Comics und Graphic Novels sind noch Neuland für mich. Es ist also allerhöchste Zeit die Segel zu setzten und mich auf Entdeckungstour zu begeben, und so habe ich mir von Max aus dem Splitter Verlag erst einmal den Unterschied der beiden Kunstformen erläutern lassen.
“Comic” bezeichnet die gesamte Kunstform zumindest im Westen (Manga funktioniert etwas anders und würde zusammen mit Comic eher als “sequentielle Kunst” bezeichnet werden. Eine feinere Aufteilung westlicher Comics in US-Comics und frankobelgischen Bandes dessinées kann man auch vornehmen, auf Basis der Publikationsform). “Graphic Novel” war ursprünglich ein reiner Marketingbegriff, um die “Schundliteratur” Comic aufzuwerten. In den USA werden in sich geschlossene Comicbücher meistens als Graphic Novel bezeichnet, unabhängig vom Genre, Stil etc. In Deutschland hat es sich durchgesetzt, thematisch ernstere und/oder anspruchsvolle Comics, die meistens von nur einer Person geschrieben und gezeichnet wurden (im Gegensatz zur in vielen anderen Ländern üblichen Arbeitsteilung zwischen Szenarist und Zeichner/Kolorist), als GraNo zu bezeichnen. Damit heben die Verlage sie von Genrecomics ab und macht sie dem allgemeinen Buchhandel und dem Feuilleton schmackhaft. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist der Begriff Graphic Novel allerdings komplett überflüssig und irreführend.
Außerdem war Max so nett, mir zu seinem Comic-Tipp “Radius – Rebellion” auch gleich noch den Kontakt zur Zeichnerin Katrin Gal zu vermitteln. Vielen Dank dafür und nun wünsche ich euch viel Spaß mit dem Interview…
Bella’s Wonderworld: Hallo Katrin, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für ein Interview mit mir über Comics und dein Debüt „Radius – Rebellion“ nimmst.
Würdest du Dich zu Beginn bitte mit ein paar Worten zu Deiner Person vorstellen?
Katrin Gal: Heyhey ich bin Katrin – online besser bekannt als radacs. Ich bin Gameartist bei Tag und Comiczeichner bei Nacht, aber ehrlich gesagt würde ich mich gar nicht als Künstler vorstellen, sondern als Geschichtenerzähler. Ich erzähl sie nur eben zeichnerisch ;)
© Katrin Gal
Bella’s Wonderworld:Im Netz bist Du unter dem Pseudonym „Radacs“ bekannt. Was verbirgt sich dahinter? Hat das Pseudonym eine spezielle Bedeutung für Dich?
Katrin Gal: Es hilft mir persönlich, meinen art-journey vom Alltag zu trennen, bzw. der Künstlername ist heutzutage wie ein Image, zumindest online, aber ganz am Anfang hatte ich diesen zum Schutz der Privatsphäre angenommen. Es ist nicht wirklich ein Doppelleben und mittlerweile sind die Grenzen relativ verwischt, aber radacs ist trotzdem die coolere von uns beiden, sie zeichnet Comics, fährt auf Cons und surft auf Sozis, während Katrin Knöllchen kriegt, den Haushalt erledigt und zur Arbeit geht.
Bella’s Wonderworld: Ich selbst bin noch recht frisch im Comic-Bereich. Aus meiner Kindheit kenne ich noch die Lustigen Taschenbücher und auch einige Asterix Comics. Welches waren Deine ersten Comics und gibt es einen Comic der deine Leidenschaft, selbst zu zeichnen entfacht hat?
Katrin Gal: In meiner früheren Kindheit war ich ein begeistertes Pferdemädchen und habe dementsprechend Pferdemädchen-Magazine gekauft wie Wendy, Lissy, Jessy & Co. Und glaub mir – ich hatte sie alle :D
Obwohl meine Liebe zu Pferden bis heute nicht verblasst ist, hat Batman diese aber im Bezug auf Comics etwas “gezügelt”. In den früheren 2000ern bin ich mit der Serie “Batman Beyond” in die Franchise eingestiegen und habe später mit den Comicreihen das Batman-Universum weiter erkundet.
Da ich aber schon immer gezeichnet hatte und auch schon Comics bzw. sequential art gemacht hatte, noch bevor ich überhaupt genau wusste was das ist, hat Batman mir eher eine stilistische Orientierung gegeben und die Begeisterung für düstere Farben und kantige Formen gesät. (Ich hab bis zur Grundschule wirklich fast nur Pferde gezeichnet und wäre mir Batman damals nicht in die Hand gefallen, wäre das wohl auch bis heute noch so…)
© Katrin Gal
Bella’s Wonderworld: Gibt es Comics die eine besondere Bedeutung für dich haben?
Katrin Gal: Webcomics! Und eine besondere Bedeutung haben sie gerade deswegen, weil ich mit der Entdeckung von Webcomic Portalen bzw. online-art-communities (damals waren es vor allem animexx und deviantArt) zum ersten Mal das Gefühl hatte, mit meinem Hobby kein Einhorn zu sein, denn in meinem realen Umfeld wurde ich damit nie ernst genommen. Ich hatte eben “Gleichgesinnte” getroffen, man konnte sich darüber austauschen und es hat mir auch selbst Mut zum Veröffentlichen meiner Arbeiten gegeben. Und der Supergoal war vor allem, dass man dann online – kostenlos – coole Comics aus allen möglichen Stilrichtungen lesen konnte ;)
Bella’s Wonderworld: Welche Comics würdest du einem Einsteiger wie mir empfehlen?
Katrin Gal: Ich würde nicht von mir behaupten den perfekten Einsteiger Comic zu kennen oder die Liste mit obligatorischen Klassikern die man gelesen haben muss (selbst wenn es sowas gibt, habe ich meine Hausaufgaben auch nicht gemacht…)
Ich denke der perfekte Einstieg könnte potenziell jeder Comic sein, der dich beim ersten Durchblättern visuell anspricht, denn die visuelle Präferenz ist bei jedem Leser individuell und Comics sind ja auch irgendwo Kunst und Kunst ist subjektiv.
Meiner Meinung nach könnte aber ein Comic mit einem klar erkennbaren Zeichenstil, einem ausgeglichenen Layout und mit nicht allzu viel Text einen guten Anfang machen. Und wenn ich an dieser Stelle eine direkte Empfehlung machen darf, dann würde ich Dir und jedem anderen “Warship Jolly Roger” ans Herz legen.
Klarer stil, gut lesbare Charakter, harmonische Farbgebung – visuell hat es viel zu bieten, aber nicht so viel, dass man sich in Interpretation verliert. Der Panel Inhalt korrespondiert gut mit dem Text, aber die Bilder können auch für sich sprechen. Und die Story ist super spannend aufgebaut! Grob gesagt, es handelt sich um Space-Piraten, die sich in ein so-nicht-geplantes-Abenteuer reinstürzen. Action, Humor und Spannung garantiert!
Bella’s Wonderworld: Wie kann man sich Deine Arbeit an einem Comic-Projekt vorstellen?
Katrin Gal: Es fängt damit an, dass ich jede Szenen wie einen fertigen Film bzw. Cut-Szene in meinem Kopf sehe und diesen versuche dann auch so aufzuzeichnen. Zwar notiere ich mir das dazugehörige Script bzw. die Dialoge zuerst, aber dieser Text ist in den meisten Fällen provisorisch und wird im nachhinein überarbeitet.
Die eigentliche Magie passiert im Storyboard – also beim ersten “zeichnerischen notieren” der Szene. Dabei ist es mir relativ wichtig das kinematografische dran zu erhalten, daher zeichne ich die Szene zuerst in Einzelbildern auf und überlege mir im nächsten Schritt wie ich das Layout/ Paneling passend zum flow der Szene organisiere.
Der nächste spannende Schritt ist das Sketchen der jeweiligen Panels, zwar lege ich den “Kameraausschnitt” im Storyboard schon ungefähr fest, aber beim Sketchen liegt der Fokus primär auf der Komposition aller im Panel relevanten Objekte.
Anschließend kommt die Ausarbeitung, also linen, colorieren, optionale Effekte, lettern…und voila – am Ende hat man einen fertigen Comic ;)
© Katrin Gal
Bella’s Wonderworld: Ist es richtig, dass bei den meisten Comics das Zeichnen und Lettern von zwei verschiedenen Künstlern übernommen wird? Welche Vor- und Nachteile hat diese Aufteilung deiner Meinung nach? Gibt es einen Grund warum du dich dazu entschieden hast beides selbst zu erledigen?
Katrin Gal: Das Lettern an sich ist ja nur ein Prozess, indem der finale Text in die Sprechblase eingefügt wird. Zwar lettere ich meine Layouts auch selbst, da ich von vorne rein großen Wert auf die Komposition innerhalb des Panels lege und daher die Platzierung und Größe der Sprechblase in diesem Schritt schon festlege, aber dennoch ist das eher provisorisch und dient mir primär zu Orientierung, denn das finale Lettering wird von der Redaktion übernommen, nachdem der Text auch lektoriert bzw. auf seine Sprachrichtigkeit überprüft wurde.
Ich sehe darin aber eher einen Vorteil und grundsätzlich ist es sehr hilfreich, wenn es jemanden gibt, der mit dem Text helfen kann, sei es der Redakteur, ein Betareader oder ein Co-Autor. Ein Co-Autor ist natürlich eine enorme Entlastung, denn dann kann man sich voll und ganz aufs Zeichnen konzentrieren und sich darauf verlassen, dass der andere die Storyline im Griff behält. Man ist als Zeichner häufig so sehr in die Bildsprache vertieft oder wird betriebsblind oder lernt seinen Text nach dem ständigen Lesen einfach irgendwann auswendig, dass einem selbst Unstimmigkeiten kaum noch auffallen und ich bin da für jeden Hinweis sehr dankbar. Es ist auch oftmals so, dass Comics in Zusammenarbeit zwischen Autor und Zeichner entstehen, entweder sie erarbeiten die Geschichte gemeinsam oder der Autor verfasst (s)eine Geschichte, die dann von einem Zeichner in Comicform visualisiert wird. Ich bin nur eben der alleinige Creator von RADIUS, aber wenn ich Hilfe brauche, wende ich mich auch an vertraute Berater.
Bella’s Wonderworld: Ende April 2019 erscheint mit „Radius – Rebellion“ der Erste von vier geplanten Bänden deiner Science-Fiction Reihe im Splitter Verlag. Dabei handelt es sich jedoch um keinen vollkommen neuen Comic, denn die ersten zwei Bände hast Du bereits als Selfpublisherin heraus gebracht. Für die Neuauflage hast Du den Comic nochmal komplett überarbeitet. Kannst Du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von „Radius“ und dessen jetziges Remake verraten?
Katrin Gal: Als ich RADIUS erfunden habe, hatte ich niemals gedacht, welchen Ausmaß das alles annehmen wird. Angefangen hat es aus Langeweile im Unterricht als Nebenbeigekritzel ohne große Planung, aber mit zunehmender Entwicklung wuchs es mir immer mehr ans Herz und wurde förmlich zu meinem “Lebenswerk”, zumindest bezeichne ich es gerne so, weil es bis jetzt das umfangreichste ist, was ich jemals gemacht habe.
Trotzdem ist man selten mit seinem Erstlingswerk zufrieden. Einerseits bin ich stolz auf den 1. Band in der Hinsicht, dass ich es überhaupt durchgezogen habe, like einfach mal machen, statt immer nur drüber zu reden. Aber seitdem habe ich einiges über comicmaking dazugelernt und mich ein wenig weiterentwickelt. Das Remake war nicht obligatorisch, aber letztendlich tut es meiner Seele gut, vor allem weil ich es auch zeichnerisch ein wenig aufwerten konnte. Am Plot selbst hat sich nichts geändert, eher an der Struktur des storytellings.
Bella’s Wonderworld: Warum hast Du dich bei Deinem Debüt gerade für einen Comic im Science Fiction Bereich entschieden? Gibt es auch noch andere Genre die Dich reizen würden?
Katrin Gal: Ich hab mir das nicht explizit ausgesucht, es kam einfach von selbst, vielleicht eher unbewusst, weil mich der SciFi-Flair schon immer begeistert hat.
Aber allgemein gefällt mir an dem Genre das grenzenlose Spektrum an diversen Zukunftsvisionen, denn man kann nicht mit Gewissheit sagen, was uns in der Zukunft erwarten wird, daher haben alle fiktiven Szenarios ihre Daseinsberechtigung und man kann sich entweder eine utopische Wunsch-Zukunft vorstellen oder eine brutale Dystopie erschaffen und in der Form bei Bedarf auch Gesellschaftskritik äußern, vor allem wenn man gegenwärtige Problematiken als Fundament für die Weiterentwicklung fiktiver Theorien verwendet.
Sicher ist das alles auch im klassischen Fantasy-Genre möglich, aber was da in den meisten Fällen mit Magie erklärt ist, wird in sci fi meist durch (fiktive) Wissenschaft belegt und das find ich persönlich cooler.
Ich bin im krassen Kontrast zu SciFi ein Historie/Kriegs-Genre-Fan? (Gibts den Begriff als solchen überhaupt? ^^’) darunter fallen Szenarien die während real- historischen Kriegen stattfinden, bevorzugt vor allem 19.-20. Jhr. Ich hatte sogar selbst mal einen Kurzcomic angefangen, der während des 2. Weltkrieges angesiedelt war und auf einer realen Geschichte basierte. Und obwohl ich eine gemäßigte Begeisterung für das klassische Fantasy-Genre habe, würde ich mich da gerne mal probieren, einfach als Challenge für mich selbst, um die Grenzen meiner Comfort Zone zu sprengen.
© Katrin Gal
Bella’s Wonderworld:Die Veröffentlichung des zweiten Radius Band ist laut Verlag für den Frühling 2020 geplant. Kannst Du uns schon einen kleinen Einblick darauf geben, was die Comic-Leserschaft in den Fortsetzungen erwarten darf?
Katrin Gal: Im 2. Band spitzt sich der Konflikt zu, das Hellhound Team muss konkrete Maßnahmen gegen die von den Rebellen ausgehenden Gefahr ergreifen, denn deren Pläne stellen eine kolossale Bedrohung für den ganzen Planeten dar.
Gleichzeitig wird der 2. Band aber auch viele offene Fragen da lassen, denn Tom – der Hauptcharakter – verbirgt so manche Geheimnisse, die dem weiteren Verlauf der Story noch übel beimischen werden…
Bella’s Wonderworld: Arbeitest du derzeit auch noch an anderen Projekten?
Katrin Gal: Im Hintergrund passiert immer etwas, ich bin dabei die Plots für meine nächsten Storys auszuarbeiten und visuelle Konzepte für diverse andere Projekte zu entwickeln, aber eher passiv, solche Einfälle passieren meistens sehr spontan und sind ab und an ein guter Ausgleich, denn ansonsten bin ich aktuell nur auf RADIUS konzentriert.
Bella’s Wonderworld:Wenn dein Comic verfilmt werden würde. Was wäre für Dich der passende Soundtrack dazu?
Katrin Gal: Hm, vielleicht nicht für den gesamten Comic, aber für Band 1 oder explizit für den Aufstand der Rebellen. Bei diesem Lied sehe ich den fertigen Trailer gefühlt vor meinem geistigen Auge! Das ist wirklich the theme-song der Rebellion!
Skillet – The Resistance
This is how we rise up
Heart is beating faster, feels like thunder
Magic, static, call me a fanatic
It’s our world, they can never have it
YouTube Video
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Folgendes Bild ist laut Katrin durch den Song bzw. während des Hörens des Songs entstanden.
© Katrin Gal
Bella’s Wonderworld: Vielen Dank liebe Katrin für das tolle Interview!