Hier ist der zweite Teil vom Interview mit Fredy Barth. Den ersten Teil gibt es hier.
Fredy Barth fuhr in Porto mit lädierter Hand
Lass uns zu dieser Saison kommen. Für dich was es ein relativ großer Umstieg am Anfang. Letztes Jahr
warst du nur in China und Macau dabei und du bist bisher auch SEAT gefahren. Auf einmal musstest oder wolltest du dann in den BMW umsteigen. Wie schwer war es für dich, sich am Saisonanfang umzugewöhnen?
Schlussendlich bleibt ein Auto ein Auto. Von der Fahrphysik, vom Verständnis zum Auto, gab es keine riesigen Änderungen. Klar, an den Finessen, die gerade in einer Tourenwagen-Meisterschaft ausschlaggebend sind, muss man dann feilen. Das hat auch die ersten zwei Läufe gedauert. In Monza und Marrakesch war ich wirklich am Arbeiten. Von da an war es dann aber eigentlich kein großes Thema mehr was das Fahrzeug angeht, sondern dann ging es mehr um das Setup. Da sind wir vor allem seit Moskau sehr gut aufgestellt, nur hatten wir seitdem eigentlich nicht mehr wirklich die Chance, es zu zeigen. In Moskau war der Unfall, danach die Operation, dann fuhr ich mit operierter Hand Porto; das war tendenziell schwierig. Von daher konnten wir die Sachen noch gar nicht richtig umsetzen, zu denen wir in der Lage wären, behaupte ich mal.
Tom Coronel hat einen sehr sehr guten Lauf dieses Jahr, aber ich behaupte und hatte auch schon in diversen
Testfahrten und gewissen Rennen gezeigt, dass ich auf dem Level absolut mitfahren kann und das traue ich mir auch zu. Ich hoffe, dass wir das noch umsetzen können.
Kannst du prinzipiell sagen, ob dir der frontgetriebene SEAT oder doch eher der BMW lieber ist?
Also Hecktriebler haben schon ihren Reiz, das sind schon speziellere Autos. Aber auch mit dem Fronttriebler
habe ich schon schöne Erfahrungen gemacht.
Du wusstest wahrscheinlich schon, dass der Saisonanfang nicht allzu einfach wird. Welche Ziele hattest du dir denn für die Saison gesteckt und wie fällt das bisherige Fazit aus?
Ich habe mir zum Ziel gesetzt, dass wir uns kontinuierlich steigern und auf ein gewisses Level kommen um in der Independents’ Trophy ganz vorne mitzufahren. Dass die Chevys da dieses Jahr eigentlich noch stärker sind als die Jahre zuvor, war ein bisschen erschreckend und auch, dass viele von denen in der Privatfahrerwertung sind. Von daher muss ich sagen, dass ich bisher tendenziell enttäuscht bin. Ich hatte auch damit gerechnet, dass ich den ein oder anderen Lauf mit der umgekehrten Startreihenfolge relativ weit vorne mitfahren kann. Das war bisher aber halt leider nicht so.
Barth sieht BMW gegenüber Chevrolet klar im Nachteil
Sind die Chevrolets tatsächlich stärker als bisher? Ich habe eigentlich eher den Eindruck, dass das Feld ausgeglichener ist; zwar nicht unbedingt bei den Independents’, aber die Zeit der Chevy-Dreifach-Siege ist dann doch vorbei.
Das hängt auch ein bisschen mit den Fahrern zusammen, aber Chevrolet spielt mit ihrer Leistung. Die geben nach Belieben Leistung dazu, wenn sie sie brauchen. Man hat das ja in Monza gesehen, als sie eine Zeit aus dem Hut gezaubert haben, wo die anderen ganz böse dreinblickten. Die gewannen ja fast zwei Sekunden gegenüber dem Vorjahr. Danach war es nicht mehr ganz so dominant. Sie machen je nach Situation, wenn sie sehen, ob der Honda Gewicht hat oder nicht, mehr oder weniger Leistung. Zum Überholen haben wir mit dem BMW gegen dem Chevy aber gar keine Chance.
Was sind denn die Ziele für den Rest der Saison?
Das umzusetzen, was wir bisher nicht gemacht haben. Ich möchte wirklich das Potenzial, das dieses Auto hat, voll ausschöpfen können. Gewisse andere haben das im Verlauf des Jahres schon gezeigt und ich würde das auch gerne erreichen. Ich habe das Gefühl, dass ich das so auch umsetzen kann.
Ein anderes Ziel sind die 24 Stunden von Spa, aber das ist eine Geschichte nebenbei. Da möchte ich logischerweise ins Ziel kommen und gut ins Ziel kommen. Der dritte Punkt ist, dass wir unseren Jaguar gerne für die Blancpain am Nürburgring an den Start bringen und mit dem Fahrzeug überzeugen möchten.
Dann hast du ja noch reichlich zu tun.
Noch reichlich zu tun, so ist es. Ich werde mich auch dieses Jahr an Weihnachten nicht über Langeweile beklagen.
Kommen wir mal explizit zu den letzten Rennen, die hattest du ja bereits angedeutet. In Moskau hattest du diesen Startcrash und deine Hand wurde auch entsprechend lädiert. Inwiefern hat dich das in Porto eingeschränkt?
Sehr stark. Die Woche zuvor war ich zur Operation im Spital, die haben mir da zwei Schrauben reingemacht und mit so einer Verletzung und den dementsprechenden Schmerzen und Risiken fährt man schon ein bisschen anders. Ich habe mich auch ganz langsam herangetastet, bin eigentlich zu dem Zeitpunkt keine Risiken eingangen. Am Samstag hatte ich auch wirklich Schmerzen, Gegenlenken und solche Geschichten gingen gar nicht. Danach ging es step by step besser, aber eben auch nur unter Schmerzmitteln. Das waren sicherlich nicht optimale Bedingungen, es hat einen großen Einfluss gehabt auf den Samstag. Der eine Dreher am Sonntag hing auch damit zusammen, der Ausrutscher im zweiten Rennen war auf meine Kappe zu schieben. Da war ich nicht mehr ganz konzentriert und habe einen kleinen Fehler gemacht, aber kleine Fehler erlauben diese Strecken halt nicht.
Beim ersten Dreher war ja plötzlich das Bergungsfahrzeug auf der Strecke. Wie ist denn da deine Sicht der Dinge? Sollte das da sein?
Nein! Eigentlich habe ich den Ausrutscher im zweiten Rennen nur gemacht, um zu kontrollieren, ob sie daraus gelernt haben. Das haben sie dann gemacht. Ich habe das Auto ja am selben Ort abgestellt wie der Gabriele und es waren dann auch noch eineinhalb Runden. Dann haben sie es ja richtig gemacht und das Rennen unter einer gelben Flagge zuende geführt. Da mitten im Pulk ein Bergungsfahrzeug rauszuschicken, das ist ein komplettes Unding, das geht gar nicht.
Glaubst du, dass die WTCC in der Hinsicht zu unprofessionell ist? Gerade für Franz Engstler war es ja nicht das erste mal, dass so etwas passiert.
-lacht- Es ist immer schwierig. Ich weiß nicht, wer was wo wie organisiert: wo sind die Streckenmarshalls und Kommissare selber verantwortlich, wo ist der Rennleiter entscheidend, wo die Stewards? Ich kenne die Organisation im Hintergrund nicht. Andererseits kann man jetzt dazu auch dann auch sagen, das muss die WTCC komplett organisieren und denen sagen, was wann zu tun ist. Von daher ist da auf jeden Fall etwas Verbesserungspotenzial da. Der Unfall mit dem Safety Car hat ja damals zur Folge gehabt, dass wir einen fixen Safety Car bekommen haben, der weiß, um was es geht, der das ganze Jahr dabei ist. Von daher würde ich nicht sagen, dass die WTCC zu unprofessionell ist.
Aber die WTCC hat bestimmt nicht ganz so viele Möglichkeit wie die DTM, die Organisation durchzubringen. Die DTM ist da in vielerlei Hinsicht Maß der Dinge. Außer im sportlichen Aspekt. -lacht-
In den letzten Wochen wurden ganz viele Sachen zur WTCC bekannt gegeben. Zum Einen ist bekannt, dass Citroen dazustoßen wird, aber auch Reglementänderungen wurden bekanntgegeben und die ersten Details sickerten durch. Wie siehst du der Zukunft der Serie entgegen?
Einerseits ist es eine ganz tolle Geschichte, dass Citroen und Loeb sich zur WTCC bekennen, das ist natürlich eine Riesensache. Das hilft der Meisterschaft sicherlich und wird ihr einen großen Aufschwung geben. Andererseits ist es, was die Reglementänderungen angeht, eine Katastrophe, weil drei der fünf aktuellen Marken dann nicht mehr dabei sind, namentlich SEAT, Chevrolet und eben auch BMW.
SEAT hat zwar mal einen Prototypen vorgestellt, das ist aber eben auch nur ein Prototyp, und so wie ich es sehe, wird er nächstes Jahr nicht im Einsatz sein. Chevy selbst hat natürlich null Interesse und RML auch nur gegen Bezahlung. Für die Meisterschaft also einerseits ein Gewinn, aber auch ein Verlust. Ich weiß nicht genau, wo das hinführen wird.
BMW wird die Kundenteams wahrscheinlich auch eher nicht unterstützen. Ist für euch denn ein Umstieg auf ein anderes Auto denkbar, zum Beispiel einen Kunden-Honda?
Aktuell aus meiner Sicht nicht, weil keine Beziehungen in dieser Hinsicht bestehen, um so etwas finanziell stemmen zu können. Da bräuchte man andere Partner. Ich bin relativ schnell mit der Emil-Frey-Gruppe liiert und Honda hat mit dieser Gruppe nichts zu tun und ich bin da vor allem auch für das Jaguar-Projekt zuständig. BMW ist eine Marke, die sie vertreten; von daher ging das. Wie das nächstes Jahr aussieht, ist momentan noch sehr offen. Es ist auch gut möglich, dass ich nicht mehr fahre.
Du weißt also noch gar nicht, was 2014 passieren wird?
Nein. Bis dato gar nicht.
Selbst wenn du 2014 noch in der WTCC dabei sein solltest: du wirst ja wahrscheinlich nicht dein ganzes Leben lang WTCC fahren. In welcher Rennserie möchtest du am ehesten einmal eine gesamte Meisterschaft mitfahren?
Schon am liebsten WTCC, ich fühle mich da zu Hause und es macht Spaß. Aber wenn dem nicht so ist, ist es so. Ich bin eigentlich jedes Mal, wenn ich einem Auto sitze glücklich und happy. Darüber habe ich mir auch noch gar nicht großartig Gedanken gemacht. Ich habe auch schon Saisonplanungen bis hin zur NASCAR in Betracht gezogen und von daher bin ich eigentlich offen für alles. In der NASCAR habe ich mich auch mal relativ lange mit einem Team unterhalten.
Aber auch eine V8 in Australien wäre mal was cooles, oder wieder eine Saison auf der Nordschleife, das wäre auch lustig. Vielleicht auch eine gesamte GT oder NASCAR — es gibt so viele Möglichkeiten, ich bin da eigentlich sehr unvoreingenommen.
Das wird sicherlich noch interessant zu beobachten sein. Ich danke dir für die Zeit, die du dir genommen hast und wünsche dir noch viel Erfolg für den Rest der Saison.