Ein tolles informatives Interview durfte ich mit Renate Grubert, der Presseleitung der Verlage cbt und cbj der Random House Verlagsgruppe führen.
Es gibt immer mehr E-Books. Wieso unterscheiden sich in Deutschland die Preise zwischen E-Book und Printausgabe kaum?
Wir haben natürlich das Buchpreisbindungsgesetz in Deutschland. Man kann die Bücher also nicht einfach zu einem Preis verkaufen, der uns gefällt. Außerdem passieren beim E-Book eine ganze Reihe Arbeiten, wie auch beim gedruckten Buch. Lektorat, Marketing und Rechte bleiben im Arbeitsaufwand gleich. Das Honorar und die Gehälter der Verlagsmitarbeiter müssen genau so bezahlt werden, wie beim gedruckten Buch. Im Grunde fallen beim E-Book nur der Druck und das Material weg. Dieser Unterschied macht dann den geringen Preisunterschied aus.
Warum ist das in Amerika anders?
Dort gibt es das Buchpreisbindungsgesetz nicht. In Deutschland müsste man dann schon bei den Selbstverlegern gucken. Denn wenn sie selbst ein Buch als E-Book herausgeben, können sie den Preis selbst bestimmen. Da muss keine Bearbeitung vom Verlag bezahlt werden und somit kann entsprechend günstig das Angebot ausfallen. Damit jedoch bekannt zu werden ist hier in Deutschland schwierig, weil ihnen einfach der Vertrieb fehlt.
Kann es dennoch ein Sprungbrett sein, so wie bei Amanda Hocking?
Amanda Hocking ist ein Glücksfall, deshalb möchte ich nicht wirklich eine Prognose wagen. Natürlich kann das passieren, aber die Vermarktung spielt hier in Europa eine große Rolle. Ein selbst verlegtes E-Book muss natürlich entsprechend bekannt machen über Social Media Kanäle, Blogs und Internetportale. Möglicherweise gelingt es, wenn sie ein gut vernetzter Mensch sind. Dennoch wage ich es zu bezweifeln, denn bei all den Bemühungen, wird es nicht dazu reichen, davon zu leben. Also Hobby gesehen, ist das natürlich ein anderes Ding.
Sicher haben sich viele Verlage um Amanda Hocking gerissen, als es den Hype in Amerika gab. Wie gehen sie mit der Kritik an ihr um?
Ich lese die Kritiken und nehme sie war. Amanda Hocking ist ein amerikanisches Phänomen in jeder Schattierung. Vielleicht findet es deshalb nicht genau den gleichen Widerhall bei unseren Leserinnen. Das sind jedoch Vermutungen. Wir analysieren das natürlich. Man kann im Vorfeld nicht sagen: Es war ein Erfolg in Amerika, es wird bei uns auch einer sein. Wir arbeiten aber daran und versuchen alles das zu realisieren, damit es so wird. Der Lesegeschmack jedoch, das stellen wir fest, ist in Amerika ein anderer als bei uns.
Woran machen sie im Verlag fest, welches Buch sich gut verkaufen lässt?
Wir haben eine sehr gut eingespielte Lektoratsmannschaft. Die Lektoren bei uns sind sehr erfahrene Produktmanager. Im Ausland setzten wir auf Scouts, den Trüffelschweinen in literarischer Hinsicht. Sie suchen im englisch/amerikanischen, französischen oder italienischen Markt Produktionen, welche die deutschen Leser interessieren könnten. Dann geht es auf die Auktionen, wo wir auf die Bücher, die als Spitzentitel gehandelt werden, bieten. Wenn ein Titel im Ausland bereits erfolgreich verkauft wurde, ist das auch ein gutes Argument für den Kauf. Dementsprechend wird dann das Marketing ausgerichtet.
Wir haben auch deutschsprachige Autoren, die wir als Bestsellerautoren sehen und gut kennen. Auch hier wird der Rahmen des Marketings dann entsprechend aufgebaut.
Wer legt das Programm fest?
Das sind die Programmleiter zusammen mit dem Verlagsleiter und der Vertriebsleitung, im Bestfall mit dem gesamten Marketing.
Gab es auch schon den Fall, dass sie ein Manuskript abgelehnt haben und es bei einem anderen Verlag ein Bestseller wurde?
Ja, das gab es und man fühlt sich nicht gut dabei. Leider ist es nicht vermeidbar. Wir prüfen natürlich ganz viele Manuskripte und wägen ab was wir ins Programm aufnehmen, aber das kann passieren. Allein im Kinder- und Jugendbuchbereich werden so viele tausend Novitäten im Jahr herausgebracht. Potenziell lesen unsere Lektoren viel mehr Bücher, zigtausende Manuskripte. Da kann es passieren und da muss man eine gewisse Frustrationstoleranz entwickeln.
Aber wir haben Gründe für jede Ablehnung und das wird verschriftlicht. Das lesen mehrere Personen, sodass wir Gegendarstellungen bekommen und dann muss das entscheiden werden.
Im Allgemeinen höre ich immer wieder, dass sich Leser mehr in sich abgeschlossene Bücher oder Zweiteiler wünschen. Sehen sie das im Verlag auch so?
Ja, gerade unsere deutschen Originale, wie z. B. Liberty 9, werden bewusst als Zweiteiler oder als Einzelband produziert. Ich denke, der Überdruss an Trilogien ist groß im Handel. Bestenfalls funktioniert ein Mehrteiler durch rasche Taktung der Erscheinungstermine. Der Leser möchte nicht gerne zwei Jahre warten, sonst verliert er die Lust. Sowohl dem Verlag als auch dem Leser ist daran gelegen, Freunde beim Lesen zu haben, was schnelle Lieferzeiten positiv bedingen.
Aber manchmal sind die Bücher noch gar nicht geschrieben und dann müssen wir halt warten.
Bei Autoren, mit denen der Verlag gut zusammenarbeitet: Werden da schon mal Vorschläge gemacht, was geschrieben werden könnte?
Das passiert wechselseitig im Austausch mit dem Lektorat. Natürlich nicht gegen die Neigungen des Autors, denn der muss ja den Stoff leben. Nur dann bringt er ihn richtig zu Papier. Wir suchen da gemeinsam die passenden Themen.
Wie viel Mitspracherecht hat man als Autor?
Das ist unterschiedlich. Eindeutig ist die Sache bei der Titelformulierung, die liegt beim Verlag. Ebenso beim Cover. Da haben wir Agenturen, die sich nur darauf spezialisiert haben. Gerade bei Spitzentiteln legen wir dem Autor Vorschläge vor, die wir für richtig erachten. Es wird auch schon mal ausgetauscht, allerdings sind die Cover- und Titelgestaltung recht festgelegt.
Es würde auch zu weit führen, bei der Menge an Autoren, die wir betreuen.
Kann man überhaupt als Autor vom Schreiben leben?
Ganz allgemein kann ich das über Kinder- und Jugendbuch sagen, dass von all den Autoren, die sie hier auf der Messe vertreten finden, nur 10 % davon ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Leider ist das so. Der Traum ist von vielen da, aber die Honorare können nicht so groß sein. Die ganze Arbeit von der Verlagsseite braucht auch eine monetäre Energie.
Wenn man wirklich den Wunsch hat, das ist mein Lebensberuf, muss man sehr hart arbeiten und gleichzeitig Glück haben, dass es dann auch klappt.
Es hat viel mit Glück zu tun?
Es braucht natürlich erst mal strategisch eine Positionierung. Sie müssen den richtigen Verlag haben und selbstverständlich auch die Inhalte, die gelesen werden. Sonst nützt das beste Buch nichts.
Gibt es immer eine Standardabsage?
Mehr als tausend Einsendungen im Jahr sind nur mit einem Vorlektorat zu schaffen. Die Manuskripte werden angelesen und wahnsinnig viel mehr, als eine Standardabsage, kann man nicht machen.
Wird dabei auch mal ein Manuskript gefunden oder passiert alles über Lizenzen und Agenturen?
Ich lege den Autoren ans Herz: Sucht euch einen Agenten, der euch berät, das sind heute die sichersten Pforten in den Verlag. Der Markt ist vielfältig und die Literaturagenten können hilfreich sagen: Ich versuche dich bei dem Verlag unterzubringen, weil dein Text das dieses und jenes bietet.
Wir als Verlag können es gar nicht schaffen aus den tausenden Manuskripten so zu sichten, dass wir tatsächlich ein Programm finden. Drei Programme im Jahr bei der ganzen Random House Gruppe, mit gewissen Plätzen, Spitzentiteln, Marketingschwerpunkte, Reihenplätze usw., da muss sehr zügig klar sein, was im nächsten Programm der Nachfolgetitel von jeglichem Buch ist. Wir besetzen Programmplätze und können nicht schauen, was reinkommt. Das ist ein ganz anderer Planugsvorgang.
Wie lange dauert es, bis ein Manuskript von der ersten Einsendung beim Verlag, oder vom Kauf der Lizenz, im Buchladen erscheint?
Das kann langsam vonstattengehen, aber auch recht schnell, innerhalb von drei Monaten. In so einem Fall liegt allerdings etwas vor, was nur noch übersetzt werden muss. Das ist nicht der Normalfall. In der Regel braucht es ein Jahr.
Wie wichtig sind euch Blogger?
Wir haben in den letzten Jahren einen relativ großen Bloggerverteiler aufgebaut. Das sind mehrere hundert Personen, die wir so gut es geht, auch in unserer Presseabteilung betreuen und mit denen wir uns austauschen. Ich denke in den Blogs wird heute ganz viel Rezensionsarbeit geleistet, die früher von großen Printmedien bewältigt wurde. Da findet eine Verlagerung statt, der wir uns sehr wohl bewusst sind. Aber es ist sicher auch eine aufwendige Arbeit, mit den Blogs den Kontakt zu pflegen.
Wird ausgesiebt?
Wir haben einen Bloggerbogen, der ausgefüllt werden muss. Es gibt ein Anforderungsprofil und wir schauen ganz genau auf den Rücklauf. Eine gute Präsentation auf dem Blog ist wichtig. Ist die Verlinkung so gut, dass man die Bücher auch kaufen kann. All das muss stimmen. Erst dann funktioniert auch mittelfristig die Zusammenarbeit. Sicher müssen wir damit leben, wenn einmal ein Buch einfach abgegriffen wird, aber das wird nicht so häufig passieren. Wir gucken da schon genau.
Gibt es gewisse Kontingente bei den einzelnen Titeln?
Ja, das ist ganz klar, das muss auch so sein. Wir müssen uns in der Presse ja auch überlegen, wen wir damit ansprechen möchten und wie wir in die Promotion einsteigen wollen. Endlos geht das nicht, weil es auch kostet.
Wie gehen sie mit einer nicht so guten Rezension um?
Dann lass ich sie so stehen. Ich mache gar nichts. Ich kann nur ermuntern immer das zu schreiben, was man fühlt. Alles andere eignet sich nicht und ein Verriss, ein richtiger Verriss, ist vollkommen in Ordnung. Solange er sehr gut begründet ist und analytisch vorgegangen wird. Da steht dann sicher mehr Text, als bei einer begeisterten Rezension.
Vielen Dank an Frau Grubert für das tolle Interview. Es hat Spaß gemacht.
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