Interview mit Tan Me

Tan-Me-(c)Georg-Buxhofer

Interview mit Tan Me

Tan Me haben vor Kurzem ihre EP Kannst du widerstehen? veröffentlicht und sind nun damit durch ganz Österreich unterwegs.  Sänger Moritz Carl hat sich mit uns über den neuen Release, Kunstblut und Yung Hurns Kunstverständnis unterhalten.

pressplay: Vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst, ein paar Fragen zu beantworten. Ihr habt im Februar eure neue EP veröffentlicht – und kurz darauf ein Video zu Pamina. Wie ist so das Feedback, das ihr dazu bekommt? Seid ihr zufrieden damit?

Moritz Carl: Die letzte EP war für uns eine große Herzensangelegenheit. Wir haben quasi alles selbst produziert, eingespielt und veröffentlicht. Pamina selbst ist so eine Nummer, die uns seit Jahren eng begleitet und uns sehr wichtig ist. Deshalb war es uns auch ein Anliegen, dazu ein Video zu machen, das uns glücklich macht, auch wenn der Song eigentlich nicht typisch Tan Me ist. Gerade deswegen waren die Reaktionen auch so interessant. Ganz viel überwältigendes Feedback von Leuten, die Tan Me vorher noch nicht auf dem Schirm hatten, aber auch ein paar Stimmen, denen die Nummer zu poppig ist. Diesen Stimmen sei gesagt: wir arbeiten schon wieder an neuem Zeug, das kantiger ist.

Also ist es auch eurer Meinung nach zu poppig geworden?

Nein, gar nicht. Was heißt denn überhaupt „zu poppig“? Entweder die Musik macht Bock oder nicht. Genre-Begrenzungen sind uns im Songwriting relativ wurscht. Wir sind vollends zufrieden mit der EP, das Herzblut hat sich absolut ausgezahlt. Ich verstehe schon, dass Leute, die Platz an der Sonne und Schnaps von uns kennen, sich zuerst dachten „Aha, das ist also auch Tan Me?“, aber wir überraschen unsere Fans halt gern.

Wer ist denn eigentlich Pamina?

Haha, Pamina als Person gibt es natürlich nicht. Der Name steht für ein Sehnsuchtsmoment, eine Zukunftsidylle, von der man hemmungslos träumen kann. Unsere Lieder handeln oft von kontrolliertem Selbstbetrug. Was kann ich mir eigentlich selbst glauben? Wo bilde ich mir etwas ein? In Pamina werfen wir diese Reflexion vollkommen über Bord und baden uns schlicht und ergreifend in Träumereien. Das ist ab und an auch okay und gut. Nur wird man bei diesen Träumereien natürlich auch etwas ungeduldig…

Und die Folge dieser Ungeduld ist was?

Zu sagen: Ich will nicht mehr warten, Glück komm jetzt sofort zu mir. Das grenzt natürlich an Kitsch, aber ich finde, dieses Mittel sollte man nicht per se dem Schlager überlassen. In kleinen Dosen ist es schon erträglich und im Fall einer un-nüchternen Nummer wie Pamina gerade konsequent. Dadurch, dass Pamina eben eine Ausnahme innerhalb unserer Songs darstellt, war uns Konsequenz wichtig, auch im Video. Wir wollten schauen, wie weit wir es treiben können, bevor es wirklich als Schlager rüberkommt.

Tan-Me-(c)Georg-Buxhofer

Gibt es Stimmen, die sagen, dass Pamina schon mehr nach Sportfreunde Stiller klingt? Oder, dass Hedo nach älterem Bilderbuch klingt? Wie reagiert ihr auf sowas? Sind solche Vergleiche deiner Meinung nach überhaupt vertretbar?

In sechs Jahren Bandgeschichte und -entwicklung haben wir so ziemlich jeden Vergleich schon mal gehört. Von quasi jeder deutschsprachigen Band bis hin zu serbischem Folk. Ich finde das immer interessant, manchmal lustig, aber wirklich drüber nachdenken tun wir nicht. Vergleiche sind ja was wahnsinnig Subjektives, da wäre es blöd sich drüber den Kopf zu zerbrechen. Wir machen die Musik, die uns Spaß macht, und suchen nicht verkrampft nach Sounds, die keine Referenzen kennen. Klar hört man dann Einflüsse, das finde ich auch gut. Bilderbuch und Sportfreunde Stiller – um jetzt deine Vergleiche zu nennen – haben ja ihre jeweiligen Genres auch nicht erfunden.

In sechs Jahren Bandgeschichte ist sicherlich schon einiges passiert. Was ist deine beste bzw. schlimmste Erinnerung daran?

Puh, da gibt es ein paar Geschichten. Von band-internen Querelen wegen Frauen bis zu kunstblutverschmierten Bühnen, weil die Vorband einen auf Rammstein machte. Immer schöner wurde jedenfalls das live Spielen, da haben wir besonders in den letzten zwei Jahren einen Spirit gefunden, der uns beflügelt.

Was hat sich denn an euren Live-Shows geändert?

Wir haben als Schülerband angefangen, auch mit einigen Cover-Songs im Programm. Da ist die Aufregung und der Wille, alles richtig zu machen manchmal lähmend. Mit der Zeit fand dann, ganz pathetisch gesagt, jeder seinen Platz. Ich darf als Frontmann abspacken bis zum get-no, Johnny und David (Keyboarder und Gitarrist) genießen ihre Soli und Max und Niki, die Rhythm-Section, grooven dahin. Auf der Bühne spüren wir uns gegenseitig extrem, haben uns gegenseitig im Rücken. Dadurch kommen wir in den Genuss, unsere Lieder voll zu zelebrieren und uns darauf zu konzentrieren, was unten ankommen soll. Und das kommt an: Ein Publikum, das mit uns singt und tanzt, feuert uns dann noch mehr an. Was besonders schön ist: Wenn Kinder, die ja die härtesten Kritiker sein sollen, anwesend sind, feiern die unsere Musik genauso, wie unser eigentliches Publikum. Das freut uns dann natürlich nochmal anders.

Du hast vorher erwähnt, dass ihr schon wieder an neuem Material arbeitet. In welche Richtung geht es? Wieder zurück zu den Wurzeln?

Ja und Nein. Die neuen Sachen sind wieder etwas unmittelbarer, direkter als Kannst du widerstehen?, das ja wohl überlegt und etwas glatt daherkommt. Am ehesten geht Schindluder von der aktuellen EP in die Richtung, in die es uns jetzt zieht. Johnny bringt den Synthie mehr ein, wir legen viel Wert auf Groove und Mörder-Hooks. Wir suchen das im besten Sinne Ranzige von der Schnaps EP jetzt in einem austarierten Synthie-Gitarrensound und lassen uns dabei vielfältig inspirieren, von Arcade Fire über Snarky Puppy bis zu Yung Hurn. Die Nummern machen jedenfalls mächtig Spaß, wir freuen uns schon, sie live auszuprobieren.

Yung Hurn? Was hältst du von ihm?

Ich mag das, was er macht, besonders Sachen wie Rot oder Diamant. Unsere Herangehensweisen ans Musikmachen könnten unterschiedlicher nicht sein, glaube ich. Während wir gerne auf musikalischen Gehalt schauen, treibt er es auf die Spitze Musik aus einem Vibe, einer Attitude herauszumachen. Das finde ich schon ganz geil. Auch die Rolle, die Ironie bei ihm spielt, finde ich spannend, weil es oft eine unbewusste ist. Aber das Kunstwerk ist ja manchmal schlauer als der Künstler. Wir werden aber nicht anfangen Cloud Rap zu machen. Ich glaube, es geht schief, wenn eine Pop-Band – oder wie auch immer du uns nennen willst – gerade diese Attitude sucht.

Bei euch spielt also das Handwerk doch noch die wichtigste Rolle? Denn das was man doch ganz sicher anmerken muss hierbei ist, dass Yung Hurn und auch andere wie K. Ronaldo der „Kunst“ ihren Wert absprechen. Nicht nur mit dem was sie machen, sie sagen das ja auch, dass Kunst für sie keinen Wert hat. Wie siehst du das? Ist Musik für dich Kunst? Ist eure Musik Kunst?

Du meinst das Feature mit Daniel Richter? Haha, die Interviews mit Yung Hurn sind ja genauso diffus wie seine Musik, insofern, traue ich mir, ihm jetzt mal zu widersprechen: Natürlich macht Yung Hurn Kunst. Solche Aussagen von ihm kommen glaube ich aus einem viel zu eng gesteckten Kunstbegriff. Das, was er macht, ist zwar subversiv und teils ironisch, aber gerade seine ruhigeren Songs sind doch nicht trivial. Das wäre für mich das Gegenstück zu Kunst: Trivialität. Davor gilt es sich zu hüten.

Seine eigene Kunst zu beurteilen ist natürlich nicht leicht, das möchte ich mir nicht anmaßen. Aber es stimmt schon, dass wir viel Wert auf musikalische Raffinesse legen. Gerade bei den Arrangements versuchen wir immer noch was rauszukitzeln. Das darfst du gerne Handwerk nennen. Wenn wir es aber dann noch schaffen, ein Gefühl im Zuhörer zu erzeugen, wie zum Beispiel diese Ungeduld bei Pamina, dann hoffe ich, dass das Kunst schon recht nahekommt.

Tan-Me-(c)Daniela-Matejschek

Kunst muss also komplex sein?

Komplex trifft es für mich nicht ganz, eher tief gehend. Das kann gedanklich tief gehend sein – das kann man dann wohl komplex nennen – oder emotional tief gehend. Das ist dann oft ganz einfach. Aber das sind alles Begrifflichkeiten, die für mich so Sinn ergeben und für andere vielleicht gar nicht. Im Endeffekt ist Kunst einfach etwas, das dafür brennt im Publikum was auszulösen. Unter dieser Prämisse ist Yung Hurn Kunst und Kunst das Wertvollste, das der Mensch kann. Dem den Wert abzusprechen, ist nicht so originell.

Kunst ist also Handwerk, sei es Musik, Malerei, Tanz, Fotografie u.s.w, so ausgeführt, dass es Emotionen, die stärker sind als alltägliche Emotionen, auslöst?

Kunst kann sicher auch ohne Handwerk gelingen, aber mit einem gewissen technischen Anspruch macht es glaube ich für den Künstler mehr Spaß, weil er eher weiß, was er tut. Bei uns ist das jedenfalls so. Die vier Burschen mit denen ich die Ehre habe zu spielen, sind virtuos auf ihrem jeweiligen Instrument; haben auch einen Fuß im Jazz drin. Von Tan Me ist deshalb wohl keine 3-Akkord-Nummer mit durchgeschrammelten Gitarren zu erwarten. So sieht dann unsere Art von Handwerk aus.

Und ich glaube auch, dass die Emotionen nicht unbedingt stärker als Alltägliche sein müssen. Es geht nicht immer um das große Gefühl, eher um die Zuspitzung, die Verdichtung eines Gefühls oder eines Moments. Das kann auch das Gefühl der Langeweile sein. Man muss halt irgendeine Sprache fürs Leben finden, Pina Bausch hat das mal so gesagt und vielleicht geht es um das.


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Autor

Phillipp Annerer

Aufgabenbereich selbst definiert als: Irgendwas mit Medien. Findet: “Wir brauchen irgendwas leckeres zu Essen” (Der Bär im großen blauen Haus) zutreffend.


 
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