Viel Spaß!
Liebe Lea, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Zu Beginn erzähle doch kurz etwas über dich.
Was gibt es über mich zu erzählen? Ich bin mit einem Franzosen verheiratet, habe zwei Kinder (9 und 14), einen (reichlich!) verrückten Hund und eine schwarze Katze, die auch nicht viel normaler als der Hund ist.
Seit etwa 18 Jahren lebe ich überwiegend in Spanien. Mit 12 war ich mit meinen Eltern zum ersten Mal am spanischen Mittelmeer und habe „beschlossen“, dass ich dort leben will. Mit dem Schreiben war es ähnlich: Das war auch so ein früher “Beschluss”. Dass später in der Tat beides geklappt hat, zeigt, dass man seine Kinderträume manchmal doch in die Tat umsetzen kann.
Zwei Veröffentlichungen, viele gute Rezensionen und gerade erst in einer neuen lovelybooks-Aktion neben vielen namhaften Autoren vertreten. Du startest durch – vom anderen Ende Europas…
Wie fühlt sich so viel Erfolg an?
Ich freue mich natürlich riesig, dass vor allem mein neuer Roman „Die Maurin“ ein so großes Echo erfährt! Vor allem sage ich deswegen, weil mir gerade „Die Maurin“ besonders am Herzen liegt. Neben dem historischen Hintergrund und Zahra as-Sulamis Geschichte geht es in diesem Buch auch um die Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen. Das Buch zeigt, dass wir über viele Jahrhunderte schon einmal sehr gut miteinander ausgekommen sind. Toleranz und Verständnis füreinander waren damals die großen Stichworte. Und ich würde mir wünschen, dass wir wieder zu einem friedlichen Miteinander zurückfänden.
Gehen wir einmal zurück zu den Anfängen: Was war dein erster Roman? Und wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, Bücher zu schreiben?
Dass ich „später“ einmal schreiben wollte, habe ich schon sehr früh beschlossen, mit 12 oder 13, und das mit der gleichen Naivität wie andere in dem Alter beschließen, Tierarzt, Astronaut oder Lokomotivführer zu werden. Ich war schon damals eine absolute Leseratte und dachte, es müsse wunderbar sein, nie etwas anderes tun zu müssen, als immer nur zu lesen und zu schreiben – und das finde ich noch immer.
Aber bis es dann wirklich Realität geworden ist, hat schon noch ein wenig gedauert: Zuerst habe ich, vor allem zur Beruhigung der Nerven meiner Mutter, einen Brotberuf studiert – aber nachdem ich meine Diplome als Dolmetscher und Diplomökonom in der Tasche hatte, habe ich dann gleich mit dem Schreiben losgelegt. Als mein erster Roman fertig war, habe ich ihn an eine Agentur geschickt, die diesen Roman zwar nicht wollte, weil er ihnen mit seinen 850 Seiten zu dick war, mir aber ein anderes Projekt vorgeschlagen hat: einen Frauenroman. Und so kam es zu meinem ersten dann auch veröffentlichten Roman.
Nachdem du nun den ersten Schritt in die große Welt des Schreibens getan hattest, wie ging es weiter? Vor allem: Wie ist es dazu gekommen, dass du angefangen hast, historische Romane zu schreiben?
Ich habe zunächst noch zwei weitere Frauenromane geschrieben, dann einen Entwicklungsroman – und bei diesen Recherchen festgestellt, dass mir das Nachforschen und Suchen nach Informationen großen Spaß macht. Da ich mich außerdem schon immer sehr für die Geschichte meiner Wahlheimat interessiert habe, war es von da nur noch ein kleiner Schritt zu meinem ersten historischen Roman.
Als du schon mit dem Schreiben von historischen Romanen begonnen hast, ist eine deiner Kurzgeschichten auch in einer Anthologie erschienen. Der eigene Name in mitten vieler anderer. Wie ist deine Geschichte in dieses Sammelwerk gekommen?
Nachdem „Die Nonne mit dem Schwert“ veröffentlicht worden ist, bin ich in die Autorenvereinigung Quo vadis eingetreten, in der sich inzwischen über 100 Autoren historischer Romane zusammengeschlossen haben. Ruben hatte die Idee, dass wir eine gemeinsame Anthologie herausbringen sollten: „Das steinerne Auge“. Es ist eine Sammlung von historischen Kurzgeschichten von der Antike bis fast in die Neuzeit; in jeder von ihnen spielt ein Achat eine mehr oder minder große Rolle. Ich war natürlich sofort begeistert und habe bei diesem Projekt sehr gern mitgemacht.
„Die Nonne mit dem Schwert“ spielt in Spanien. War die Wahl dieser Schaustätte persönlicher Natur? Schließlich lebst du im schönen Spanien.
Ja, genau, da ich in Spanien lebe und sehr gut Spanisch spreche, war es sowohl für mich als auch für meinen Agenten naheliegend, dass ich mir ein Thema aussuche, das ich von dort aus gut recherchieren kann.
Wie kamst du zur Handlung? Ist sie dir über den Weg gelaufen, hast du sie zusammenkonstruiert, oder ist sie vielleicht sogar aus dem Alltag heraus entstanden?
Ich habe damals eine Umfrage in meinem (spanischen) Freundeskreis gestartet: Welche historische Frauenfigur fasziniert euch am meisten? – Außer einigen Königinnen und Teresa de Avila fiel dabei auch der Name von Catalina de Erauso, die im 17. Jahrhundert gelebt hat. Ihre Eltern hatten sie schon früh in ein Kloster gesteckt, wo Catalina sich allerdings vom ersten Tag an nicht wohl gefühlt hat. Sie war zu wild, zu freiheitsliebend und wollte „die große Welt“ kennen lernen. Als der Tag der Weihe nahte, sah sie die Möglichkeit zur Flucht und hat diese auch sofort ergriffen. Als Frau hätte Catalina damals kaum ein Auskommen finden können und überdies suchten ihre Eltern sie natürlich; also stibitzte sie sich die Kleider eines Jungen und lebte fortan mit aller Konsequenz als Mann. Sie hatte ein sehr aufregendes Leben, und da sie später, als sie in Spanien und in Südamerika schon zu einiger Berühmtheit gelangt war, auch eine Autobiografie darüber geschrieben hat, ist auch heute noch sehr viel darüber bekannt. Diese Autobiografie, die den Titel „Die Nonne Fähnrich“ trägt, ist die Grundlage meines Romans.
Aus einem Hintergrundbericht zu deinem ersten Roman erfährt man, dass die weibliche Hauptperson die Erlaubnis vom Papst persönlich hatte, in Männerkleidern zu leben. Eine ziemlich spektakuläre Story. Ist auch dies wirklich alles passiert?
Zwei Jahrhunderte vor Catalina lebte die berühmte Johanna von Orleans. Johanna wurde unter dem Vorwand, die Haare „nach Sklavenart kurzgeschoren“ und Männerkleidung getragen zu haben, auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In Europa ging die Inquisition um. Catalina war genau der gleichen Gefahr ausgesetzt: Wenn jemand herausfand, dass sie in Wahrheit eine Frau war, würde auch sie vor einem Inquisitionsgericht enden! Und in der Tat „fliegt“ sie an einer bestimmten Stelle des Romans „auf“ – und in ihrem wirklichen Leben natürlich ebenso! Ihre ganze Geschichte war auch aufgrund der großen Taten, die sie „als Mann“ vollbracht hatte, so spektakulär, dass man dann in Spanien nicht wagte, sie einfach hinzurichten, sondern sie in der Tat dem Papst vorführte. Aber wie der dann entschied und wie das Ganze weiterging, kann ich hier natürlich nicht verraten.
War die Recherche schwierig, stellte sie dich vor Hindernisse?
Die Recherchen zu „Die Nonne mit dem Schwert“ waren eigentlich nicht so schwierig. Diese Zeit ist gut dokumentiert, aber die Recherche war trotzdem sehr aufwendig, weil ich natürlich auch viele Details recherchieren musste: Wie lebte man zu der Zeit? Wie ging es auf einem Schiff zu? Und überdies spielt ein Teil des Romans in Südamerika, so dass ich auch die dortige Geschichte und Lebensumstände recherchieren musste.
Mittlerweile ist dein zweiter historischer Roman bei Knaur erschienen. Auch dieser spielt wieder in Spanien. Der Unterschied, diesmal spielt es aus der Sicht der Mauren.
Wie bist du an diese Recherche herangegangen?
Bei „Die Maurin“ war das historische Geschehen rund um die letzten fünfzehn Jahre der Reconquista meine Ausgangsbasis. Davon ausgehend habe ich dann den Roman geplant, was schon ein ziemlich aufwändiges Unterfangen war. Nachdem ich diese letzten Jahre der Reconquista sehr genau studiert hatte, habe ich mir überlegt, welche Ereignisse hiervon die Wichtigsten waren. Aufgrund dieses Grundgerüsts habe ich fiktive Personen gesucht, die all dies am eigenen Leib miterleben konnten und auch selbst eine interessante Geschichte haben – und so entstanden Zahra as-Sulami und ihre Familie. Es war mir wichtig, ihr Leben und das ihrer Familie so mit der wahren Historie zu verweben, dass ein einziger, neuer Guss entsteht und der Leser dabei alle wichtigen Ereignisse der Reconquista so vermittelt bekommt, als wäre er quasi dabei – weil er mit Zahra und den ihren mitfühlt und mitleidet.
Hast du wieder „Klinken putzen“ müssen oder kam der Vertrag „freiwillig“?
Da sich „Die Nonne mit dem Schwert“ gut verkauft hat, war der Verlag auch selbst daran interessiert, dass es weitergeht – und ich natürlich auch. Ich habe dann ein Exposé geschrieben und es zusammen mit ein paar Probekapiteln vorgelegt … und kurz darauf bekam ich auch schon den Vertrag für „Die Maurin“.
Du hast als Protagonisten bisher sehr starke Charaktere gewählt. Kannst du dich mit ihnen vergleichen?
Mit Kämpfernaturen kann ich mich schon besser identifizieren, weil auch mich Widerstände nicht bremsen, sondern eher dazu veranlassen, alles aus mir herauszuholen. Von daher kann ich mich auch sehr gut mit dieser Weisheit von Seneca identifizieren, die ich der „Maurin“ vorangestellt habe: „Nicht, weil die Dinge uns unerreichbar erscheinen, wagen wir nicht – weil wir nicht wagen, erscheinen sie uns unerreichbar.“
Was hat dein Interesse so für die Religionskonflikte zwischen Mauren und Christen geweckt?Ein gewisses Interesse hatte ich auch schon, bevor ich mit dem Roman begonnen habe, aber in aller Konsequenz kam dies eigentlich erst durch die Arbeit an der „Maurin“. Da die Mauren Muslime waren, musste ich mich außer mit den geschichtlichen Ereignissen natürlich auch mit dem Islam auseinandersetzen und fand dies zunehmend faszinierender. Es ist eine fremde Welt für mich gewesen, die mir aber zunehmend vertrauter wurde. Dabei ist mir aufgefallen, dass ein Großteil der heutigen Konflikte zwischen Christen und Muslimen auch darauf beruht, dass wir einfach zu wenig voneinander wissen. Ich finde es schade, ja, sogar nicht mehr zeitgemäß, dass in den Schulen weiterhin vor allem oder sogar nur die eigene Religion und die Geschichte des eigenen Landes vermittelt werden. Die Globalisierung müsste auch in den Schulen Einzug einhalten: nur wenn ich „den anderen“ kenne und verstehe, kann ich eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm aufbauen.
Wie viel Zeit hast du in die Recherche der damaligen religiösen Abhandlungen und Sitten verwendet? Ist das dem heutigen Alltag noch sehr ähnlich, oder hast du viele Unterschiede entdeckt?
Die Recherche war schon sehr umfangreich: drei Jahre habe ich für „Die Maurin“ gebraucht, und ein nicht geringer Teil fiel dabei allein auf die Recherche. Erschwerend kam hinzu, dass der Inquisitor Cisneros nach dem Ende der Reconquista Bücherverbrennungen in unglaublichem Ausmaß veranlasst hat. Dadurch sind viele Erinnerungen, Berichte, Daten und natürlich auch ein Großteil der reichen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Mauren für immer in Flammen aufgegangen. Aus diesem Grund kann man heute viele Informationen über die Mauren nur noch bei Fachleuten finden. Mein Glück war, dass der Bruder einer Freundin von mir an der Universität von Cádiz (Spanien) Professor für Arabistik und Islamwissenschaften ist. So hatte ich eine überaus kompetente Anlaufstelle für all die Fragen, die ich nicht allein durch das Lesen von Büchern oder Recherchereisen beantworten konnte. Ich bin Prof. Dr. Jordi Aguadé und seiner muslimischen Frau Laila Benyahia unendlich dankbar für ihre Hilfe.
Der Vergleich zwischen damals und heute ist schwer. Es gab und gibt sehr große Unterschiede zwischen Muslimen und wie sie ihren Glauben praktizieren. Überdies denke ich, ist es wichtig, nicht in erster Linie den Christen oder den Muslimen, sondern vor allem den Menschen zu sehen.
Bist du selbst religiös?
Ich bin fest davon überzeugt, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, aber religiös in dem Sinne, dass ich an eine der Religionen glaube, bin ich nicht. Ich bin sehr interessiert an den Religionen, und zwar an allen, und denke, sie sind wichtig: als Hoffnungsspender und als moralischer Leitfaden. Die Kriege und Auseinandersetzungen lösen ja auch nicht die Religionen aus, sondern „die“ Menschen. In jeder Religion gibt es das Gebot „Du sollst nicht töten“ und die Aufforderung, seine Mitmenschen zu achten und zu lieben. Würden wir das alle tun, ginge es der Menschheit um einiges besser. Ich denke, Toleranz ist das „Zauberwort“.
Wie sieht so ein typischer Schreibtag bei dir aus?
Sehr starr und schematisch: Kaum sind die Kinder aus dem Haus, setze ich mich auch schon vor den PC. Nach dem „Warmschreiben“ durch das Beantworten meiner Mails oder Facebook- und Twitternachrichten beginne ich mit dem Schreiben. In der Regel setze ich mir als Ziel, wenigstens sieben Seiten am Tag zu schreiben, aber zuvor überarbeite ich immer die Kapitel der letzten ein bis drei Tage.
Für die historischen Romane ist natürlich viel Recherchearbeit nötig. Das Gros davon mache ich, bevor ich mit dem Schreiben anfange, aber auch beim Schreiben gibt es immer noch Dinge, die man recherchieren muss. Aber wenn ich erst einmal mit einem Buch angefangen habe, stehen diese sieben Seiten schon ganz oben auf meiner Liste. Zur Not muss die Nacht zum Recherchieren herhalten.
Derzeit habe ich auch einige Leserunden laufen, so dass auch dies Teil meiner Arbeit ist. Der Kontakt mit den Lesern ist mir sehr wichtig – und das war auch der Hauptgrund für mich, mich bei facebook und twitter „einzuklinken“.
Wenn du gerade nicht schreibst, was machst du dann?
Da ich eine Familie mitsamt zwei Kindern habe, bleibt da neben dem Schreiben gar nicht mehr so viel Zeit für anderes. Ich gehe mit unserem Hund spazieren, lese auch selbst gern und viel, mache Yoga und spiele Klavier. Entspannung pur ist für mich ein Bad im Meer. Teilweise lese ich auch meine Manuskripte oder Fachbücher am Strand oder im Strandcafé. Eigenartigerweise kann ich mich dort am besten konzentrieren und nehme das „Gewusel“ dort um mich herum gar nicht wahr.
Sicher quälst du deine Tastatur schon wieder stundenlang. Kannst du den Lesern schon einen winzigen Vorgeschmack auf dein nächstes Buch geben? Und wird es wieder spanisch geprägt sein?
Ich plane einen neuen historischen Roman, der in dem Spannungsfeld der drei großen Religionen spielen wird: dem Islam, dem Christen- und dem Judentum. Mit dem Ende der Reconquista bricht dieser Konflikt nämlich erst richtig auf! Es ist gut möglich, dass er die Fortsetzung von „Die Maurin“ wird.
Was wolltest du deinen Lesern schon immer mal sagen?
Nun, vor allem wohl, dass wir Autoren nichts ohne sie, die Leser, wären. Ich freue mich über den persönlichen Kontakt zu meinen Lesern, kann versprechen, dass ich sowohl auf E-Mails als auch auf Facebook- oder Twitternachrichten immer recht prompt antworte und kann deswegen alle nur animieren, mir einfach mal zu schreiben!
Und zum Schluss vervollständige bitte diese Sätze:
Schreiben ist….
mein Leben.
Ich bin glücklich, wenn…
meine Familie es auch ist.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei dir für dieses Interview!