf dem abschließenden Marathon nach allen Regeln der Kunst. Beeindruckend ja, aber eben relativ langweilig zu verfolgen und schwer in eine irgendwie spannende verbale Form zu gießen.
Ganz anders bei den männlichen Helden von Kona
Vielleicht gleich mal vorab: Das Wetter ist, was man so sieht auf Facebook, unüblich kühl und nass für Kona im Oktober. Die Götter meinen es also gut mit unseren Protagonisten und das sollte schnelle Zeiten geben. Dafür faucht wohl ein ziemlicher Wind über die Insel. Aber wir müssen abwarten, was nachher der Tag tatsächlich an Wetter bringen wird.
Der Rennverlauf
Frodo wird sich mit Josh Amberger, Nick Kastelein und vielleicht noch einer Handvoll Spitzenschwimmer nach vorn verabschieden. Dahinter eine große Verfolgergruppe mit den üblichen Verdächtigen. Sebi und Lionel sind dagegen wieder einmal weiter zurück, da es ziemlich choppy da draußen ist, was die starken Schwimmer begünstigt. Auf dem Rad verabschiedet sich die Spitzengruppe erstmal weiter nach vorne, während sie gleichzeitig ein paar Helden verliert. Hinten formiert sich die große Radgruppe, da sich einmal mehr die „legalen“ Abstände als viel zu eng herausstellen, was selbstverständlich an einem richtig windigen Tag noch stärker wirkt. Allerdings treten an so einem luftigen Renntag die kleinen Schwächen doppelt stark hervor. Das wird dazu führen, dass einige Jungs sich entscheiden, allein zu fahren und dadurch richtig viel Zeit verlieren. Auf der anderen Seite werden die Meisten sich dazu entscheiden, auf Teufel komm‘ heraus die Gruppe zu halten. Einige werde dadurch schon auf dem Rückweg zwischen Waikoloa und Kona explodieren, andere erst beim Laufen.
Der Sebi & Lionel-Express
Der Sebi & Lionel-Express wird hoffentlich intelligent genug sein, gemeinsame Sache zu machen wie in Samorin und wird unüblich rasch wie eine Rasierklinge durch das Fleisch der großen Gruppe schneiden. Das wird immer wieder zu kleinen Lücken führen, die die schwachen Schafe nicht zufahren können und damit auf Madame Pele’s Altar geschlachtet werden. Die Überlebenden werden aber auch alle ungewöhnlich viele Körner recht früh im Rennen verbraten, was schließlich zu relativ schwachen Laufzeiten und großen Abständen führen wird (nicht so sehr in der Spitze, aber hintenraus). Im Downhill von Hawi wird sich einiges entscheiden. Wir dürfen gespannt sein, ob der S&L-Expresszug weiter zusammenarbeitet oder sich hier schon bekriegt. Interessant wird auch sein, ob Frodo sich – zumindest in Schlagdistanz – halten kann und wie locker er das machen wird. Er sah so fit aus wie nie und hörte sich mega-entspannt und selbstbewusst an. An einem guten Tag wird er die Beiden nicht aus den Augen lassen. Das darf er auch nicht, denn mit Rückstand auf Lionel Sanders willst Du auch als Frodo nicht auf die Laufstrecke gehen. In T2 kommt Sebi als Erster an mit 2½ Minuten Vorsprung auf Sanders und einer weiteren Minute auf Frodeno. weitere 3 Minuten dahinter eine größere Gruppe mit u.a. Patrick Lange.
Der Marathon
Lionel setzt alles auf eine Karte und holt sich Sebi bis zum Wendepunkt auf dem Ali’i Drive. Frodo schafft erst den Anschluss an der Palani Road. Zu dritt laufen sie mit wechselnden Abständen – immer in Sichtweite – auf dem Queen K. Wie so oft zuvor ergibt sich im Energy Lab eine rennentscheidende Situation. Lionel versucht alles, um weg zu kommen und explodiert grandios. Der Rest wird einmal mehr zu einem gemütlichen Wandertag für ihn. Frodo setzt hinaus aus dem Energy Lab hoch zum Queen K die entscheidende Spitze und lässt Sebi zurück. Derweil hat Patrick Lange am Turnaround alle vor ihm liegenden Athleten kühl mustern können und holt sie sich auf dem Heimweg alle. Sebi ist der Letzte und muss erst am Mark & Dave Hill dran glauben. Danach tut sich nichts mehr, Jan Frodeno gewinnt vor Patrick Lange und Sebastian Kienle in einer Neuauflage des deutschen Podiums.
Wow. Das war jetzt zugegebenermaßen „slightly biased“ mit einer patriotischen Note. Im Grunde müssten wir uns jetzt hier in Deutschland nicht die ganze kommende Nacht um die Ohren schlagen. Wenn – und das ist ein ziemlich großes Wenn – da nicht Hawai’i, die Naturgewalten, das unvorhersehbare Wetter (selbst lokal kann es in Hawi regnen, sonst aber brachial heiß sein, der Wind kann aus (fast) allen Richtungen zu (fast) jeder Zeit ungewohnt stark oder schwach blasen, die Meeresströmungen können das Feld schon gleich mal selektieren, wo normalerweise nicht viel passieren würde. Der größte Game Changer wird aber die Temperatur auf der Laufstrecke sein. Wenn es tatsächlich wolkig und für Kona-Verhältnisse kühl ist, wird sich das extrem positiv auf die Laufzeiten auswirken können.
Mit anderen Worten: Kona ist immer spannend, weil an diesem Tag einfach so ziemlich alles passieren kann. Die Unwägbarkeiten sind zahllos. Kona ist der ultimative Test, wo man persönlich steht – viel mehr mental, emotional und spirituell denn einfach nur körperlich. Hier zeigt sich, wer mit widrigen Bedingungen umgehen kann.
Und natürlich wird alles ganz anders kommen…
Nota bene (für die über-ambitionierten Redakteure vor Ort): Ja, das sind alles Bilder von mir persönlich geschossen. 😉
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