Es geht um Depressionen. Es geht um das Gefühl, dass es einfach kein Gefühl mehr gibt. Um eine Leere, die alles umfasst, dass im Inneren nur noch Kälte herrscht. Windstille. Vakuum. So war es jedenfalls bei mir. Meine Oma, von der ich die Tendenz zur Depression wohl geerbt habe, hat es immer als "Ring um den Kopf" bezeichnet. Es ist schwer, Worte zu finden und es ist noch schwerer, Menschen zu erklären, wie es ist. Mit Worten. Deswegen versucht man es gar nicht. Das Erklären. Man schweigt einfach. Zumindest schwieg ich.
Ich hatte diese Krankheit - ja, es ist eine Krankheit - über viele Jahre. Die meisten davon unbemerkt. Ich war einfach sehr oft schlecht drauf. Wegen meinem Gewicht. Wegen der Art wie die Leute aufgrund meines Gewichtes mit mir umgegangen sind. Weil ich in der Arbeit gemobbt wurde. Nicht nur wegen dem Gewicht, sondern wegen einem Job, den eine andere wollte und auf dem sie jetzt wohl auch sitzt.
Es wäre jetzt zu viel und zu weitgreifend, alles zu erzählen. Alles wieder aufzuwärmen und darüber zu philosophieren, warum es so weit kam, wohin es hätte gehen können und wie es kam, dass es jetzt weg ist. Viel lieber möchte ich mit und über Selli reden, der diese Krankheit mit mir teilt und einen Blog darüber schreibt, welchen ich sehr gerne lese. Was ich so gut nachvollziehen kann. Und wo ich aber auch viele neue Dinge lese, die ich noch nicht kannte oder wusste. Ich möchte euch auf diesem Weg nicht nur einen tollen Blog näherbringen, der über schöne Dinge schreibt, über die man nachdenken kann, sondern auch einen Mann, der so wie ich mit Depressionen lebt und heute darüber sprechen möchte. Dieses Interview heute ist mir sehr wichtig, denn dieses Thema ist wichtig und ich denke, dass es noch viel zu wenig behandelt wird in der Öffentlichkeit und noch viel zu wenig Menschen wissen, was man machen kann und dass man sich dafür nicht schämen braucht.
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1. Lieber Selli, ich danke dir, dass du für dieses ernste Thema für ein Interview zur Verfügung stehst. Auf deinem Blog schreibst du nicht nur über deine Depressionen, schreibst wunderbare Texte über die Tiefen deiner Seele. Wie schaffst du es, so offen über diese Krankheit zu sprechen? Hallo Daniela! Zunächst einmal möchte ich mich dafür bedanken dass du mit mir dieses Interview führst. Ja, das ist eine tolle erste Frage die du mir da stellst. Für mich spielen mehrere Faktoren eine treibende Rolle um das ganze so in die Tat um zu setzen wie du und alle andere im Netz meinen Blog auch kennt. Zu einem habe ich kein Problem mit der Öffentlichkeit. Als Musiker habe ich bereits auf mehreren Bühnen gestanden und mich präsentiert wenn an der Stelle jetzt auch auf eine andere Art und weise die ich aber für noch empfindlicher halte als nur über sich zu schreiben. Als Blogger ist es an dir selbst zu entscheiden ob du anonym schreiben möchtest oder aber dein Gesicht preis gibt’s. Mich als Blogger nicht zu verstecken und den Lesern auch zu zeigen wer ich bin rührt daher dass ich meinen Artikel natürlich auch die dazugehörige „Echtheit“ schuldig bin. Ich schreibe meinen Blog weil es für mich eine Art Selbsttherapie ist. Es ist ein Ort an dem ich meinen Gedanken den freien Lauf lassen kann den sie benötigen. Ich muss mich täglich von 10000en Gedanken befreien können da mein Kopf zu viel Gedanken, Ideen, Erinnerungen usw Produziert oder verarbeitet. Es gibt oft Tage an denen ich nicht mal so schnell reden kann wie ich denke was mich auf Dauer sehr anstrengt und ich eben angefangen habe unnötiges mit der Zeit zu Filtern um in dem Oberstübchen wieder Platz für meinen Müll zu haben. Der Punkt dabei ist leider das da viel schlechtes dabei ist. Es sind oft keine schöne Erinnerungen, tolle Gedanken oder andere positive Dinge die mich über den Tag begleiten sondern zu 90% schlechtes, fast schon quälendes. Auf meinem Blog schreibe ich dies nieder, lass es raus in der Hoffnung es lässt mich dann in Ruhe aber schiebt man einen Gedanken beiseite kommt oftmals der nächste schon nach. Eine Depression zeichnet sich dadurch dann aus dass man gegen solche Gedankengänge nichts kann.In meinem Fall ist es sogar eine vererbte „Version“ davon. Des weiteren dient mein Blog aber auch meinen Mitmenschen. Ich biete immer wieder an mit mir zu kommunizieren, in den Kommentaren seine Meinung oder sein Problem zum beschriebenen Thema da zu lassen um darüber zu reden denn ich weiß wie es ist mit so was alleine da zu stehen und sogar belächelt zu werden weil man als weinerlich, faul und überemotional abgestempelt wird. Eine weitere Option biete ich auch über meine E-Mail ( saphirschwarz@outlook.com ) mit mir in Kontakt zu treten an, wenn man dies nicht über den Blog tun möchte.2. Wer ist der Mann hinter diesem Blog und diesen Depressionen? Was machst du, wenn du nicht über deine Seele und deine Gedanken schreibst?
Ich bin 24 Jahre alt und ein autodidaktischer Mensch. Wie man bereits erlesen konnte bin ich Musiker (spiele Gitarre & Schlagzeug), ich fotografiere sehr erfolgreich (Sellipix), male ab und zu mit Acrylfarbe auf Leinwände oder zeichne Portraits. Ich mache gerne alles mögliche was mit Kunst zu tun hat weil es irgendwie etwas beruhigendes an sich hat was mich dann auch mal abschalten lässt. Mein Blog „Saphirschwarz“ ist somit nur einer von vielen Möglichkeiten die ich nutze um mich über den Tag zu bringen.
3. Wie hat sich deine Depression entwickelt und woran hast du gemerkt, dass du Depressionen hast oder das irgendwas nicht stimmt?
Meine Depression ist wie bereits erwähnt eine vererbte. Wann das so richtig anfing weis ich schon gar nicht mehr, schätze aber das liegt bereits 6-7 Jahren zurück. Anfangs ging mir es aus unerklärlichen Gründen einfach immer nur schlecht. Ich fühlte mich unwohl, war oftmals einfach down, hatte das Gefühl immer krank zu sein und solche Sachen. Ich tat solche Dinge dann aber auch gleich wieder als typisches Teenagerverhalten ab und steckte dem somit auch keine größere Bedeutung zu. Erst vorletztes Jahr, als ich Bürokaufmann in der Lehre war und ich dermaßen zu unrecht angemacht wurde (in dem Betrieb wurde man generell gemobbt) brach auf einmal alles auf und ehe ich mich versah war ich in Psychosomatischer Behandlung wegen Verdacht auf Suizidgefährdung (hatte mich selbst eingewiesen). Diese Zeit war so der Anfang von allem, danach kam einfach nur noch eins zum anderen. Mir wurde meine Diagnose gestellt, erklärt das es Hilfestellungen in Form von Tabletten gibt um mit dieser Krankheit umzugehen und dann kam ich auch schon in Therapie. 4. Hast du Angst vor dieser Krankheit oder hast du sie inzwischen in den Griff bekommen?
Angst habe ich keine vor ihr, auch nie welche gehabt. Ich habe lernen müssen mit ihr umzugehen was sich anfangs für sehr schwer, heute jedoch als möglich erweist dank den richtigen Medikamenten.
5. Ich selbst hatte auch Depressionen – schon meine Oma hatte sie und hat diese immer mit einem „Ring um den Kopf“ beschrieben. Erst als ich selbst daran erkrankte habe ich verstanden, was sie damit meinte. Ich war gefangen in mir selbst. Kennst du diese Gefühle und wie wirst du damit fertig?
Natürlich kenne ich diese Gefühle. Eine Depression oder eher gesagt die Krankheit selbst nimmt dir ja alles was dich vorher vielleicht ausgemacht hat. Sie nimmt dir deine Intelligenz, deine Kreativität, deine Motivation, deinen Antrieb, dein Erinnerungsvermögen und viele weitere Dinge die du sowieso im alltäglichen Leben brauchst. Es ist sehr schwer dorthin zurückzufinden wenn man erst mal den Faden zu dem allem verloren hat und zur 100%igen Topform kommt man sowieso nicht mehr. Du weisst das das alles da ist, all deine Fähigkeiten aber du kommst dir gefangen vor weil du sie nicht einsetzen kannst und dies frisst dich nach und nach innerlich auf. So richtig fertig wird man mit sowas vermutlich nie denn das ist schon ein sehr großer Verlust mit sich selbst aber man kann an sich wieder arbeiten um das zu fördern was noch da ist und dies gibt dann auch meist wieder Hoffnung auf mehr. 6. Was tust du gegen die Depressionen?
Ich befinde mich zur Zeit in Reha. Erst war es die Gesundheitliche in der man wieder „aufgebaut“ wird. In der geht es eben um dich und deinen Seelischen Zustand. Ganz individuell wirst du therapiert und auf Medikamente eingestimmt welche dir dann den Alltag einfacher und die Depression dir besser handhaben lassen. Danach geht es in die beruflichen in der ich mich mittlerweile befinde wo die Integration in den Arbeitsmarkt stattfindet. Hierbei wirst du aber nicht nur darauf vorbereitet sondern hast über die Institutionen auch eine super Chance etwas gutes und langfristiges zu finden! Neben der Reha ist wie bereits geschrieben auch die Medikamenteneinnahme wichtig. Meist kommt da der Wirkstoff Venlaflaxin zum Einsatz, ein Antidepressivum.
7. Welche Dinge machen dich trotz Depressionen glücklich? Kannst du Glück eigentlich annehmen – denn ich konnte das damals nicht? Das mit dem Glück ist so eine Sache....
Glücklich zu sein ist eine Fähigkeit. Um sich glücklich zu fühlen muss ein Auslöser vorhanden sein also ein „Sender“ was zB. ein toller Film, ein neues Buch, Musik oder sonstiges sein kann. Zu einem Sender gehört dann logischer weise auch ein Empfänger und das sind in dem Punkt wir dann. Ist der Empfänger defekt so kommt das Glück nicht an. Ich assoziiere mit defekt jetzt die Depression. Diese blockiert die Aufnahme durch unkontrollierte Gedankenströme, Motivationsverlust, Müdigkeit, Einbuße von Intelligenz und vielem anderen so dass wir im Endefeckt gar nicht mehr fähig sind Glück als solches zu empfinden oder gar wahrzunehmen. Dies alles geschieht gegen unseren Willen wodurch wir uns oftmals einfach dieser Situation hingeben und alles um uns rum zusammenbricht. In diesem Stadium ist es wichtig den Kreislauf der sich dadurch bildet frühzeitig zu durchbrechen und zu agieren. Ich habe dies mit Musik und meinem Blog gemacht. Heute ist es mir etwas einfacher damit umzugehen wenn auch noch nicht so wie ich es gerne hätte. Menschen helfen mir an der Stelle auch sehr wie zB meine Freundin die versucht immer für mich da zu sein wo sie kann. Unsere Beziehung gibt mir momentan sehr viel halt und lässt mich dazu auch etwas zuversichtlicher in die Zukunft blicken..
8. Was würdest du anderen Menschen mit Depressionen raten?
Anderen Menschen rate ich stets nie aufzugeben. Ich zeige Präsenz im Netz um anderen Mut zu machen, ihnen zu zeigen „Hey, du bist nicht alleine!“ Mit meinem Blog möchte ich eben mehrere Kategorien abdecken. Zu einem soll er Unterhaltung bieten aber auch informieren, eine Anhaltestelle für all diejenigen sein die sich alleine fühlen und andererseits aber auch Einblick in mein Privates bieten denn nur so ist es auch authentisch.
9. Was für Erfahrungen hast du mit Psychiatern und Psychologen gemacht? Viele Menschen haben ja Angst, sich vor ihnen „nackt“ ausziehen zu müssen.
Ich kann diese Angst nicht teilen. Ich meine, ich weis dass das Menschen sind die A: nichts mit mir zu tun haben, B: alles an Informationen, Geschichten usw. für sich behalten müssen und C: einfach nur da sind um einem zu helfen. Klar ist das anfangs nicht so ganz einfach aber es macht sich bezahlt!
10. Wie geht es dir heute?
Zurzeit befinde ich mich immer noch in der Reha und arbeite an mir und meiner Krankheit. Es wird ein Lebenslanger Kampf sein damit zurecht zu kommen, das weis ich auch genau aber ich habe eine tolle Frau an meiner Seite die mich unterstützt sowie meine Familie die für mich da ist und somit wird es von Zeit zur Zeit ein kleines Stückchen besser. Natürlich gibt es Tage in denen ich weiterhin in Depressionen verfalle, am liebsten mein Leben beenden möchte oder einfach nur noch will das es aufhört in meinem Kopf so herumzuspuken... aber irgendwo kann ich dann im Ernstfall eine kleine Erinnerung hervorholen die mich wieder auf andere Gedanken bringt und mir hilft mich auf meine Zukunft zu konzentrieren!
11. Wie siehst du deine Zukunft?
Zuversichtlich. In einem großen Haus irgendwo im Dorf, mit meiner Freundin, einem Kind und ein Haustier. Das ist was ich mir erfüllen will, alles andere gibt es dann gratis dazu. * * * Und genau das wünsche ich dir von ganzem Herzen! Lieber Selli, ich danke dir für diese offenen Worte und die Beispiele, die mir sehr sehr bekannt vor kommen. Verstehe es nicht falsch, aber es beruhigt zu wissen, dass es mehr Leute gibt, die diese Krankheit haben. Ich glaube, du weißt wie ich das meine und kennst dieses Gefühl. Dein Interview hat mir gezeigt, dass Situationen nicht immer nur ausweglos sein müssen auch wenn sie so scheinen und dass man lernen kann, damit zu leben.
Das Thema Depressionen wird in der Öffentlichkeit noch immer totgeschwiegen, dabei leiden mehr Menschen als gedacht an dieser Krankheit. Allerdings gibt es Anlaufstellen – Menschen, an die man sich wenden kann und Organisationen, die helfen können.
Wer sich selbst über das Thema Depressionen informieren möchte oder wer selbst Depressionen hat und Hilfe braucht kann sich an folgende Adressen wenden:
Für Österreich: http://www.depressionen.at/
Für Deutschland: http://www.deutsche-depressionshilfe.de/