25.12.2019 Aktionen
mehriran.de - Das Oberhaupt des größten Sufi Ordens in Iran ist verstorben. Es besteht ein starker Verdacht, dass sein Tod von Mitarbeitern des Regimes mittels regelmäßiger kleindosierter Giftgaben herbeigeführt wurde.
Dr. Nour Ali Tabandeh
mehriran.de – Am 24. Dezember 2019 ist das Oberhaupt des Gonabadi Sufi Ordens im Mehr Krankenhaus von Teheran verschieden. Der mit spirituellem Titel als "Madschzuub Ali Schah" bekannte ehemalige Rechtsanwalt und Jurist hat die letzten 2 Jahre unter Aufsicht von Regime Agenten im Hausarrest verbringen müssen. Dr. Tabandeh hat keinen Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung gehabt, seine Kontakte zur Außenwelt sind streng reglementiert worden. Man kann insgesamt von unmenschlichen Bedingungen und ernsten seelisch-geistigen und körperlichen Torturen ihm gegenüber ausgehen.
Menschenrechtsorganisation IOPHR schildert genauere Umstände
Die Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte (IOPHR) unterhält Kontakte zum unmittelbaren Umkreis der Sufis in Iran und hat unter anderem die letzten Jahre immer wieder von den geistigen und physischen Attacken auf die Derwische in Iran berichtet. Unten stehende Informationen stammen aus einer jüngsten Presseerklärung auf Persisch und Englisch.
Seine beiden letzten Jahre waren geprägt durch eine umfassende Überwachung und Kontrolle durch Agenten des Regimes. Es gelang jedoch immer wieder kurze Video Aufnahmen von Dr. Tabandeh zu veröffentlichen, in denen er die unwürdigen Bedingungen andeuten konnte. In einer Aussage formuliert er deutlich: "sie trachten mir nach dem Leben, sie wollen mich umbringen."
Nach dieser Aussage hat ein Allgemeinarzt von deutlichen Anzeichen einer schleichenden Vergiftung von Dr. Tabandeh gesprochen. In einem weiteren Video äußert sich Dr. Tabandeh sehr klar: "sie (das Regime) verabreichen mir Gift, erwarten, dass ich es zu mir nehme und so tue als sei es Honig".
Ein weiteres Mal sprach sich Dr. Tabandeh ganz offen aus: "Ich weiß nicht, was sie in meine Medizin mischen, doch fühle ich mich davon ständig vernebelt, schläfrig und werde bewusstlos". In einem weiteren Video Clip bekennt er: "Ich würde gerne mit meinen Brüdern und Schwestern sprechen, doch kann ich das nicht, denn sie verabreichen mir ständig Medizin, die mich Einschlafen macht".
Unmittelbar nachdem sein Hausarrest vor zwei Jahren beschlossen war, wurde ein Video Clip veröffentlicht, in dem Dr. Tabandeh erklärte, dass ihn seine Ärzte umfassend untersucht hätten und ihm beste Gesundheit und ein langes gesundes Leben bescheinigt hätten.
Es lässt sich leicht folgern, dass eine plötzliche Verschlechterung seiner Gesundheit und seines anschließenden Todes zumindest ungewöhnlich, wenn nicht auffällig sind und mit den Torturen des Regimes über die Dauer von zwei Jahren unter Hausarrest in Zusammenhang zu bringen sind.
Auch die andauernde Unterdrückung der Gonabadi Sufis über die vergangenen 40 Jahre durch das Regime in Iran, sowie die Verschärfung der Vorgehensweise gegen Sufis in den beiden letzten Jahren haben zusätzlich zu den unwürdigen Zuständen des Hausarrests zur Gesundheitsverschlechterung von Dr. Tabandeh in den letzten Wochen beigetragen.
Diese letzten Wochen vor seinem Tod hat er auf der Intensivstation des Mehr Krankenhauses in Teheran verbracht, da sich sein Zustand merklich verschlechterte. Sein Körper wurde in seine Heimatstadt Beydocht, Provinz Chorasan im Nordosten Irans, überführt.
Das spirituelle Oberhaupt von geschätzten 8 Millionen Gonabadi Sufis in Iran, wurde im Februar 2018 unter Hausarrest gestellt. Im Februar 2018 gab es sehr brutale Reaktionen verschiedener Kräfte des Regimes gegen friedliche Demonstrationen von Sufis in Teheran, bei denen Hunderte Sufi Frauen und Männer verhaftet wurden. In der Folge wurden auch die beiden Sufis Mohammad Raji und Mohammad Salas vom Regime getötet.
Den friedlichen Straßenprotesten der Sufis sind 40 Jahre Unterdrückung seit der Schaffung der Islamischen Republik Iran vorangegangen. Im Februar 2018 drohte das Regime Dr. Tabandeh zu verhaften und Sufitum in Iran für immer auszuradieren. Diese Aktion beschrieb das Regime als ethnische Säuberung des Landes von den Gonabadi Sufis. In Folge dieser Drohungen versammelten sich einige Tausend Sufis vor dem Haus ihres Oberhauptes im Teheraner Golestan Viertel, um gegen diese Pläne des Regimes zu protestieren und ihr Oberhaupt zu beschützen.
Dr. Tabandeh hat über Jahrzehnte als Rechtsanwalt und später als Richter gearbeitet bevor er zum spirituellen Oberhaupt der Gonabadi Sufis ernennt wurde. Er war ein engagierter Verfechter für Menschen- und Bürgerrechte und wurde für seine deutliche Kritik an den undemokratischen Machenschaften des Regimes ins Gefängnis geworfen.
In seiner Zeit als spirituelles Oberhaupt der Gonabadi Sufis setzte das Regime ihn und die Ordensmitglieder unter immensen Druck. Versammlungshäuser wurden zerstört, Mitglieder wurden auf vielfältige Weise schikaniert, ausgegrenzt und verleumdet, immer wieder wurden welche unter abstrusen Anschuldigungen verhaftet.
Gonabadi Sufis haben sich der extremistischen Islam Interpretationen durch das Regime in Iran immer entgegengestellt und allen Vereinnahmungsversuchen widersetzt. Sie setzen sich nachhaltig für eine Trennung zwischen Staat und Religion ein. Sie haben sich immer wieder aktiv für eine lebenswerte Gesellschaft eingebracht, in der ein friedliches Miteinander möglich ist, jedes Individuum ungeachtet seines Glaubens, seines Geschlechts oder seiner ethnischen Zugehörigkeit akzeptiert wird und Menschenrechte respektiert werden. Durch diese Überzeugungen, die konträr zu den ideologischen Maximen der Regime Vertreter stehen, haben Sufis den ganzen Hass und Vernichtungswillen des Regimes auf sich gezogen und sind heftig verfolgt worden.
preservehumanrights.org/2019/12/induced-death-of-the-leader-of-the-largest-sufi-order-in-the-world/