Obama sagte schon im August 2010, der Iran muss wissen, worauf er sich einlässt. Wenn Nationalstolz den Iran dazu treibe, Atomwaffen zu entwickeln, fuhr Obama fort, wird er die Folgen tragen müssen.
Obama weiter: Alle Optionen liegen auf dem Tisch, um einen Wettlauf um Atomwaffen in der Region und einen nuklear bewaffneten Iran zu verhindern.
US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte am gestrigen Sonntagabend entgegen den früheren Behauptungen anderer US-Politiker bezüglich des iranischen Atomprogramms, dass Iran noch keine Atomwaffen produziere. Er unterstrich in einem Interview mit dem Sender CBS, dass Iran derzeit noch keine Atombombe baue. Trotzdem wird die Kriegshetze weiter betrieben.
Deutsche Politikberater verlangen einen Schulterschluss des Westens zugunsten möglicher Militärschläge gegen Iran.
Der Versuch, im sogenannten Nuklearkonflikt mit Teheran „diplomatische Lösungen zu fördern“, gehe „schon lange an den Realitäten vorbei“, behauptet ein aktueller Beitrag in der Zeitschrift Internationale Politik, dem einflussreichsten Medium des außenpolitischen Establishments in der Bundesrepublik. Quelle: german-foreign-policy
Die „iranische Bedrohung“ entziehe sich der Logik traditioneller Politik; sie ähnele „klassischen griechischen Tragödien“, die „in der Regel in einem Gemetzel“ endeten. Berlin dürfe sich Militärschlägen nicht verweigern und müsse die Bevölkerung auf mögliche Folgen, etwa Attentate gegen Ziele in Europa oder höhere Benzinpreise, vorbereiten. Die Forderungen richten sich ausdrücklich gegen eine zweite Fraktion der Berliner Außenpolitik, die den deutschen Interessen mit kooperativen Einflussmitteln („Wandel durch Annäherung“) besser zu dienen meint. Ihr sind expansionsinteressierte Wirtschaftskreise zuzurechnen, die auf Geschäfte mit Iran nicht verzichten wollen. Während die für Militärschläge offene Fraktion publizistisch in die Offensive geht, nehmen die Spannungen am Persischen Golf dramatisch zu.
Mordanschläge, Seeblockade – Wie es in einem neuen Beitrag in der Fachzeitschrift Internationale Politik heißt, gehe „die Krise um das iranische Nuklearprogramm“ gegenwärtig in eine „möglicherweise entscheidende Phase“.[1] Die „Erstürmung der britischen Botschaft“ in Teheran sowie die „Meldungen über militärische Vorbereitungen der Israelis“ deuteten erkennbar auf eine Eskalation hin. „Im Grunde genommen“ habe der Übergang des Konfliktes in offene Gewalt bereits begonnen; der Autor ruft die „auffällig häufigen Explosionen in iranischen Militäranlagen“ in den letzten Monaten sowie die „Anschläge gegen führende Vertreter des iranischen Nuklearwaffen- und Raketenprogramms“ in Erinnerung. „Wer immer diese Anschläge geplant und ausgeführt hat – seien es Geheimdienste oder iranische Oppositionelle oder eine Koalition aus beiden -, geht davon aus, dass diese Programme durch den Einsatz von Gewalt unterbrochen, verlangsamt oder beendet werden können.“ Für die Zukunft sei nicht auszuschließen, dass westliche Staaten zu „Formen des offiziellen Einsatzes militärischer Mittel“ übergingen; am wahrscheinlichsten seien dabei „begrenzte Luftschläge“ oder auch eine „Seeblockade“.
Schulterschluss – Mit Blick auf mögliche westliche Militäroperationen – nach Auffassung des Autors kann selbst ein atomarer Erstschlag Israels „nicht ausgeschlossen“ werden - fordert der Beitrag den Schulterschluss zwischen den Mächten der westlichen Welt. Man müsse aufhören, den USA „zu unterstellen, diese würden einen gewaltsamen Regimewechsel in Teheran im Rahmen einer militärischen Intervention anstreben“ – Washington plane „nur“ Luftschläge, nicht jedoch eine Invasion. Auch müsse man mit „der unseligen Rhetorik“ sofort Schluss machen, „wonach militärische Optionen grundsätzlich auszuschließen sind“. Die seiner Auffassung nach mangelnde Kriegsrhetorik der Bundesregierung kritisiert der Autor mit der Behauptung, eine „populär-pazifistische Argumentation“ werde „auch vom deutschen Außenminister vertreten“. Dies müsse aufhören; die Bundeskanzlerin habe künftig unbedingt zu verhindern, „dass einzelne Regierungsmitglieder sich durch öffentlichkeitswirksame Opposition gegen Militärmaßnahmen der USA zu profilieren suchen“.[2] Vielmehr habe Berlin die Öffentlichkeit darauf einzustimmen, dass baldige „nachhaltige Sanktionen gegen den Iran teuer werden können“: Dies betreffe nicht nur die steigende Anschlagsgefahr in Europa, sondern darüber hinaus auch Verluste im Handel mit Iran und „erhöhte Benzinpreise“.
Wirtschaftsinteressen – Ausdrücklich richtet sich der Beitrag gegen außenpolitische Positionen, die „seit Jahren vor allem vom regierungsnahen Thinktank Stiftung Wissenschaft und Politik vertreten“ werden und laut dem Autor nicht ohne Einfluss auf die Politik der Bundesregierung geblieben sind. Tatsächlich sprechen sich führende Vertreter der vom Kanzleramt finanzierten Einrichtung dafür aus, gegenüber Teheran eher auf kooperative denn auf konfrontative Methoden zu setzen. So warb der ehemalige Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Christoph Bertram, noch vor wenigen Jahren in einer Buchpublikation mit dem Titel „Partner, nicht Gegner“ für „eine andere Iran-Politik“.[3] Ähnliche Auffassungen vertritt auch sein Amtsnachfolger Volker Perthes. Positionen, wie sie etwa die SWP formuliert, werden von denjenigen Teilen der deutschen Industrie gestützt, die besondere Interessen im Mittleren Osten verfolgen; dies sind vor allem Energiekonzerne sowie Teile des Maschinen- und Anlagenbaus, die entweder Öl und Gas aus Iran beziehen oder dort Produkte in größerem Maßstab profitabel abzusetzen hoffen. Wirtschaftsverbände dieser Branchen plädierten in der Vergangenheit bereits mehrfach für eine weniger aggressive westliche Iran-Politik, um ihre Expansionsinteressen in dem Land besser realisieren zu können (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Dass die EU den konfrontativen Iran-Kurs der USA meist erst mit etwas Verzögerung übernimmt, hat mit derlei Expansionsinteressen einflussreicher Wirtschaftskreise in Deutschland zu tun.
Wandel durch Annäherung – Tatsächlich plädiert die SWP auch angesichts der aktuellen Kriegsdrohungen aus Washington für ein deutlich anders geartetes Vorgehen gegen Iran. Wie es in einer vor kurzem publizierten Studie heißt, „verbaut“ der Westen sich mit seiner derzeitigen Politik erfolgversprechende Einflussmittel. Da der Streit um Irans Atomprogramm die Beziehung dominiere und ihm „alle anderen politischen Einflussmöglichkeiten untergeordnet“ seien, habe man „sämtliche Formate von Dialogen zwischen der EU und der Islamischen Republik Iran eingestellt“. Das mache es unmöglich, mit Teheran über Verhandlungen zu Fortschritten zu kommen, etwa im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2012 und die Präsidentenwahlen 2013. Die SWP verweist auf die breit gefächerte politische Elite in Iran, die „deutlich über das Potential jener Regime hinausgeht, die sich nur auf Stämme, Religionsgruppen oder Ein-Parteien-Systeme stützen“ [5] – ein klarer Hinweis auf enge Verbündete des Westens wie Saudi-Arabien und die weiteren Diktaturen auf der Arabischen Halbinsel, deren politische Systeme vergleichbare Wahlen gar nicht kennen. Zwar sei keinesfalls mit einem freien Urnengang in Iran zu rechnen, heißt es weiter bei der SWP. Allerdings stehe das Regime im Inneren nach der Repression des Jahres 2009 gewaltig unter Druck, zumindest eine „Abkehr von der Entdemokratisierung“ der letzten Jahre in die Wege zu leiten. Hier müsse der Westen ansetzen, um Fortschritte zu erzielen.
Raue Zeiten – Steht auch bei der SWP das Ziel im Mittelpunkt, den westlichen Einfluss im Mittleren Osten zu sichern, etwa nach dem Muster von „Wandel durch Annäherung“ gegenüber den realsozialistischen Staaten Osteuropas, so genügt dies primär transatlantisch orientierten Kräften nicht. „Die ‘iranische Bedrohung’“, heißt es in der aktuellen Ausgabe der Internationalen Politik, habe „nicht viel mit der sowjetischen Bedrohung gemein, sie ähnelt eher klassischen griechischen Tragödien“.[6] „Diese“, heißt es weiter, „beginnen mit selbstsüchtigen Handlungen eines Akteurs und enden in der Regel in einem Gemetzel.“ Tatsächlich würden die kommenden Wochen und Monate „gekennzeichnet sein durch den Ruf nach schärferen Sanktionen und nach dem Einsatz militärischer Mittel“. Allerdings bleibe „zu überprüfen, ob die damit zusammenhängenden Eskalationsrisiken beherrschbar sind“. Es sei „sicher“, dass „derartige Überlegungen heute die Generalstäbe in den USA und einigen anderen Staaten beschäftigen“. Berlin dürfe in dieser Frage keinesfalls „aus dem internationalen“ – gemeint ist der westliche – „Konsens ausscheren“. Der Autor sagt „raue Zeiten“ voraus.
[1], [2] Joachim Krause: Spiel mit dem Feuer; Internationale Politik 1/2012
[3] Christoph Bertram: Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iran-Politik, Hamburg 2008
[4] s. dazu Potenzial zum Partner
[5] Walter Posch: Ahmadineschad und die Prinzipalisten. Irans politische Rechte und die Perspektiven für einen neuen Elitenkompromiss, SWP-Studie S35, Dezember 2011
[6] Joachim Krause: Spiel mit dem Feuer; Internationale Politik 1/2012