IRONMAN 70.3 WM Zell am See 2015

Von Wonseong

Wow. Mir fehlen fast ein bisschen die Worte. Bin noch total geflasht.

Welch ein Event! Wie von mir erwartet und angekündigt hat der Renndirektor Erwin Dokter und sein österreichisches Team diese Mega-Veranstaltung tadellos und auf allerhöchstem Niveau organisiert und durchgezogen. Zugegeben: Das kleine Dörfchen Zell am See mit seinen noch kleineren Nachbargemeinden ist nicht wirklich dem Ansturm gewachsen von 2.800 Weltmeisterschafts-Teilnehmern plus Anhang plus ein weiteres, offenes 70.3-Rennen am Samstag plus Anhang plus sonstige Fans plus Presse plus die gesamte IRONMAN-Entourage. Da riss dann schon einmal dem einen oder anderen der Geduldsfaden, Staus und Parkplatzsuche waren Standard und die Athleten-Horde fuhr dann schonmal grenzwertig durch den offenen Verkehr in den Tagen vor dem Rennen. Aber sonst: PERFEKT! Fantastische Race Venue, bestes Triathlon-Wetter Ende August (natürlich mir viel zu heiß – aber dazu später mehr), unglaublich internationales Flair (mit Deutsch fühlte man sich hier und da schon in der Unterzahl), großartige Rennstrecken und ein wunderbares Rahmenprogramm. Das war für mich eine überaus bemerkenswerte, schier unvorstellbare logistische Meisterleistung und absolut auf WM-Level.

Nachdem ich in letzter Zeit wieder sehr viel unterwegs war und sich das Schneider’sche Ruhebedürfnis zeigte, fuhr ich erst am Freitag gemütlich nach Zell und nahm auch noch die “scenic route”. So kam ich ganz entspannt in meinem kleinen Hotel in Bruck an der Glocknerstraße an, bezog mein Zimmer und holte die Rennunterlagen ab. Da ich in letzter Sekunde ein kleines technisches Problemchen mit meiner Hinterradbremse hatte (ich sag’ nur: Wenn schon integriert, dann unbedingt technisch durchdacht und sauber umgesetzt), brauchte ich noch einen guten Mechaniker. Glücklicherweise rannte ich in Anja Beranek, die ihrerseits eine Optimierung vornehmen lassen musste und bereits im Vorfeld auf Facebook Infos geteilt hatte. Es leben die modernen Kommunikationsmedien! So kontaktierte sie die Mechaniker via WhatsApp und diese warteten kurz auf mich und behoben das Problem kurzerhand. Irgendwie gleich ein besseres Gefühl, wenn die Mühle läuft. Dann spät zum Welcome Banquet mit dann für mich integriertem Race Briefing. Alles klar soweit. Nur eine Sache blieb sehr eindrücklich hängen, nämlich das überfahren der weißen Mittellinie und – speziell beim Wendepunkt in Piesendorf – die sofortige Disqualifikation. Aber auch dazu später mehr…

Zurück zum Hotel und schlafen. Was mir dabei auffällt: Die Umgebung ist ein Traum. Grüne, saftige Täler mit glücklichen Kühen, ein milder Sommerabend mit immer noch 28°C, der Duft von frischem Heu in der Nase, der aufgehende Vollmond und richtig hohe Berge mit dem Blick hinüber zu den Gletschern am Kitzsteinhorn. Eine gute Nacht mit reichlich Schlaf. Morgens sind ohnehin alle Straßen gesperrt wegen des offenen 70.3-Rennens am Samstag. So kann man gemütlich ausschlafen und da die Radstrecke genau am Hotel vorbei führt (2x), kann ich während des Frühstücks den ganzen Tross in Richtung Taxenbach/Lend nach ca. 8 km vorbeirauschen sehen und später dann nochmal die Spitze bei ca. km 82 – das sieht gut aus und die Kollegen haben Glück, dass sie schon um 06:45 Uhr starten dürfen und gegen Mittag fertig sind, als es schon wieder richtig warm wird.

Dann heißt es auch für mich, nach einer sehr lockeren Woche, nochmal die Beine wach zu küssen. Erst eine kurze Runde auf dem Rad, dann drei Kilometer zu Fuß und anschließend gechillt an meinen Lieblings-Badeplatz Erlberg am Südost-Ufer und ein paar Meter locker schwimmen. Dieser ist kostenlos, hat aber alles, was ein perfektes Strandbad braucht inklusive Steg, Duschen, Beach Volleyball-Feldern und einer loungigen Strandbar. Perfekt!

Als ich schon gerade aufbrechen will, legen sich drei nette Menschen direkt neben mich und hecken den Plan aus, wie sie ihren Helden am Renntag bestmöglich sehen und anfeuern können. Da biete ich mich mit meiner Streckenkenntnis vor Vorjahr natürlich gern als Guide an und gebe ein paar Tipps. Wie es der Zufall will, handelt es sich um die Freundin von Michael Raelert und so tauschen wir uns noch länger aus. Alle drei merken mehrfach an, wie erstaunlich entspannt ich wirke. Naja, ist wahrscheinlich deshalb so, da ich sehr entspannt BIN.

Aber irgendwann muss ich dann doch meine Siebensachen packen und mein Rad einchecken. Ich bin ja immer gern der Letzte und auch diesmal geht es unglaublich formlos und lässig zu. Was mir beim IRONMAN Klagenfurt schon auffiel: Die Ösis sind einfach (verallgemeinert gesagt) diesen Tick unverkrampfter. Gefällt mir. Zurück. Abendessen. Schlafen. Auch wenn mich die Mittagshitze morgen killen wird, ist es schon sehr nett, wenn man ganz gelöst ins Bettchen gehen, lang ausschlafen und ohne Hektik frühstücken kann … und weiß, dass man alles weitere noch am Morgen regeln kann.

Raceday. Durch die vielen Startwellen müssen wir bis 10:30 Uhr aus der Wechselzone raus. Also kurz nach zehn nochmal den Bike- und Run-Beutel checken, die Radschuhe in die Pedale klicken und mit Gummis fixieren, sowie die zwei Radflaschen ans Rad. Erfreulicherweise gibt es zwischen Wechselzone und See ein hübsches Plätzchen mit Schatten, wo der nächtliche Tau noch im Gras hängt – herrlich kühl und erfrischend. Zu mir gesellen sich drei Damen aus Portland und wir nutzen die Zeit für nette Gespräche. Über kurz oder lang naht dann aber auch meine M45er-Startzeit – 11:26 Uhr. Also Neo anziehen, locker einschwimmen und dann mit den Kollegen der wieder mal größten Startgruppe mit den dunkelgrünen Badekappen in das Vorstart-Areal. Plötzlich klopft mir Sportfreund Marco Göckus auf die Schulter und wir quatschen noch ganz entspannt, bis es dann endlich weiter in das Start-Areal geht. “Five minutes to the start.” Wie fast immer bin ich noch nicht richtig in Rennstimmung, viel zu relaxed. “One minute to the start.” Der Start ist mal wieder der Horror und obwohl ich recht gut wegkomme, trifft mich ein übler Schlag auf den Kopf und meine Brille haut’s weg. Gottlob ist sie noch am Kopf und so muss ich sie nur kurz leeren und richten. Weiter geht’s – nur nicht nervös machen lassen. Ich finde dann ein paar richtig gute Füße (wahrscheinlich die besten Füße, die ich je gefunden habe): Gleichmäßig, geradeaus, genau mit dem richtigen Tempo, navigiert uns der unbekannte Herr vor mir durch den Zeller See und das “Treibholz” der zuvor gestarteten zwei Startwellen. Einmal kurz möchte ich mich revanchieren, merke aber schnell, dass mich das zu viel Kraft kostet. Danke Dir, unbekannter Held!

Nach einer ellenlangen, komplizierten Wechselzone (die nebenbei völlig anders verlief als die der Profis – beim Vergleichen beachten!), erstmal ein paar Meter rollen, dann in die Radschuhe schlüpfen. Als ich gerade voll konzentriert loslege, sehe ich direkt vor mir Marco wieder. Er nimmt aber sogleich die Beine in die Hand und ballert dem Horizont entgegen, als gäbe es kein Morgen mehr. Dabei hatte ich ihn vor dem langen, fiesen Berg gewarnt, aber er nahm mich wahrscheinlich nicht ernst und meinte wohl, dass ich ihm Angst machen wolle. Jedenfalls gab es eines dieser klassischen Déjà-vu und ich habe den Eindruck, dass wir uns später nochmal wiedersehen werden. So sollte es dann auch kommen und bei der Ausfahrt aus Schüttdorf bei km 70 hole ich ihn ein und überhole auch zügig (und das sah nicht mehr frisch aus). Der Arme sollte dann auch hintenraus noch mehr leiden als ich und einen “gemütlichen” 2:22-Halbmarathon anhängen. Es braucht nicht unbedingt Kona um schwerwiegende Fehler knallhart bestraft zu bekommen. Und natürlich war alles bestens, nur der “Bauch wollte nicht recht mitspielen”. Genau. Warum wohl?

Im Grunde schaffe ich es erst gegen Ende des nicht enden wollenden Anstiegs zum Filzensattel (1290 m.ü.M.) so richtig in den “Race Mode” zu kommen. In der steilen Abfahrt habe ich das Gefühl, dass die irgendwie alle nicht radfahren können. Aber ist ja auch klar: Sind ja Triathleten! Also jedenfalls hingen die alle wie die Opas in ihren Bremsen und ich meinte das Klappern von Kniegelenken zu vernehmen…Spässle g’macht! Hinterher sollte ich dann aber tatsächlich hören, wie ein Athlet zum Anderen sagt, wie seine Bremsbeläge qualmten (kein Spaß)!

Anyway. Die Abfahrt und den Weg zurück nutzte ich, um mich ein wenig weiter nach vorne zu orientieren. Der Rest ging dann auch recht schnell voran. Ich schaute zu, dass ich mich hintenraus nochmal ordentlich verpflegte und dann ging’s recht flott durch die T2 auf die wunderschöne, alles andere als flache Laufstrecke.

Hatte ich schon erwähnt, dass wir um 11:26 Uhr gestartet waren und jetzt, um ca. 14:30 Uhr, bei hochstehender Sonne und weit jenseits der 30°C-Marke auf die Laufstrecke gehen durften? Hatte ich schon erwähnt, dass ich Hitze nicht gut vertrage? Nein, nicht nur nicht mag – nicht VERTRAGE! Ich tat ergo das Einzige, was mir übrig blieb, nahm mir die Zeit an den Verpflegungsstellen um mich ordentlich runterzukühlen und bemühte mich um Schadensbegrenzung (was mir nur mäßig gelang – ich sollte fast 10 Minuten länger für den Halbmarathon benötigen als im vergangenen Jahr). Als ich gerade mein erstes Rundenbändchen übergestreift hatte, kam mein Buddy Marcus Büchler (mit dem ich eine Altherren-WG in Kona teile) vorbei und gab mir einen Klaps auf den Hintern. Ich versuchte ein paar Meter dran zu bleiben, sah aber ein, dass ich da heute nicht mitlaufen sollte. Statt dessen holte ich Natascha Schmitt ein und motivierte sie, dran zu bleiben. Was sie auch tat. Nach der Tränke am Wendepunkt, als ich mir dann schon meine 15 Extra-Sekunden zur ausreichenden Verpflegung und vor allem Kühlung nehmen musste, entwischte sie dann ein paar Meter und ich wollte das Loch nicht mehr zu laufen. Zumal sie (1) auf ihre letzten Kilometer ging und nochmal “alles raus haute” und (2) ihr die bekannt schnelle Läuferin Kristin Möller im Genick hing. Beide schafften es dann auf Platz 14 bzw. 15 bei den Profi-Mädels.

Dann hatte ich vom Beginn der zweiten Laufrunde bis zum Wendepunkt einen Mega-Durchhänger und musste mich echt zusammenreissen, nicht zum Wandern überzugehen. Auf dem Rückweg zog aber dann der “Stallgruch” des Ziels, ich konnte noch einmal gut Gas geben und überholte so auch noch einige AK-Athleten. Tja, und dann war sie da – eine der geilsten Finishlines der Welt! Phänomenal! Ich habe ja schon so ein paar Zielbereiche gesehen (z.B. Frankfurt, Roth, Klagenfurt, Kona), aber das war allererste Sahne! Ich war dann zwar schon ziemlich fertig, aber irgendwie hat mich die Hitze nicht ganz so getötet wie in Zittau. Daher war ich mit ein paar Bierchen, Cola und viel Wasser auch bald so weit, mich mit der schönen Finishermedaille, Handtuch und Base-Cap (alles im einheitlichen CI) Richtung Ferry Porsche Centrum aufzumachen , mein Finisher-Shirt abzuholen, mich umzuziehen und dann in aller Seelenruhe mit Leckereien aller Art vollzustopfen. Ich war ganz erstaunt, wie viel Appetit ich schon hatte – kenne ich so gar nicht von mir.

Anschließend zurück zur Wechselzone wandern, Sachen auschecken, zurück zum Hotel. Erstmal eine Dusche und dann eine Runde ins Bett. Ich muss vorsorglich den Wecker stellen, denn es war ja dank des späten Starts schon eine sehr vorgerückte Stunde. Und um 20:00 Uhr sollte das Awards Banquet beginnen. Also hurtig in Richtung Eishalle aufgemacht und Marcus und “seine Mädels” getroffen. Ich fühle mich echt minderwertig in dieser Gruppe von Podium-Finishern (drei Platz 4-Platzierungen bei fünf geehrten Athleten). Schon wieder essen, schon wieder lecker, schon wieder Hunger. Wenn ich so weitermache, werde ich noch dick. ;-)

Nach vielen reden und Show, gibt’s dann die Awards und dann kommt der Hammer: Gerade als Marcus zum Podium rüber geht, kommt Kathi aufgeregt zurück und berichtet von der Neuerung, dass er Erster statt Vierter geworden ist. Marcus ist Weltmeister! Die drei vor ihm wurden alle disqualifiziert. So viel zum Thema Race Briefing, zuhören und keine Mittellinien überfahren – die waren da knallhart! Und wenn man schon lutscht sollte man wenigstens auch die Penalty Box anfahren (wie blöd kann man eigentlich sein, statt auf dem Podium ganz unten in der Ergebnisliste unter DQ aufzutauchen).  Ein Glück, über das er sich offensichtlich nur eingeschränkt freuen kann. Wie auch immer: Wir ziehen dann noch weiter ins K1, wo die “offizielle” After Race-Party abgehen soll. Aber irgendwie ist das ziemlich lahm und ich fühle mich nicht so recht in Stimmung. Als ich gerade heimgehen will, höre ich laute Gesänge in einer anderen Lounge und ein Mädel, das in Klagenfurt in der gleichen Pension wohnte, spricht mich an. Eh ich mich versehe, habe ich ein Glas in der Hand und unbeabsichtigt die offizielle IRONMAN-Party gecrasht. Das hat aber den schönen Nebeneffekt, dass ich mit allerlei Prominenz in Berührung komme. “Alle” sind sie da: Von Paula Newby-Fraser über Greg Welch bis hin zu den “Managern” wie Andrew Messick, Diana Bertsch, Thomas Dieckhoff und Björn Steinmetz. Lange tausche ich mich mit dem unglaublich sympathischen Geburtstagskind Paul Kaye aus. Nice. Heim. Schlafen.

Auch der nächste Tag präsentiert sich in bester Sommerlaune. In aller Ruhe frühstücken und zusammenpacken. Ich gehe noch auf eine lockere Ausroll-Runde mit dem Rad um den See. Am Morgen ist es noch richtig angenehm. Schade, dass wir nicht früher gestartet sind. Aber egal. Auschecken und dann nochmal zu meinem Liebslings-Badestrand Erlberg. Locker planschen, lesen, Kaffee trinken. Und dann gegen Mittag die Heimreise antreten. Zell am See: Schön war’s! Danke an alle für diese wundervolle Erfahrung. Hat mir echt viel Freude bereitet. Danke vor allem aber auch an Erwin Dokter und seine Crew für die fantastsiche Organisation, die vielen Helfer für ihren unermüdlichen Einsatz und die vielen Zuschauer für ihren frenetischen Jubel trotz der auch sie beeindruckenden Hitze!

Fazit:

Ein Hammer-Wettkampf in absoluter Traum-Kulisse. Perfekt organisiert und durchgezogen. Wunderbare Strecken und ebensolche Menschen. Aber bevor ich in lauter Lobhudelei abtauche nur so viel (an alle Schwaben und andere Sparbrötchen unter den Lesern): Solch ein Event und die damit einhergehende Erfahrung sind jeden Cent wert – praktisch egal, wie viel einen das kostet. Einmalig. Unvergesslich.

Race Stats:

  • Wetter: Sonne, 34°C, windstill, Wasser 21°C
  • Strecken: 1,9k Swim (one loop), 90k Bike (one loop, 1300 Hm), 21,1k Run (two loops)
  • Zeiten: 28:17 (Swim, 38.) – 4:15 (T1) – 2:30:50 (Bike, vor auf Platz 23) – 3:40 (T2) – 1:34:07 (Run, vor auf Platz 15)
  • Gesamt: 4:41:09 (Platz 302 overall, 15. M45)
  • Material: Zone3 Vanquish Neo + Goggles, Fuji Norcom Straight TT-Bike, Humanspeed Zweiteiler, Rudy Project Helm & Brille, Pearl Izumi Radschuhe, Asics DS Racer Laufschuhe
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