Mit Sabine Ebert im Gespräch über das Leben um 1200, die Stellung der Frau in jener Zeit und die verschiedenen Möglichkeiten der Recherche.
Um Sie den Lesern vorzustellen, würden Sie etwas über sich erzählen?
Ich bin in Berlin aufgewachsen, habe dann in Magdeburg mein journalistisches Volontariat gemacht und in Rostock Sprachwissenschaften studiert. Dann hat es mich ins sächsische Freiberg verschlagen, dort arbeitete ich viele Jahre als freie Journalistin und habe mehrere Sachbücher zur Freiberger Geschichte geschrieben. Bis dann irgendwann dann der Wunsch immer stärker mich an einem Roman zu versuchen.
An meinem ersten Roman habe ich dann, neben meiner eigentlichen Arbeit, fünf Jahre geschrieben. Da wusste ich auch noch nicht, ob mir das gelingen wird, ob ich das kann. Ob ich überhaupt einen Verlag finden werde, ob ich Leser finden werde, aber ich wollte es einfach mal versuchen ... und das ist dabei rausgekommen.
Lesen Sie gerne selbst? Wenn ja, welche Genres faszinieren Sie am meisten? Auch etwas Historisches?
Früher habe ich historische Romane gelesen, jetzt gar nicht mehr. Da ich selber welche schreibe, lese ich lieber Fantasy, Science-Fiction oder einen Krimi als Kontrastprogramm.
In einem Ihrer Nachworte erzählen sie davon, dass Sie sich der Interessengruppe "Mark Meißen 1200" angeschlossen haben, welches Erlebnis in dieser Gruppe hat sie am meisten beeindruckt?
Überhaupt erst einmal dieses Zusammenkommen mit dieser Gruppe, ich hatte bis zum Erscheinen meines Buches überhaupt keinen Kontakt zu der mittelalterlichen Szene. Bis dahin hatte ich mein Wissen nur aus Büchern und aus Gesprächen mit Fachleuten.
Nachdem das erste Buch erschienen war, kam eine Fanmail und der Verfasser hat geschrieben, er würde einer mittelalter Gruppe in Dresden angehören, diese würde sich [Mark Meißen 1200]http://www.mark-meissen-1200.de nennen. Da dachte ich, wow, "Mark Meißen 1200", da leben wir ja am gleichen Ort und zur gleichen Zeit. Diese Gruppe würde ich gerne kennenlernen.
Die Gruppe hat mich dann zu einem Historienspiel eingeladen und da ist mir erst einmal bewusst geworden, wie akribisch es dort zu geht. Da ist alles selbst gemacht, die Kleider individuell genäht, die Borten von Hand gewebt, die Tische selbst getischlert, auch die Bänke, Truhen und so weiter. Außerdem beschäftigen sich die Mitglieder dort sehr intensiv mit dem höfischen Zeremoniell. Oder sie kochen am offenen Feuer nach mittelalterlichen Rezepten und lassen die Zeit dadurch sehr realistisch werden. Das hat mich sehr beeindruckt.
Ich habe mich auch auf Anhieb sehr gut mit der Gruppe verstanden und habe mich dann der Gruppe "Mark Meißen 1200" angeschlossen. Ich stehe mittlerweile auch mit etlichen anderen aus der Szene, wie "Hochmuot" und den ["Freien von der Karlshöhe"]http://www.die-freien-von-der-karlshoehe.de in Verbindung und habe da nicht nur wirklich gute Freunde gefunden und genieße das, sondern ich muss auch sagen, ich lerne von denen ungeheuer viel.
Klar, man muss recherchieren, in Büchern, man braucht zwingend die Fachliteratur, die Meinung von Experten. Das Ganze dann aber auch mal praktisch zu erleben, ist noch einmal ein ganz anderer Zugang. Es ist sehr wichtig, um ein reales Gefühl für diese Zeit zu bekommen.
Das Bild, was die meisten im kollektiven Bewusstsein vom Mittelalter haben, ist total verklärt, durch Märchen, aber auch durch alte Hollywood Schinken. Dieses "edeler Ritter", "liebreizendes Burgfräulein" und alles ist chic. Das hat aber mit dem wirklichen Mittelalter nichts zu tun. Realistisch war eine Burg kalt und rauchig, die Ritter plagte die Gicht. Es war einfach nur schmutzig, es stank. Aber trotzdem kann man es nicht als "das finstere Mittelalter" abtun, wie es die Nachfahren in der Neuzeit getan haben. Es war auch eine Zeit großer Umwälzungen, großer Entdeckungen und großer Bewegung. Aber es gab dort keine Individualität, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die romantische Liebe, das war alles noch nicht erfunden.
Wie teilen Sie sich Ihre Zeit zum Schreiben ein, haben Sie bestimmte Vorlieben?
Mein Arbeitstag beginnt in der Regel morgens um 9 Uhr und geht dann bis Open End. Wenn ich wirklich intensive Schreibphasen habe, sorge ich auch dafür, dass ich absolute Ruhe habe, kein Telefon, keine Termine, um richtig in der Geschichte versinken zu können. Nach ein bis zwei Wochen intensiver Schreibphase ist der Kopf erst mal leer, dann heißt es erstmal alles Ausdrucken, mal einen Tag liegen lassen, derweil alles liegen gebliebene erledigen, was in der Zeit angefallen ist wie Fanpost, die Steuer, Quellen noch mal nachlesen und so weiter.
Dann wird am Blatt gearbeitet, alles umgearbeitet, revidiert und dabei reifen dann schon die nächsten Szenen im Kopf und dann geht es mit dem Schreiben weiter.
Selbstverständlich braucht man eine große Disziplin, man kann nich einfach sagen: "Es klemmt gerade, jetzt mache ich mal drei Wochen nix" oder etwas in dieser Art. Dies kommt natürlich auch darauf an, wie weit der Abgabetermin noch in der Zukunft liegt.
Manchmal ist es selbstverständlich gut, das alles mal einen Tag hinzulegen und etwas ganz anderes zu machen. Ich besticke dann zum Beispiel mein Premierenkleid für die Lesungen oder so etwas. Meine Leser mögen es ja sehr, dass Ich bei den Lesungen mittelalterlich gewandet bin und dafür kann man nichts fertig kaufen, das muss man schon alles selber machen. Und dann mal einen Tag zu nähen oder zu sticken und zu sehen wie etwas unter den Händen wächst ist für mich eine richtig tolle Erholung, Befreiung und Ablenkung sein.
Wenn gar nichts mehr hilft, gehe ich noch mal zurück zu den Quellen oder arbeite an dem schon vorhandenen Text. Dann funktioniert das schreiben wieder.
Sie haben sich ja für das Genre historischer Roman entschieden, gerade hier liegt ja viel Recherchearbeit vor Ihnen. Wie sieht diese für sie aus?
Bevor ich den ersten Satz überhaupt geschrieben habe, habe ich mich ein Jahr lang in die Materie eingelesen, um überhaupt ein Gefühl für die Zeit zu bekommen. Ich habe aus Universitätsbibliotheken viel Fachliteratur gelesen und sehr viel mit Historikern gesprochen. Die Leute liefern mir dann auch viel, und das alles setze ich um, und wenn es nur in einem kleinen Nebensatz ist.
Die Fachleute sind dabei sehr wichtig, gerade bei der Fachliteratur kommt man schnell an den Punkt, wo man mehr Fragen wie Antworten hat. Ich habe da das große Glück, Historiker zu kennen, die dem Ganzen gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Zu denen kann ich kommen und meine Fragen stellen. Wenn es keine Belege gibt, kann ich mit diesen darüber diskutieren, welche die wahrscheinlichste Variante ist und jenseits der akademischen Gelehrsamkeit machen die das dann mit mir. Wir sagen dann wirklich mal, "Ok, das wäre logisch. Das und das ist eigentlich nicht logisch", dann diskutieren wir das aus sozusagen.
Dann braucht man die Experten für Geologie, für historischen Bergbau, für Münzwesen und Schwertkampf. Ich habe auch gezielt Leute gesucht, die historischen Schwertkampf nach alten Quellen rekonstruieren. Die choreografieren mir die Zweikämpfe und bei diesen Truppen bin ich auch mit einer zusammengekommen, die den Kampf zu Pferd trainieren. Da habe ich sehr viel gelernt, was die Reiter Formation angeht oder die Schlacht aus der Sicht des Reiters und wie die mittelalterliche Panzerreiterei funktionierte.
Bevor ich mit der Recherche angefangen habe, wusste ich fast nichts über das Mittelalter und jetzt führen die Recherchen mich immer tiefer in diese Zeit, eine wirklich spannende Entdeckungsreise, an der ich viel Freude habe.
Es gibt ja viele historische Romane, die gerade Frauen als starke Persönlichkeiten beschreiben, was macht diese Frauen so interessant für Autoren?
Das ist so ein bisschen Trend geworden, keine Ahnung. Ob die Verlage dabei an die weibliche Leserschaft denken? Ich habe da einen anderen Ansatz, ich möchte ja auch gerne die Männer als Leser haben.
Das mit der starken Frau muss man sowieso vorsichtig genießen, die starke Frau im Mittelalter, da gab es vielleicht eine Handvoll. Auch eine Fürstin hatte in der Regel den Mund zu halten und Söhne zu gebären. Sie durfte sich nicht öffentlich in die Belange ihres Mannes einmischen, sonst hätte sie ihren Mann auch in Verruf gebracht. Seine Gefolgsleute hätten gesagt: "Was ist denn das für ein Weichei der sich von einem Weib etwas sagen lässt?"
Es gab starke Frauen. Es gab auch Fürstinnen, die ihren minderjährigen Söhnen über viele Jahre das Erbe erhalten haben. Oder, die sich sogar angelegt haben mit anderen Fürsten, mit Geistlichen. Sicherlich das hat es gegeben, aber dies waren ganz seltene Ausnahmen. Frauen waren noch nicht einmal rechtsfähig. Sie durften keine Verträge machen, sie waren nicht mündig, sondern das Eigentum ihres Ehemannes in jeglicher Hinsicht. Frauen duften auch vor Gericht nicht sprechen, wenn eine Frau Klage erhob, muss sie einen Mann schicken, der an ihrer Stelle spricht, da man eine Frau per se schon mal nicht für fähig hielt, einen vernünftigen Gedanken zu fassen.
Fakten und Fiktion sind ja oftmals fließend zu sehen. Ist es vorstellbar, dass die eine oder andere fiktive Figur wirklich so gelebt und gehandelt hätte?
Gibt es in Ihren Romanen Figuren, die ein lebendiges Vorbild haben?
Ich glaube nicht, dass man Leute aus unserer Zeit so in das Mittelalter transferieren kann. Man mus sich immer in die Mentalität dieser Zeit reinversetzen. Solche Sachen, die heute selbstverständlich sind, dass eine Frau einen Mann anschaut, ihn anspricht, gab es da nicht. Die historischen Persönlichkeiten habe ich natürlich so genau wie möglich gestaltet, nach dem was wir heute über sie wissen, da habe ich mich sehr akribisch dran gehalten und die fiktiven Figuren müssen im Kontext der Zeit stimmen. Von den fiktiven Personen muss man von jeder sagen können: "Könnte es diese gegeben haben?", das ist mein Anspruch.
Warum lebt Ihrer Meinung nach, das Genre "historischer Roman" so auf?
Da gibt es denke ich mehrere Beweggründe. Für manche ist es bestimmt noch dieses romantisch verklärte Bild, aber ich merke es bei der Fanpost und den Begegnungen mit Lesern, dass diese wirklich ein Stück deutscher Geschichte erleben wollen. Dass die Menschen jetzt auch wissen wollen, was früher passiert ist und dadurch ein Stück Identität finden. Ich habe ja jetzt gerade dort, wo meine Romane spielen, in Sachsen-Anhalt, in Braunschweig, in Thüringen riesige Fangemeinden und die sind so froh, dass da ein Stück ihrer Geschichte lebendig wird. Ich bekomme aber auch Fanpost aus Gegenden, wo meine Romanfiguren überhaupt nie gewesen sind und die sagen nur: "So hätten wir es mal im Geschichtsunterricht hören müssen, dann hätten wir es uns auch gemerkt." Das Interesse der Deutschen an der eigenen Geschichte ist sehr wachsend.
Welche Überraschungen haben Sie schon bei der Recherche erlebt?
Ach, jede Menge, ich wusste zum Beispiel gar nicht, dass Sachsen zu der Zeit gar nicht das Gebiet war, das es heute ist. Ich finde dann auch viele Kleinigkeiten über zum Beispiel höfisches Benimm oder Details über Essgewohnheiten und so, die man dann einfach mal mit einem Halbsatz einbauen kann. Das freut die Leser ungemein, da etwas ganz Originelles zu erfahren.
Tauschen Sie sich mit anderen Autoren historischer Romane aus?
Nein, das nicht, ich bin zwar mit einigen Autoren im freundschaftlichen Kontakt, aber wir schreiben jeder für sich alleine.
Welcher Teil der "Hebammen"-Reihe gefällt Ihnen persönlich bisher am besten?
Der Vierte. Den finde ich bis jetzt den Stärksten, also ich arbeite hart, um den jetzt mit dem fünften, dem großen Finale, noch zu toppen.
Im Herbst erscheint der fünfte und letzte Teil der "Hebammen"-Reihe, für Ihr nächstes Buch haben Sie sich für eine ganz andere Epoche entschieden. Wie kam es dazu und dürfen Sie uns schon etwas darüber verraten?
Da werden wir in die Zeit der napoleonischen Befreiungskriege gehen, die Völkerschlacht bei Leipzig 1813. Die Leipziger selbst haben mich eingeladen, mit Blick auf die 200. Wiederkehr dieses Ereignisses im Jahr 2013 einen Roman über die Völkerschlacht zu schreiben. Hintergrundwissen sauge ich jetzt schon wie ein Schwamm auf, das Schlachtfeld habe ich schon besucht und auch an einem Biwak teilgenommen.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Gespräch genommen haben!
Ebert, Sabine - Das Geheimnis der Hebamme
Ebert, Sabine - Die Spur der Hebamme
Ebert, Sabine - Die Entscheidung der Hebamme
Ebert, Sabine - Der Fluch der Hebamme
Ebert, Sabine - Blut und Silber
Um Sie den Lesern vorzustellen, würden Sie etwas über sich erzählen?
Ich bin in Berlin aufgewachsen, habe dann in Magdeburg mein journalistisches Volontariat gemacht und in Rostock Sprachwissenschaften studiert. Dann hat es mich ins sächsische Freiberg verschlagen, dort arbeitete ich viele Jahre als freie Journalistin und habe mehrere Sachbücher zur Freiberger Geschichte geschrieben. Bis dann irgendwann dann der Wunsch immer stärker mich an einem Roman zu versuchen.
An meinem ersten Roman habe ich dann, neben meiner eigentlichen Arbeit, fünf Jahre geschrieben. Da wusste ich auch noch nicht, ob mir das gelingen wird, ob ich das kann. Ob ich überhaupt einen Verlag finden werde, ob ich Leser finden werde, aber ich wollte es einfach mal versuchen ... und das ist dabei rausgekommen.
Lesen Sie gerne selbst? Wenn ja, welche Genres faszinieren Sie am meisten? Auch etwas Historisches?
Früher habe ich historische Romane gelesen, jetzt gar nicht mehr. Da ich selber welche schreibe, lese ich lieber Fantasy, Science-Fiction oder einen Krimi als Kontrastprogramm.
In einem Ihrer Nachworte erzählen sie davon, dass Sie sich der Interessengruppe "Mark Meißen 1200" angeschlossen haben, welches Erlebnis in dieser Gruppe hat sie am meisten beeindruckt?
Überhaupt erst einmal dieses Zusammenkommen mit dieser Gruppe, ich hatte bis zum Erscheinen meines Buches überhaupt keinen Kontakt zu der mittelalterlichen Szene. Bis dahin hatte ich mein Wissen nur aus Büchern und aus Gesprächen mit Fachleuten.
Nachdem das erste Buch erschienen war, kam eine Fanmail und der Verfasser hat geschrieben, er würde einer mittelalter Gruppe in Dresden angehören, diese würde sich [Mark Meißen 1200]http://www.mark-meissen-1200.de nennen. Da dachte ich, wow, "Mark Meißen 1200", da leben wir ja am gleichen Ort und zur gleichen Zeit. Diese Gruppe würde ich gerne kennenlernen.
Die Gruppe hat mich dann zu einem Historienspiel eingeladen und da ist mir erst einmal bewusst geworden, wie akribisch es dort zu geht. Da ist alles selbst gemacht, die Kleider individuell genäht, die Borten von Hand gewebt, die Tische selbst getischlert, auch die Bänke, Truhen und so weiter. Außerdem beschäftigen sich die Mitglieder dort sehr intensiv mit dem höfischen Zeremoniell. Oder sie kochen am offenen Feuer nach mittelalterlichen Rezepten und lassen die Zeit dadurch sehr realistisch werden. Das hat mich sehr beeindruckt.
Ich habe mich auch auf Anhieb sehr gut mit der Gruppe verstanden und habe mich dann der Gruppe "Mark Meißen 1200" angeschlossen. Ich stehe mittlerweile auch mit etlichen anderen aus der Szene, wie "Hochmuot" und den ["Freien von der Karlshöhe"]http://www.die-freien-von-der-karlshoehe.de in Verbindung und habe da nicht nur wirklich gute Freunde gefunden und genieße das, sondern ich muss auch sagen, ich lerne von denen ungeheuer viel.
Klar, man muss recherchieren, in Büchern, man braucht zwingend die Fachliteratur, die Meinung von Experten. Das Ganze dann aber auch mal praktisch zu erleben, ist noch einmal ein ganz anderer Zugang. Es ist sehr wichtig, um ein reales Gefühl für diese Zeit zu bekommen.
Das Bild, was die meisten im kollektiven Bewusstsein vom Mittelalter haben, ist total verklärt, durch Märchen, aber auch durch alte Hollywood Schinken. Dieses "edeler Ritter", "liebreizendes Burgfräulein" und alles ist chic. Das hat aber mit dem wirklichen Mittelalter nichts zu tun. Realistisch war eine Burg kalt und rauchig, die Ritter plagte die Gicht. Es war einfach nur schmutzig, es stank. Aber trotzdem kann man es nicht als "das finstere Mittelalter" abtun, wie es die Nachfahren in der Neuzeit getan haben. Es war auch eine Zeit großer Umwälzungen, großer Entdeckungen und großer Bewegung. Aber es gab dort keine Individualität, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die romantische Liebe, das war alles noch nicht erfunden.
Wie teilen Sie sich Ihre Zeit zum Schreiben ein, haben Sie bestimmte Vorlieben?
Mein Arbeitstag beginnt in der Regel morgens um 9 Uhr und geht dann bis Open End. Wenn ich wirklich intensive Schreibphasen habe, sorge ich auch dafür, dass ich absolute Ruhe habe, kein Telefon, keine Termine, um richtig in der Geschichte versinken zu können. Nach ein bis zwei Wochen intensiver Schreibphase ist der Kopf erst mal leer, dann heißt es erstmal alles Ausdrucken, mal einen Tag liegen lassen, derweil alles liegen gebliebene erledigen, was in der Zeit angefallen ist wie Fanpost, die Steuer, Quellen noch mal nachlesen und so weiter.
Dann wird am Blatt gearbeitet, alles umgearbeitet, revidiert und dabei reifen dann schon die nächsten Szenen im Kopf und dann geht es mit dem Schreiben weiter.
Selbstverständlich braucht man eine große Disziplin, man kann nich einfach sagen: "Es klemmt gerade, jetzt mache ich mal drei Wochen nix" oder etwas in dieser Art. Dies kommt natürlich auch darauf an, wie weit der Abgabetermin noch in der Zukunft liegt.
Manchmal ist es selbstverständlich gut, das alles mal einen Tag hinzulegen und etwas ganz anderes zu machen. Ich besticke dann zum Beispiel mein Premierenkleid für die Lesungen oder so etwas. Meine Leser mögen es ja sehr, dass Ich bei den Lesungen mittelalterlich gewandet bin und dafür kann man nichts fertig kaufen, das muss man schon alles selber machen. Und dann mal einen Tag zu nähen oder zu sticken und zu sehen wie etwas unter den Händen wächst ist für mich eine richtig tolle Erholung, Befreiung und Ablenkung sein.
Wenn gar nichts mehr hilft, gehe ich noch mal zurück zu den Quellen oder arbeite an dem schon vorhandenen Text. Dann funktioniert das schreiben wieder.
Sie haben sich ja für das Genre historischer Roman entschieden, gerade hier liegt ja viel Recherchearbeit vor Ihnen. Wie sieht diese für sie aus?
Bevor ich den ersten Satz überhaupt geschrieben habe, habe ich mich ein Jahr lang in die Materie eingelesen, um überhaupt ein Gefühl für die Zeit zu bekommen. Ich habe aus Universitätsbibliotheken viel Fachliteratur gelesen und sehr viel mit Historikern gesprochen. Die Leute liefern mir dann auch viel, und das alles setze ich um, und wenn es nur in einem kleinen Nebensatz ist.
Die Fachleute sind dabei sehr wichtig, gerade bei der Fachliteratur kommt man schnell an den Punkt, wo man mehr Fragen wie Antworten hat. Ich habe da das große Glück, Historiker zu kennen, die dem Ganzen gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Zu denen kann ich kommen und meine Fragen stellen. Wenn es keine Belege gibt, kann ich mit diesen darüber diskutieren, welche die wahrscheinlichste Variante ist und jenseits der akademischen Gelehrsamkeit machen die das dann mit mir. Wir sagen dann wirklich mal, "Ok, das wäre logisch. Das und das ist eigentlich nicht logisch", dann diskutieren wir das aus sozusagen.
Dann braucht man die Experten für Geologie, für historischen Bergbau, für Münzwesen und Schwertkampf. Ich habe auch gezielt Leute gesucht, die historischen Schwertkampf nach alten Quellen rekonstruieren. Die choreografieren mir die Zweikämpfe und bei diesen Truppen bin ich auch mit einer zusammengekommen, die den Kampf zu Pferd trainieren. Da habe ich sehr viel gelernt, was die Reiter Formation angeht oder die Schlacht aus der Sicht des Reiters und wie die mittelalterliche Panzerreiterei funktionierte.
Bevor ich mit der Recherche angefangen habe, wusste ich fast nichts über das Mittelalter und jetzt führen die Recherchen mich immer tiefer in diese Zeit, eine wirklich spannende Entdeckungsreise, an der ich viel Freude habe.
Es gibt ja viele historische Romane, die gerade Frauen als starke Persönlichkeiten beschreiben, was macht diese Frauen so interessant für Autoren?
Das ist so ein bisschen Trend geworden, keine Ahnung. Ob die Verlage dabei an die weibliche Leserschaft denken? Ich habe da einen anderen Ansatz, ich möchte ja auch gerne die Männer als Leser haben.
Das mit der starken Frau muss man sowieso vorsichtig genießen, die starke Frau im Mittelalter, da gab es vielleicht eine Handvoll. Auch eine Fürstin hatte in der Regel den Mund zu halten und Söhne zu gebären. Sie durfte sich nicht öffentlich in die Belange ihres Mannes einmischen, sonst hätte sie ihren Mann auch in Verruf gebracht. Seine Gefolgsleute hätten gesagt: "Was ist denn das für ein Weichei der sich von einem Weib etwas sagen lässt?"
Es gab starke Frauen. Es gab auch Fürstinnen, die ihren minderjährigen Söhnen über viele Jahre das Erbe erhalten haben. Oder, die sich sogar angelegt haben mit anderen Fürsten, mit Geistlichen. Sicherlich das hat es gegeben, aber dies waren ganz seltene Ausnahmen. Frauen waren noch nicht einmal rechtsfähig. Sie durften keine Verträge machen, sie waren nicht mündig, sondern das Eigentum ihres Ehemannes in jeglicher Hinsicht. Frauen duften auch vor Gericht nicht sprechen, wenn eine Frau Klage erhob, muss sie einen Mann schicken, der an ihrer Stelle spricht, da man eine Frau per se schon mal nicht für fähig hielt, einen vernünftigen Gedanken zu fassen.
Fakten und Fiktion sind ja oftmals fließend zu sehen. Ist es vorstellbar, dass die eine oder andere fiktive Figur wirklich so gelebt und gehandelt hätte?
Gibt es in Ihren Romanen Figuren, die ein lebendiges Vorbild haben?
Ich glaube nicht, dass man Leute aus unserer Zeit so in das Mittelalter transferieren kann. Man mus sich immer in die Mentalität dieser Zeit reinversetzen. Solche Sachen, die heute selbstverständlich sind, dass eine Frau einen Mann anschaut, ihn anspricht, gab es da nicht. Die historischen Persönlichkeiten habe ich natürlich so genau wie möglich gestaltet, nach dem was wir heute über sie wissen, da habe ich mich sehr akribisch dran gehalten und die fiktiven Figuren müssen im Kontext der Zeit stimmen. Von den fiktiven Personen muss man von jeder sagen können: "Könnte es diese gegeben haben?", das ist mein Anspruch.
Warum lebt Ihrer Meinung nach, das Genre "historischer Roman" so auf?
Da gibt es denke ich mehrere Beweggründe. Für manche ist es bestimmt noch dieses romantisch verklärte Bild, aber ich merke es bei der Fanpost und den Begegnungen mit Lesern, dass diese wirklich ein Stück deutscher Geschichte erleben wollen. Dass die Menschen jetzt auch wissen wollen, was früher passiert ist und dadurch ein Stück Identität finden. Ich habe ja jetzt gerade dort, wo meine Romane spielen, in Sachsen-Anhalt, in Braunschweig, in Thüringen riesige Fangemeinden und die sind so froh, dass da ein Stück ihrer Geschichte lebendig wird. Ich bekomme aber auch Fanpost aus Gegenden, wo meine Romanfiguren überhaupt nie gewesen sind und die sagen nur: "So hätten wir es mal im Geschichtsunterricht hören müssen, dann hätten wir es uns auch gemerkt." Das Interesse der Deutschen an der eigenen Geschichte ist sehr wachsend.
Welche Überraschungen haben Sie schon bei der Recherche erlebt?
Ach, jede Menge, ich wusste zum Beispiel gar nicht, dass Sachsen zu der Zeit gar nicht das Gebiet war, das es heute ist. Ich finde dann auch viele Kleinigkeiten über zum Beispiel höfisches Benimm oder Details über Essgewohnheiten und so, die man dann einfach mal mit einem Halbsatz einbauen kann. Das freut die Leser ungemein, da etwas ganz Originelles zu erfahren.
Tauschen Sie sich mit anderen Autoren historischer Romane aus?
Nein, das nicht, ich bin zwar mit einigen Autoren im freundschaftlichen Kontakt, aber wir schreiben jeder für sich alleine.
Welcher Teil der "Hebammen"-Reihe gefällt Ihnen persönlich bisher am besten?
Der Vierte. Den finde ich bis jetzt den Stärksten, also ich arbeite hart, um den jetzt mit dem fünften, dem großen Finale, noch zu toppen.
Im Herbst erscheint der fünfte und letzte Teil der "Hebammen"-Reihe, für Ihr nächstes Buch haben Sie sich für eine ganz andere Epoche entschieden. Wie kam es dazu und dürfen Sie uns schon etwas darüber verraten?
Da werden wir in die Zeit der napoleonischen Befreiungskriege gehen, die Völkerschlacht bei Leipzig 1813. Die Leipziger selbst haben mich eingeladen, mit Blick auf die 200. Wiederkehr dieses Ereignisses im Jahr 2013 einen Roman über die Völkerschlacht zu schreiben. Hintergrundwissen sauge ich jetzt schon wie ein Schwamm auf, das Schlachtfeld habe ich schon besucht und auch an einem Biwak teilgenommen.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Gespräch genommen haben!
Ebert, Sabine - Das Geheimnis der Hebamme
Ebert, Sabine - Die Spur der Hebamme
Ebert, Sabine - Die Entscheidung der Hebamme
Ebert, Sabine - Der Fluch der Hebamme
Ebert, Sabine - Blut und Silber