Das knackige Girl im knallengen Dress springt mit den anderen Mädels wild durcheinander. Fast kippt die rustikale Anrichte unter dem Ansturm von kaum verhüllter Jugendlichkeit, da wirft Ilse Aigner graziös den Arm nach oben. Das Blitzlicht knallt auf die Szene, fertig, im Kasten: Die derzeit amtierende Verbraucherschutzministerin hat ein beispielhaft intimes Bild für ihre Internet-Homepage machen lassen. Die kleine Ilse im heimischen Wohnzimmerim beschaulichen Feldkirchen-Westerham, damals noch ohne Falsch und Arg und Furcht vor den Fährnissen der großen, weiten und vor allem digitalen Welt.
Einen Schritt weiter geht ihre Kabinettskollegin Ursula von der Leyen. Wie Ilse Aigner lehnt es die Arbeitsministerin ab, ihr Haus in Burgdorf-Beinhorn in der Nähe von Hannover vom Internet-Riesen Google für dessen Street View-Dienst freigeben zu lassen. Die Fassade des alten Bauernhofes Am Brink 2, auf dem auch die Albrecht Beteiligungsgsellschaft von von der Leyens Vater Ernst Albrecht ihren Sitz hat, müsse gepixelt werden, denn ihr Anblick sei privat.
Privater jedenfalls als die Rückansicht, der Familiengarten (Bild oben): Im Garten hat sich Ursula von der Leyen gemeinsam mit vieren ihrer Kinder für einen Schnappschuss hingehockt, der die Sorge der ehemaligen Familienministerin um die deutsche Familie illustrieren sollte. Im Gegensatz zur Fassade sind die lieben kleinen von der Leyens nicht gepixelt, auch der Gesichtsausdruck von Mutter Ursula lässt nicht auf Sorge oder Angst vor heimtückischen digitalen Nachstellungen durch Identitätsdiebe und virtuelle Fassadenkletterer. Die können spielend leicht zum Anwesen derer von von der Leyen finden: In Panoramio gibt es prima Fotos vom Weg, vernetzt mit Google Maps, auch die Gemeindeverwaltung von Burgdorf-Beinhorn gibt einige Einblicke in die von einem dichten Blätterdach geschützten Alleenwege.
Einen "Dammbruch", würde das Ilse Aigner nennen, wenn sie davon wüsste. "Würden Namen, Adressen, Fotos, persönliche Vorlieben oder Bewegungsprofile miteinander verbunden", warnte die Erfinderin der deutschen Street-View-Furcht den im Verbinden von Informationen aller Art äußerst erfahrenen "Spiegel", dann "müssen wir das verhindern". Aus einem Street-View-Kurzbesuch in Bern und Zürich wisse sie, "die Gesichter der meisten Passanten sind gepixelt, aber man konnte sie oft trotzdem erkennen". Genau wie sie selbst auf einem Foto, dass sie schon vor Jahren beim Abmontieren von Ostantennen auf dem Dach einer bayrischen Brotzeit-Hütte zeigt - in knappem Rock und mit breitem Gürtel, präsentiert von der eigenen Homepage der Ministerin.
Street View aber ist schlimmer. "Man kann den Leuten in die Vorgärten schauen", empört sich die CSU-Ministerin, der noch nicht aufgefallen ist, dass Bings Birds View seit Jahren sogar die Hinterhöfe zeigt. Aigner ist da eigen: "Es gibt Unterschiede zwischen einem öffentlichen Gebäude wie meinem Ministerium oder einem Wohngebiet, wo man das Kinderspielzeug im Garten erkennen oder durchs Wohnzimmerfenster fotografieren kann", sagt sie wirr. Schließlich gebe es "in den Entwicklungsabteilungen von IT-Firmen längst eine Foto-Software für Handys, mit deren Hilfe Gesichter auf der Straße binnen Sekunden mit einem Namen, einer Adresse und dem dazugehörigen Bild, einem Geburtsdatum, vielleicht den in sozialen Netzwerken hinterlegten persönlichen Vorlieben oder einem GPS-Bewegungsprofil verbunden werden können".
Was das mit den Fassadenfotos von Street View zu tun hat, bleibt im Dunkeln, aber man kann es ja mal gesagt haben. "Ein Klick genügt, und ich hätte das komplette Persönlichkeitsprofil eines Passanten." Früher hätte man den noch ansprechen und mühsam auf einen Kaffee einladen müssen, heute aber wisse man dann nicht nur, dass die dickliche junge Frau, die eben vorlief, vermutlich Mitte 20 sei und eine Vorliebe für Pink und hellgrün habe, sondern auch gleich noch, wann sie Geburtstag feiere, wo sie wohne und weitere Detail, die einen überhaupt nicht interessieren.