Interview mit dem Kreuzfahrtexperten Oliver Schmidt, Herausgeber des wichtigsten Kreuzfahrtguides in Deutschland!

Herr Schmidt befragt zur ITB Berlin:

Herr Schmidt, was hat die ITB für die Kreuzfahrtbranche Neues gebracht?

Oliver-SchmidtOliver Schmidt: Wirklich Neues bringt sie selten, eher macht sie Entwicklungen und Trends erkennbar. Einer davon wurde in der von DRV und CLIA veröffentlichten Studie deutlich. Der an sich sehr konservative deutsche Markt öffnet sich mehr für internationale Produkte – sowohl bei den Schiffen als auch bei den Reisezielen. Die Studie lässt eine Verschiebung von immerhin vier Prozent hin zu internationalen Schiffen und weltweiten Reisezielen erkennen.

Was gibt es denn zu berichten, wovon der Reisende konkret etwas hat?

Schmidt: Das sind ganz klar die neuen Preismodelle. Norwegian Cruise Line war hier Vorreiter, denn dort hat man sich schon vor der ITB am deutschen Trendsetter TUI Cruises orientiert und viele Leistungen wie Getränke und Trinkgelder inkludiert. Die unter Zugzwang geratenen Mitbewerber reagieren nun, so zum Beispiel MSC Kreuzfahrten, wo Trinkgelder ebenfalls inkludiert werden.

Macht man das, um den deutschen Markt zu erobern?

Schmidt: Ja, und das wird auch deutlich gesagt. Die Deutschen haben die Briten in Sachen Buchungszahlen eingeholt, sind also weltweit der zweitwichtigste Kreuzfahrtmarkt. Das hat man erkannt, und auch, dass man sich den Forderungen dieses Marktes anpassen muss. Das Gästepotenzial, das man gewinnen konnte, indem man das unverfälschte US-Angebot nach Deutschland trägt, ist abgeschöpft. Wachstum gibt es nur noch, wenn die Gäste sich „abgeholt“ fühlen.

Gutes Stichwort. Wie ist es denn bei der Anreise zu solchen internationalen Schiffen? Wird man da betreut?

Schmidt: Auch das haben die internationalen Reedereien, die ja mehrheitlich aus den USA kommen, erkannt. Die meisten bieten Anreise-Arrangements an. Norwegian Cruise Line hat gerade die Abfahrtszeit in Miami auf 19 Uhr verlegt, damit deutsche Passagiere am gleichen Tag anreisen können. Regent Seven Seas inkludiert sogar die Anreise ab einer Reihe von Flughäfen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Blickt man durch diese Inklusivleistungen überhaupt noch durch?

Schmidt: Man muss genau hinschauen – nicht nur bei der Frage: „Wie viel ist inkludiert?“ –, sondern ich empfehle, genau zu überlegen: „Nutze ich das auch?“ Bin ich Nichtschwimmer, kann mich der 25-Meter-Pool bei TUI-Cruises nicht locken. Mag ich keinen Fisch, dann ist mir das Sushi-Restaurant egal. Und startet die Reise ab einem deutschen Hafen, ist die inkludierte Fluganreise kein Vorteil. Wer es sich an Bord gern gut gehen lässt, sollte aber unbedingt auch die Ultra-Luxus-Angebote zu Rate ziehen – ein guter Wein zum Abendessen, jeden Tag ein Landausflug, ein Vorprogramm vor der Reise, ein Champagner vor dem Essen, ein Single Malt als Absacker – und schon kann es durchaus sein, dass z.B. Regent Seven Seas günstiger ist als ein biederer, deutscher Anbieter mit vier Sternen.

 Diese Anbieter werden also eine zentralere Rolle einnehmen?

Schmidt: Mit der weiteren Verjüngung des Publikums wird ihnen das gelingen, und genau das möchten sie auch. Hier sind sie sogar bereit, zu investieren. Zum Beispiel Oceania Cruises zeigte sich offen dafür, eine Veranstaltung, die ich jedes Jahr mit einer Hamburger Hochschule zusammen mache, an Bord zu holen. Man möchte diesen Markt nicht mehr nur abschöpfen, sondern mitgestalten. Die lange gepflegte Denkweise, dass das deutsche Publikum doch bitte froh sein soll, ein segensreiches amerikanisches Produkt zu bekommen, ist damit endlich über Bord geflogen. Man begreift den starken Markt der reiselustigen Deutschen als Partner.

Wohin reisen sie denn, die reiselustigen Deutschen?

Schmidt: Sie reisen immer noch sehr gern ab deutschen Häfen, und das bedeutet Nordland, Ostsee, britische Inseln usw. Internationale Anbieter reagieren darauf und entsenden Teile ihrer Flotte für lange Sommersaisons in den Norden. Fast ebenso beliebt ist das Mittelmeer.

Aber da sind ja nun einige Ziele weggefallen…

Schmidt: Richtig, das Schwarze Meer und der Osten des Mittelmeeres waren früher gute Fahrtgebiete im Herbst, in den 2000er Jahren wurden auch Ziele wie Libyen erobert. Das ist erst mal vorbei. Es zählen Spanien und die Balearen, Italien, Ägäis und, von Spanien aus gut zu erreichen, die Kanaren. Aber das ist ja das große Plus der Kreuzfahrt, dass man ein schwimmendes Resort hat, das man notfalls in wenigen Stunden umrouten kann. Das ist das vordergründige Problem, das nicht wirklich eins ist, denn es gibt z. B. mit Kuba einen attraktiven Ersatz für die weggefallenen Ziele.

Das lässt vermuten, dass es noch ein ernsteres Problem gibt.

Schmidt: Allerdings, denn Santorin kündigt an, die Zahl der Landgänger zu begrenzen, damit der jahrmarktähnliche Overkill auf der kleinen Insel eingedämmt wird. Bis zu 10 000 Tagesgäste können die engen Gassen dort einfach nicht vertragen. Nur ist das kein aktuelles Problem, sondern ein kontinuierlich wachsendes: Die Destination ist die einzige begrenzte Ressource der Kreuzfahrt, und sie hält dem Wachstum der Flotten nicht mehr stand. Die etablierten Kreuzfahrthäfen sind überfrachtet, und neue entstehen nicht so schnell.

Was tut man dagegen?

Schmidt: Seit 1980 die Norway als erster Mega-Liner kam, wird das Schiff kontinuierlich zum eigentlichen Ziel der Reise ausgebaut – ein schwimmender Center Park, der nur noch ein- oder zweimal pro Woche anlegt.  Dazu kommen eigene Privatinseln der Reedereien, riesige Bespaßungsparadiese mit Beachparty, Tauchkurs, Seilbahn und Barbecue. Man kann aber auch eigentlich uninteressante Ziele attraktiv machen, zum Beispiel, indem man an Land Radtouren, Kanufahrten, kleine Trekking-Touren etc. anbietet, also „Naturausflüge“, die mancher Gast zu Hause auch nicht hat.

Die Kreuzfahrt wird sich also weiter verändern?

Schmidt: Das muss sie, wenn für 2020, also in nur vier Jahren, die Buchungszahlen aus Deutschland von zwei Millionen auf drei Millionen wachsen sollen. Dabei wird die klassische Kreuzfahrt à la „Traumschiff“ (ZDF) und „Verrückt nach Meer“ (ARD) immer mehr in die Nische rücken. Auf der einen Seite ist ein riesiges Angebot an Megalinern, auf der anderen ein wachsendes an kleineren Luxusschiffen.

Gibt es nicht doch noch etwas richtig Spannendes?

Schmidt: Für echte Fans gibt es das. Zum einen baut der Schwede Mikael Krafft in Kroatien den größten Passagiersegler aller Zeiten, ein Nachbau der legendären France II, der kommt 2017. Und Crystal Cruises erwägt, die United States, die letzte Trägerin des Blauen Bandes, also das einstmals schnellste Atlantik-Schiff, als Kreuzfahrtschiff in Fahrt zu bringen. Die Old Lady war 47 Jahre außer Dienst, das wäre schon eine Sensation – mit einer Investition von 800 Millionen Dollar… Es bleibt eine spannende Branche!
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Oliver Schmidt (45) ist seit 36 Jahren auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Der Journalist betreibt seit 24 Jahren ein eigenes Pressebüro und betreut seit zwölf Jahren seetouristische Medien in leitender Funktion. Seit 2015 hat der Kreuzfahrtexperte die Funktion des Chefredakteurs für Koehlers Guide Kreuzfahrt inne.


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