Interview mit Triathlet Florian Bögge | Über seine Kona-Quali 2017 und wie er das härteste Radrennen der Welt gefinished hat

Von Lehmann59a

Noch knapp 48 Stunden bis in Kailua-Kona der Kanonenschuss fällt und mit ihm sich wieder einmal die weltbesten Langdistanz Triathleten ein episches Battle um die Ironmankrone liefern. Neben den Pro’s fighten tausende Agegrouper um gute Plätze respektive um Ihre Träume, Visionen und Prestige. Nicht zuletzt auch um für sich selbst den perfekten Saisonabschluss zu kreieren. Genau das wird das Motto von Florian Bögge 2017 sein. Er hat die Kona-Quali jetzt schon eingetütet und beim Ironman Mallorca in seiner Altersklasse (21-24) einen starken zweiten Platz belegt. Im vierten Teil der „Interview mit“-Rubrik erzählt Flo über die Ironmanvorbereitung, wie er zum Triathlon gekommen ist und seinen Background als Radfahrer in einem professionellen Team. Außerdem plaudert er darüber, wie es sich anfühlt, beim härtesten Radrennen der Welt – dem Race Across America – am Start zu sein und erzählt von den krassesten Momente. Und wenn wir schon den Stories so eines Radspezis in dieser Rubrik lauschen, wäre ein Trainingstipp natürlich phänomenal – welche Lieblingseinheit er für die zweite Disziplin bzw. fürs Radtraining regelmäßig abspult, erfährst Du jetzt! Viel Spaß. 

Hey Florian, heute schon trainiert?

Florian: Hey Sören, ja 6:30 ging´s ins Wasser. Definitiv zu früh für mich.

Wie geht‘s Dir physiologisch aber vor allem auch mental, seit dem Du beim Ironman Mallorca Kona 2017 klar gemacht hast?

Körperlich gut, da hab ich das Ganze echt schnell weggesteckt. Die Tage danach am Meer haben da sehr geholfen. Mental war es der totale Overload. Klar ich bin nach Malle gefahren um mir Kona zu sichern, auch wenn man das natürlich nicht so offen kommuniziert, um den Druck tief zu halten. Aber dass es am Ende so geklappt hat, wie ich es mir vorgestellt habe, war schon echt unglaublich. Ich habe eine Woche gebraucht, um es wirklich zu realisieren, dass der Plan aufging. Aber jetzt bin ich mental nicht nur fit, sondern aggressiv.

Nimm uns doch mal kurz mit – wie sah Deine wöchentliche Vorbereitung in den letzten Monaten aus? Hast Du einen Trainer oder trainierst in einer Gruppe?

Ich steuere alles selber und habe keinen Trainer. Am meinem Studienort gibt es leider keine richtige Triathlon-Szene, sodass ich zu 95% alleine trainieren muss. Aber ich habe eine kleine Schwimmgruppe und einen guten Tempolaufpartner.

Die letzten 8 Wochen sind ja die elementaren Wochen und ich habe zugesehen, dass ich kein Training verpasse. 4 – 5 Mal die Woche ins Wasser, 60 – 70 Laufkilometer, da habe ich viel mit negativen Splits gearbeitet. Und auf dem Bike ging die Kette oft nach rechts. Also unterm Strich habe ich meinem Körper mal das gewünschte Wettkampftempo vorgestellt und er hat mir gesagt, wie er das so findet.

Dieses Jahr konntest Du bei einigen prestigeträchtigen regionalen Triathlons, z. B. beim Knappenman oder Werbellinsee, Treppchenplätze verbuchen – Hast Du Dein Training speziell umgestellt oder warum tauchst Du davor kaum in den Ergebnislisten auf?

…Und den Havelhammer gewinnen Das waren auch alles Tri’s, die ich als Vorbereitung für Malle gemacht habe. Aber ja – ich mache eigentlich erst seit diesem Jahr so richtig Triathlon. Davor war ich Radsportler und ich habe es quasi immer mal ausprobiert mit dem Triathlon. Mein Training war eher Bewegungstherapie anstatt produktives Arbeiten. Das hat sich seit Oktober 2015 geändert und es wirkt.

Ein bzw. der Grund für Deine starke Bike-Performance, ist sicherlich Deine Vergangenheit im Rennradsport. Du darfst Dich z. B. offiziell als RAAM-Finisher betiteln und warst in einem Amateur Radsport-Team. Wie kam es zum Wechsel zum Triathlon?

Ja, ich war mit Herzblut Radsportler und ich liebe diesen Sport immer noch sehr. Nach meiner Sportschulzeit bis 2010 hatte ich dem Unileben Vortritt gelassen, aber hab mit LeXXI (Amateur) 2012 wieder angefangen zu trainieren. Dort wurde mir der professionelle Umgang mit Wattdaten vermittelt und ich konnte mich wieder etwas mehr austoben. 2012 habe ich auch meinen allerersten Triathlon probiert: 70.3 Malle. Dann hatte ich das Glück, durch einen Kumpel mit zum RAAM zu fahren und so stand 2013 wieder nur das Radfahren auf dem Programm. Danach hatte ich wieder Bock auf was Verrücktes und meldete mich spontan (45 Tage vorher) zu einer Langdistanz an und zog das ohne richtige Vorbereitung á la Joe Kelly durch. 2014 wollte ich bei den Männern nochmal Radrennen gewinnen und tat das auch. Dann im Winter zu 2015 hatte ich privat einige Rückschläge, welche mich dann aus der Bahn geworfen haben, und daraufhin war ich auf der Suche nach etwas Neuem. So unterstützte ich marketingtechnisch in der 1. Hälfte 2015 ein professionelles Frauenradsport-Team, trainierte nicht, aber schaute mal über den Tellerrand. Mitte 2015 hab ich gesagt:“ Okay, Triathlon soll es werden, aber diesmal richtig.“  Da die Saison schon halb rum war, trainierte ich zwar, aber verschob die Ambitionen auf 2016 und versuchte so eine gute Ausgangslage für den Trainingsbeginn im Oktober 2015 zu schaffen.

Da möchte ich nochmal kurz einhaken. RAAM sagst Du,  wie kam es dazu, dass Du Dich für’s härteste Radrennen der Welt angemeldet hast und was war der krasseste bzw. welcher der schlimmste Moment?

Der Vater meines Kumpels wollte das schon immer mal machen. Da er nicht der Sportlichste war, hatte er vor, das ganze Ding in einem 4-Mann-Team zu rocken. Da hatte ich Glück mit ins Team zu rutschen. Das Ding ist so groß mit so vielen Facetten… Aber es war schon eine megageile Erfahrung, da 4.800 km in einer Woche durch Amerika zu radeln. Der krasseste Moment war so im Nachhinein in Kansas, als sich ein Tornadogebiet zusammengebrodelt hatte und wir dann da abends reingeballert sind. Es gibt Videoaufnahmen, wie ich mit 40km/h  auf dem Rad sitze, am ganzen Körper Gänsehaut und vorne blitzt und donnert es wie blöde. Da den Kopf mal zur Seite zu drehen, war keine gute Idee, weil, da hat man in der Ferne gesehen, wie dieser Tornado den Boden berührt. Weltuntergangsstimmung, und ich fahr mitten rein. Härtet ab sowas.

Und der schlimmste Moment war sogar davor schon, weil ich dann am 3. Tag so viel Schlafmangel mit in die Rocky Mountains gebracht hatte, dass ich mich auf dem Rad selber schlagen musste, um wach zu bleiben. Das war körperlich, aber vor allem auch mental sehr brutal und ging dann beim Wechsel auch emotional sehr tief rein bei mir. Aber es hat mir alles sehr geholfen mich menschlich weiter zu entwickeln, aber auch um mich besser kennen zu lernen und die Kopf – Körperverbindung ganz neu zu verstehen.

In dieser Interview-Rubrik gebe ich meinen Lesern gern den einen oder anderen Insidertipp mit an die Hand. Würdest Du uns eine Deiner Lieblingseinheiten fürs Radtraining verraten, welche Du so oder so ähnlich trainierst?

Jeder Radsportler würde jetzt sagen: „Die Bäckerrunde! :D“

Aber ihr wollt ja was Produktives erfahren! Ich lasse es wirklich gern krachen auf dem Rad. Der kurze Klassiker zur Selbst-Massakrierung:

 

Warmfahr-Programm:

10 min Einfahren GA1 – Watt

5 min Trittfrequenzwechsel  GA2-Watt (1 min @110 rpm/1 min @90 rpm)

3 min GA 1

2 min EB Bereich

5 min GA 1

Hauptprogramm:

5 x 5 min EB mit 10 min Pause@ GA1 Watt

2 x 30 min Sweetspot

30 min ausfahren – alle 10 min um 20 Watt runter vom GA1 bsp. 220/200/180

Da gibt’s natürlich noch viel spezifischere Einheiten, je nach Saisonpunkt und Leistung und Ziel, aber die hier wirkt immer, und deshalb mag ich sie.

Noch knapp 12 Monate bis der Kanonenschuss auf Kona fällt. Schon konkrete Pläne, wie Du Dich darauf vorbereiten wirst?

Florian:

Definitiv. Mein Sportjahr 2017 ist genau wie 2016 von Uni und Arbeit abhängig, aber ich will mich Anfang des Jahres ins Ausland absetzen und mal wieder woanders trainieren, da evtl. auch schon früh ein Rennen machen. Kona soll die einzige Langdistanz sein und ist definitiv Hauptziel der Saison, aber ich werde mich auch in Sachen 70.3 ein wenig austoben und ebenso die regionalen Sachen mitnehmen. Bedeutet, es soll ein langer konstanter Aufbau werden, ähnlich wie 2016. Da ich notorischer Nichtschwimmer bin, gibt es hier besonders viel Arbeit zu verrichten, auf die ich mich aber verdammt freue. Mein Ziel ist es zu zeigen, dass ich Triathlet bin und kein Radsportler, der sich mal Laufschuhe angezogen hat und ein bisschen so tut, als ob. Ich will ein kompletter Athlet werden.

Machen wir eine Zeitreise und lassen das Kopfkino spielen: Es ist der 15. Oktober 2017, in den lokalen Sportnachrichten kommt ein Beitrag über Dich beim Ironman Hawaii – wie lautet die Schlagzeile?

Florian:

Fabian Brogge beim Triathlon in Down Under!

Unsere lokale Sportzeitung steht auf gute Verschreiberlis

Was ist das ultimativste Ziel oder Gefühl, welches Du Dir in den nächsten Jahren ausmalen kannst?

Florian:

Das ultimativste Gefühl ist es sicherlich Vater zu sein. Irgendwann.

Das ultimativste Ziel: Pro zu sein und das machen zu dürfen, was man liebt, auch wenn man dafür 10-mal so hart arbeiten muss wie alle anderen. Ich denk, das lohnt sich.

Welche Frage hätte ich Dir sonst noch stellen sollen?

Florian:

Deine Fragen waren sehr gut, du hast die klassischen „Wer ist dein Vorbild“-Fragen gut umgangen J.