Interview mit Natalja Schmidt von der Literaturagentur Schmidt & Abrahams

Von Aisling @AislingBreith

Sehr gefreut habe ich mich über das Interview mit Natalja Schmidt. Die Agentur Schmidt & Abrahams wurde 2005 ins Leben gerufen und vertritt mittlerweile zahlreiche namhafte Autoren.

Was ist der besondere Reiz an dem Beruf der Literaturagentin und macht er immer noch Spaß?

Ja, er macht immer noch Spaß. Es gibt zwar eine gewisse Routine und somit auch Dinge, die nicht mehr so viel Spaß machen, aber da sind immer noch die besonderen Momente. Wenn man sieht, wie aus einem Rohdiamanten ein schön geschliffenes Juwel entsteht, das später im Handel toll präsentiert wird, freut es einen immer.

Wie siebt die Agentur bei den vielen Einsendungen aus?

Wir bekommen um die 80 Einsendungen im Monat. Die Vorauswahl macht meine Kollegin Kristina. Direkt abgesagt werden zunächst die Manuskripte, die inhaltlich gar nicht in unser Profil passen. Dann werden die Einsendungen gefiltert, die eindeutig noch nicht so weit sind. Da sind manchmal Bewerbungen von ganz jungen Autoren dabei oder eben unausgereifte Manuskripte. Was zurzeit am Markt zu schwierig zu vermitteln ist, fällt ebenso raus. Mit dem Rest, der danach übrig bleibt, setzen wir uns einmal in der Woche zusammen. Jede stellt die Texte vor, die ihr gefallen haben. Dann legen wir fest, ob wir etwas gleich zur Vermittlung übernehmen oder ein Gutachten erstellen lassen.

Müsst ihr euch einstimmig einig sein, oder gibt es auch den Fall, dass sich eine Person für ein Projekt durchsetzt?

Wenn eine von uns sagt, sie will etwas unbedingt machen, kann sie das natürlich tun, denn schließlich muss sie das Projekt auch betreuen. Meist sind wir uns jedoch einig.

Es hat doch auch viel mit Geschmack zu tun, oder?

Leider ist es einem nicht immer vergönnt, nach dem persönlichen Geschmack zu gehen. Man muss auch schauen, was gerade gut zu verkaufen ist. Da gibt es immer wieder Wellen. Wenn jemand etwas anbietet, was gerade vom Thema gefragt ist, sieht man sich das genauer an. Es ist aber nie schön, einem guten Manuskript eine Absage zu erteilen, weil es gerade nicht vermittelbar ist.

Erteilt ihr immer Standardabsagen, oder gebt ihr auch schon mal ausführlicheres Feedback?

Manchmal ja, aber das ist nicht die Regel. Man läuft sonst Gefahr, bald einen sehr regen Mailwechsel zu führen, der sich bei der Menge an Einsendungen einfach nicht bewältigen lässt. Deshalb gibt es meist die Standardabsage.

Was passiert bei einer Zusage?

Es wird vorab ein Vertrag an den Autor geschickt, damit er sich das ganz in Ruhe durchlesen und vielleicht mit einem Juristen besprechen kann. Nach der Unterzeichnung optimieren wir die Unterlagen. Wir arbeiten am Exposé und – zumindest mit unseren Debütautoren – auch an der Leseprobe, um beides anschließend den Verlagen vorzustellen. Das passiert auf der Messe oder indem wir die Verlage direkt anschreiben. Im besten Fall gibt es mehrere Verlage, die einen Stoff haben wollen, und es kommt zu einer Auktion. Es passiert natürlich auch mal, dass sich gar kein Verlag interessiert und man gemeinsam mit dem Autor oder der Autorin überlegen muss, woran es gelegen hat.

Ist euch auch schon mal ein »dicker Fisch« durch die Lappen gegangen?

Ja. Es gibt immer wieder gute Stoffe, bei denen die Kollegen auch nicht lange zögern. Die Autoren schreiben in der Regel mehrere Agenturen gleichzeitig an, und es kommt schon vor, dass eine andere Agentur schneller war. Das passiert uns, glaube ich, von Zeit zu Zeit allen.

Habt ihr bei erfolgreichem Verkauf dann noch was mit dem Lektorat zu tun?

Nein, zu dem Zeitpunkt haben wir nichts mehr damit zu tun, außer es »klemmt« zwischen Autor und Lektor, dann vermitteln wir schon mal zwischen beiden Parteien. Das Lektorat ist aber Sache des Verlages.

Wie viel Mitspracherecht hat der Autor bei Exposé und Leseprobe, die an den Verlag gehen?

Wir lektorieren die Leseprobe und schicken sie an den Autor, der dann natürlich entscheiden kann, ob er die Vorschläge annimmt, oder nicht. Beim Exposé ist das ein bisschen anders. Die Autoren haben oft Schwierigkeiten, sich kurz zu fassen und meinen – besonders oft in der Fantasy –, dass wirklich alle Personen, Orte und Plotstränge ausführlich erklärt werden müssen. Da bringen wir dann präzise das aufs Blatt, was für die Lektoren der Verlage interessant ist. Wir kürzen die Exposés auf max. vier Seiten.

Wie risikoreich ist ein Genremix?

Hier ist eine pauschale Antwort schwierig. Manche funktionieren gut, manche gar nicht. Gestaltwandler in Kombination mit einer Liebesgeschichte erfreuen sich ja einer großen Beliebtheit. Bei Fantasykrimis hingegen wüsste ich nicht ein Beispiel, welches gut gelaufen ist.

Gibt es in den Genres Richtwerte, wie lang ein Text sein sollte?

Die Verlage zucken natürlich zusammen, wenn man 1000 Seiten geschrieben hat. Alles bis zu 500 Seiten ist aber meist kein Problem.

Verkauft ihr mehr Manuskripte auf den Messen?

Auf den Messen habe ich das Gefühl, dass sonst auch schwerer vermittelbare Stoffe besser zu verkaufen sind, weil man sich gegenübersitzt. So kann man dann die Begeisterung für ein Manuskript im Gespräch besser herüberbringen. Ein Thema, das gerade sehr gesucht wird, lässt sich auch außerhalb der Messen gut verkaufen. Auf den Messen wird natürlich manches direkt verkauft, und man bekommt bei der eigenen Titelliste schnell heraus, welcher Stoff das größte Potenzial besitzt.

Wie unterscheiden sich die Messen?

Leipzig ist eher eine Lesermesse, wo wir auch privat hinfahren würden. Dort gibt es viele Lesungen, viel Show und attraktive Angebote für die Besucher. In Frankfurt, Bologna und London ist ein Großteil des Angebots auf Fachbesucher und Aussteller ausgerichtet, dort überwiegen die Geschäfte. In Frankfurt absolvieren wir ca. 80 Termine in fünf Tagen.

Bekommt ihr bei den ganzen Lizenzgeschäften eure deutschen Autoren da noch unter?

Für deutsche Debütautoren ist es oft schwierig, das kann ich nicht schönreden. Trotzdem gibt es jedes Jahr auch eine Vielzahl von Neuerscheinungen von deutschen Autoren. Bei Thrillern, Sagas und im historischen Bereich gibt es z.B. viele erfolgreiche deutsche Autorinnen und Autoren. Und wir haben insgesamt schon viele Debuts vermitteln können, worüber wir uns immer besonders freuen.

Wird Fantasy irgendwann mal verschwinden?

Ganz verschwinden wird das Genre sicher nicht. Die Fantasy hat sich bei den Lesern etabliert, und einige Titel laufen ja auch immer noch ganz ausgezeichnet (z.B. „Game of Thrones“). Der ganze Hype, der nach »Twilight« kam und die vielen Me-too-Veröffentlichungen jedoch werden wohl weniger und weniger werden.

Was glaubt ihr, wo die Reise hingeht?

Ich glaube, dass wüssten wir alle gern!

Wie haltet ihr es mit den Autoren, die total auf ihre Welt fixiert sind. Schlagt ihr denen auch mal Alternativen vor?

Das hängt ganz stark vom Autor ab. Es gibt Autoren, die sehr vielseitig interessiert sind, und bei diesen bietet es sich an, auch mal neue Themen vorzuschlagen. Andere würde man eher davon absehen. Schließlich ist es wichtig, das der Autor sich mit dem Projekt, an dem er oder sie schreibt, wohl fühlt.

Wie erfolgreich muss man sein, um hauptberuflich als Autor leben zu können?

Das hängt von ganz verschiedenen Faktoren ab. Bei manchen Autoren reicht ein einziges erfolgreiches Buch, um davon leben zu können, Andere schreiben jahrelang mit bescheidenem Erfolg, bis ihre Bücher schließlich bei den Lesern ankommen. Die wenigsten Autoren haben allerdings das Glück, von einem einzigen oder von wenigen Büchern wirklich auskömmlich leben zu können. Viele hauptberufliche Autoren schreiben im Jahr mehrere Titel für verschiedene Verlage oder übernehmen auch mal Auftragsarbeiten unter Pseudonym. 

Ist das ein Auswahlkriterium: Die Einstellung des Autors und die Produktivität?

Nein. Es gibt Autorinnen und Autoren, die sehr langsam sehr gute Bücher schreiben, und die wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Professionalität im Umgang mit Texten wird aber vorausgesetzt. 

Wenn ihr von einem Autor überzeugt seid, aber das Manuskript sich nicht verkaufen lassen will, wie lange versucht ihr es?

Es gibt ja nur eine endliche Anzahl von Verlagen, denen man ein Manuskript anbieten kann. Erst bietet man es den großen Verlagen an, einfach weil Garantiezahlungen und Auflagenhöhen hier für die Autoren am vorteilhaftesten sind, und danach den mittleren und kleinen Verlagen. Manchmal sagen wir aber auch: Okay, damit hast du dich zwar beworben, aber leg diesen Stoff doch vielleicht erst einmal in die Schublade und lass uns zusammen etwas Neues entwickeln. 

Wie lange ist man bei euch unter Vertrag?

In der Regel machen wir unbefristete Verträge, manchmal aber auch zuerst einen Jahresvertrag, der dann verlängert werden kann. Viele unserer Autoren sind schon seit den Anfangsjahren bei uns, aber manchmal – wie in jeder Beziehung – merkt man aus verschiedenen Gründen, dass man gemeinsam nicht weiterkommt. Prinzipiell streben wir aber immer eine langfristige Zusammenarbeit an. Uns geht es weniger um One-Hit-Wonder als darum, Autoren aufzubauen.

Vielen Dank für die Zeit und das nette Gespräch!


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