Interview mit Buntspecht

Buntspecht-(c)-Mona-Steinmetzer

Interview mit Buntspecht

Erst vor Kurzem erschien das zweite Album des Wiener Sextettes Buntspecht. Wir haben Lukas, Florentin und Roman von Buntspecht getroffen, um mit ihnen über das Entstehen ihrer neuen Platte, künstlerisches Schaffen und die lustigsten Tourgeschichten zu plaudern.

pressplay: Euer neues Album Draußen im Kopf erscheint am 17. Mai – Man sagt ja oft, das zweite Album ist das schwierigste – man muss die Erwartungen der Fans erfüllen, seinem Stil treu bleiben, trotzdem irgendwie was Neues reinbringen. Wann habt ihr denn konkret begonnen, an diesem neuen Projekt zu arbeiten und wie war der Prozess für euch?

Florentin: Interessant, ich hab nämlich gehört, dass das Dritte Album das Schwierigste ist!

Lukas: Ich hab gehört das Vierteinhalbste! (lachen)

Florentin: Eigentlich haben wir die Sachen, die sich auf dem zweiten Album befinden, schon so lange live gespielt. Die Songs haben sich nur über die Zeit verändert und sind durch das viele Live spielen gereift.

Lukas: Wir hatten eher den Vorteil, dass wir so viele Songs hatten, das wir aussortieren konnten. Und nein, eigentlich war es überhaupt nicht so, dass wir uns selbst Druck gemacht haben, sondern uns im Gegenteil extreme Vorfreude fürs Aufnehmen da war. Wir haben uns für einen tolle Produzenten entschieden und hatten einfach extreme Lust in ein Studio zu gehen. Wir waren ja davor noch nie in einem richtigen Studio. Es war ein richtig hungriges Gefühl, vor dem Aufnahmeprozess, ganz ohne Zwang und ohne Erwartungshaltung.

Das letzte Album habt ihr ja ganz minimalistisch in einer Gartenhütte mit wenig Equipment aufgenommen, diesmal wart ihr wochenlang im Studio mit professioneller Unterstützung. Was waren die größten Unterschiede im Entstehungsprozess der Alben und die hörbaren Unterschiede im Nachhinein?

Florentin: Definitiv. Der größte Unterschied war, dass wir im Studio alles nacheinander, aufeinander aufbauend, aufnehmen konnten. Es hat viel mehr Spielraum gegeben, sich zu überlegen, welche Variationen möglich wären. Beim ersten Album war die Frage weniger, wie wir klingen, sondern da ging es eher darum, das Gefühl zu vermitteln, im Sommer in einem Gartenhaus zu sein. Beim Zweiten hatten wir viel mehr Zeit uns zu überlegen, wie sich Sachen anhören sollen und wie sie in Beziehung zueinander stehen.

Lukas: Und gerade weil wir soviel Zeit hatten, konnte auch unser Produzent mit uns in die Songs hineinwachsen und ein gutes Gespür für uns als Musiker bekommen. Wir haben angefangen richtig verrückte Sachen auszuprobieren – sogar ich hab das erste Mal bei der Gitarre Effekte ausprobiert und ich war sonst immer der Effektkritiker. Es war ein spannender Prozess, mit Neuem zu experimentieren und sich im Bezug auf das Produzieren mehr zu trauen, dann aber trotzdem noch so zu klingen, wie wir – also dass es dieselbe Energie und diesen Live-Charakter der Leichtigkeit behält.

Was davon hat mehr Spaß gemacht? 

Florentin: Ich glaube, man kann das schwer vergleichen. Das erste Album kam gefühlt viel leichter zustande. Da haben wir  vier Tage gelebt wie eine kleine Kommune und fast alles in einem Durchgang aufgenommen.

Lukas: Es hat einfach beides perfekt zu dem Stadium gepasst, in dem wir uns als Band in unserer Entwicklung gerade befanden. Als wir im Gartenhaus aufgenommen haben, war das gerade die Zeit, in der wir viel auf der Straße gespielt haben, weil wir noch keinen Proberaum hatten. Beim Zweiten hatten wir die Songs schon oft live gespielt, oft geprobt – Es war einfach genau der perfekte Aufnahmeprozess zur richtigen Zeit. Wäre es umgekehrt gewesen und wir wären sofort in ein großes Studio gegangen und hätten jetzt in einem Gartenhaus aufgenommen – ich glaube, dass wäre der falsche Zugang gewesen. Wir haben zuerst dieses roughe, erdige Ding gebraucht und waren dann nach einem Jahr bereit, ins Studio zu gehen.

Roman: Beim zweiten Album sind jetzt viel mehr Details da, in den Arrangements, in der Mehrstimmigkeit oder Percussion, was wir beim Ersten einfach noch nicht bedacht haben. Um so detailreiche Musik zu machen brauchst du einen Produzenten der sich reinfuchst, deswegen ist es dieses Mal um einiges tiefer.

Lukas: Besonders schön war, dass jeder von uns alleine Zeit bekommen hat, ins Studio zu gehen und an seinen eigenen Sachen zu arbeiten, manchmal bis um vier in der Früh! Für mich war es sehr ungewohnt, einzusingen, ohne dabei gleichzeitig zu spielen – das war auch ein bisschen tricky. Aber eine gute Herausforderung!

Interview mit Buntspecht

Generell entsteht beim Hören eurer Musik und dem Einblick in eure Arbeitsweise der Eindruck, dass Durchdachtheit vs. Minimalismus ein Spannungsverhältnis ist, welches öfter vorkommt: Nicht nur auf den Aufnahmeprozess bezogen, sondern auch auf Songtexte, eure Musik, Videokonzepte, euer Auftreten als Band. Ist diese Gegensätzlichkeit euer Anspruch an euch selbst?

Florentin: Es gibt Lieder, bei denen uns klar ist, dass sie genau so bleiben müssen, um in ihrer Form zu bestehen. Wir erzählen in den Lyrics eine klare Geschichte und machen nicht viel mehr drum herum. Dann gibt es wiederum Songs, wie beispielsweise Nabelschnur vom neuen Album, der wie eine Episode an verschiedenen Szenen ist, durch die du durchgleitest. Du befindest dich in einer Klangwelt und natürlich macht das auch visuell was mit der eigenen Vorstellungskraft, wenn man sich das anhört. Manche Songideen stehen für sich und andere brauchen Raum – dann probieren wir aus und plötzlich entsteht ein B-Teil eines Songs, der ganz anders klingt.

Lukas: Ich glaube, das passiert alles komplett unterbewusst. Es ist nicht so, dass wir uns denken „Das war jetzt ein einfacher Song, jetzt muss wieder was Großes passieren!“. Es gibt diese komplett unterschiedlichen Stadien, aus denen wir die Lieder und Konzepte heraus entwerfen. Wir haben keine Erwartungen, wir sind eher auf der Suche nach neuen Wegen, wie wir uns selbst musikalisch überraschen können.

Roman: Ja, aber auch textlich – manche Songs haben nun mal diesen einfachen Charakter, wie der Rotweinmund, der direkt in einem Wurf entstanden ist und bei dem uns auch schnell klar war, dass der genau durch seine Einfachheit so gut ist.

Bei euren Texten ist dieser Gegensatz am auffallendsten: Manchmal werden extrem bildhaft und detailgenaue Geschichten erzählt, dann gibt es wiederrum Texte, bei denen man sein Hirn hart ankurbeln muss und sehr viel Spielraum zur Interpretation frei hat. Wie kommt das? Wie schaut der Schreibprozess bei euch aus?

Lukas: Was ich nicht kann, ist mir vorzunehmen, worüber ich schreiben will. Keine Person und auch kein tagespolitisches Thema – meistens setzen Flo und ich uns ewig lange zusammen und schreiben irgendwelche anderen Sachen auf: kleine Theaterstücke und nonsense Unterhaltungen oder einer von uns kommt mit was Halbfertigem und der andere sagt seine Meinung dazu. Oder jemand sagt einen coolen Satz und wir bauen auf dem dann ein ganzes Lied auf. Manchmal entsteht ein Lied in einem einzigen Freestyle und manchmal bastelt man ein bisschen mehr. Dann haben wir auch oft in der Probe nur das Instrumental und dann freestyled irgendwer irgendwas und wir machen das Lied alle gemeinsam fertig. Wir wissen nicht wohin wir wollen, sondern bleiben einfach offen und schauen wohin es geht und was passiert.

Und was ist euer Anspruch an eure Songs?

Lukas: Emotionalität und Energie.

Florentin: Wenn wir beginnen, an einem Song zu arbeiten, dann müssen alle von uns dafür brennen. Bei sechs Leuten merkt man schnell, ob alle hinter einer Idee stehen.

Roman: Wenn die Songs fertig ausgereift sind, dann kann man anfangen sie zu bewerten. Aber mir irgendwelchen konkreten Ansprüchen oder Erwartungen reinzugehen, funktioniert bei uns nicht.

Sechs Leute sind schon überdurchschnittlich viel, wie schafft ihr es sechs Meinungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und welche Schwierigkeiten gibt’s dabei?

Florentin: Sechs Leute, die andauernd aufeinander hocken und ständig miteinander unterwegs sind – irgendwann wird man zu einer kleinen Familie und da gibt es natürlich immer Reibungen aber die sind auch wichtig. Im Endeffekt stimmt sich jeder von uns darauf ein, dass wir alle zusammen an einem Strang ziehen.

Roman: Durch die vielen Blickwinkel wird alles, was wir machen sehr vielschichtig und abwechslungsreich. Es gibt viele Diskussionen, egal ob im Bezug auf die Songs oder Alltagsgeschichten und das ist natürlich manchmal anstrengend, aber es ist unglaublich belohnend, wenn wir dann ein Ergebnis haben, mit dem alle zufrieden sind. Wir sind gelebte Demokratie, im kleinen Stil.

Ihr seid ja in Österreich nicht die einzigen, die gerade versuchen die Musikszene zu erobern.  Von wem lasst ihr euch inspirieren? Von wem könnt ihr auch was abschauen? Oder sind das alles nur eure Konkurrenten?

Lukas: Ganz generell sehe ich das nicht als einen Konkurrenzkampf. Der Voodoo macht was ganz anderes als Bilderbuch, die wiederum was anderes machen als wir – ich finde cool, was sie machen und ich finde dieses Konkurrenzdenken, das sich in der Musikszene etabliert hat, komplett unangebracht. Ich finde eher, wir sollten uns miteinander verbünden und uns alle als Kollegen sehen, weil wir im Endeffekt in derselben Suppe schwimmen.

Roman: Ich habe auch das Gefühl, wir stehen ein bisschen abseits der Szene und sind nicht mittendrin in diesem Mainstream-Popzirkus, sodass wir uns auch mit niemandem vergleichen oder konkurrieren müssten. Und man kann schon auch was lernen von anderen. Ich erinnere mich daran, wie Annkatie Koi gemeint hat: „Cool was ihr macht, aber zieht euch mal was gscheites an!“ und dann haben wir alle drüber nachgedacht, dass ein überlegtes Bühnenoutfit schon was hermachen könnte.

Florentin: Stimmt, das war sehr ausschlaggebend für die Entstehung unserer Bühnenoutfits, weil wir ihr Konzert, die Show und ihre Outfits genial fanden.

Lukas: Ja, da hab ich mich dann davon verabschiedet, in Badehose aufzutreten (lacht). Früher wollten wir halt einfach nur spielen und alles andere drum herum war uns nicht wichtig. Aber es ist eben schon nicht irrelevant, weil wir auf so vielen Ebenen so viel machen können. Es ist dann nie nur Musik – es ist Performance und ein Austausch mit dem Publikum, aber wir lernen das auch gerade erst Step by Step kennen.

Roman: Man muss sich da aber auch bisschen rantasten. Hätte Maurice beim ersten Bilderbuchkonzert im B72 schon so ausgesehen wie heute, wäre es wahrscheinlich auch unpassend gewesen. Um ein authentisches Bild von sich zu schaffen, muss man zuerst mal ein paar Konzerte in Badehose spielen, bevor man sich das Kleid anziehen kann (lachen).

Woher nehmt ihr eure künstlerische Inspiration?

Florentin: Da finde ich den Titel vom ersten Album so schön passend: es sind einfach Großteils Kleinigkeiten. Es geht darum ein waches Auge zu haben und Sachen nicht nur anzuschauen, sondern auch über sie nachzudenken und drüber zu schreiben.

Lukas: Für mich ist es der Austausch miteinander – Würfel werfen, schauen wo sie hinfallen, was aufschreiben, es verwischen und den Zettel zerreißen, was Neues draufmalen. Ich habe auch super uninspirierte Tage, wo nichts kommt und dann stehe ich in der U-Bahn und irgendein Typ macht eine Handbewegung, die für mich superpoetisch ist und dann ist was da. Wenn sich einem sowas offenbart, dann muss man die Energie haben, dem nachzugehen. Aber man kann das nicht erzwingen.

Florentin: Kunst kommt eigentlich von nichts. Von komplettem Blödsinn, nicht von irgendeiner göttlichen Gabe oder Talent. Künstler sind Leute, die sich auf etwas so sehr fokussieren, dass es in seiner Wiederholung oder im Tun einfach immer größer wird und entsteht!

Wie könnt ihr euren eigenen Erfolg messen?

Lukas: Für mich ist Erfolg, wenn etwas Neues entsteht und das durch das gemeinsame Arbeiten einen neuen Körper annimmt, der uns einen richtigen Wow-Moment beschert.

Florentin: Wir sind irgendwie zu dem geworden, was wir gesucht haben. Wir machen die Musik, die wir selber immer hören wollten.

Roman: Wenn Einzelpersonen sich damit beschäftigen, sich das anhören und nachfragen – das ist viel greifbarer, als irgendeine Zahl. Wenn jemand sagt: „Die eine Line, die hab ich mir gemerkt!“, das sind für mich die schönsten Momente. Und es ist ja auch jedes Konzert total anders, ob wir in einer Bar mit betrunkenen, jungen Leuten spielen oder in einem Konzertsaal, vor einem älteren, sitzenden Publikum – das bringt einfach so viel Abwechslung!

Ihr habt im letzten Jahr ja auch unglaublich viele Konzerte gespielt…

Roman: 46.

Lukas: Du hast mitgezählt? Krass.

Was macht mehr Spaß: Touren oder Recorden?

Lukas: Das ist so als würdest du fragen: „Was macht mehr Spaß, Schmusen oder Schlafen? Sex oder Essen?“ – Ich will mich nicht entscheiden.

Roman: Die Abwechslung zwischen beidem machts aus. Nach einem ganzen Sommer live spielen, waren wir schon sehr hyped ins Studio zu gehen. Wenn du aber ein paar Wochen nicht spielst, bekommst du wieder ultra Bock! Wir haben jetzt den ganzen April nicht gespielt, das ist eh schon wieder viel zu lang.

Vielen Dank für das Interview.

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Autor

Alica Ouschan

Aufgabenbereich selbst definiert als: Abenteuerlustige Festival-Nomadin. Findet „It ain’t the speakers that bump hearts, it’s our hearts that make the beat“ (Twenty One Pilots) die einzig wahre Herangehensweise, um Musik zu verstehen.


 

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