INTERSTELLAR
USA 2014
Mit Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica Castain, Michael Caine, Matt Damon, Mackenzie Foy, Casey Affleck, Ellen Burstyn, u.a.
Drehbuch: Christopher & Jonathan Nolan
Regie: Christopher Nolan
Deutschsprachige Kinoauswertung 2014 unter dem Originaltitel
Dauer: 170 min
Viel ist zurzeit über den neuen Film von Christopher Nolan (Inception) zu lesen – und auch ich möchte mit meinem Senf nicht hinter dem Berg halten, denn ich halte Interstellar für den interessantesten Beitrag Hollywoods im aktuellen Filmgeschehen!
Es handelt es sich dabei um ein Science-Fiction-Epos im klassischen Sinn – ohne Aliens, Weltraumschlachten und wildgewordene Maschinen, die es in actionreichen Schlachten zu bekämpfen gilt. Interstellar wirft einen Blick auf die Probleme der Welt in nicht allzuferner Zukunft – vor dem Hintergrund einer Familiengeschichte und eines Zeitparadoxons.
Die Wissenschaft ist sich einig, dass die Menschheit auf der sterbenden Erde nicht mehr lange überleben wird – die Atmosphäre ist lebensfeindlich geworden, viele Erdbewohner sind in den Bauernstand gezwungen worden, um die Nahrungslieferungen zu sichern. Die Nutzpflanzen werden trotz fieberhafter Bemühungen der Wissenschaft von unkontrollierbaren Seuchen dahingerafft. Die NASA gibt es nicht mehr, jedenfalls nicht offiziell. Im Untergrund werkelt allerdings ein kleines Häuflein ehemaliger NASA-Leute am Plan, das Überleben der menschlichen Rasse im Weltraum zu verwirklichen. Man hat nämlich ein Wurmloch enteckt, das zu einer entfernten Galaxie führt, in welcher erdähnliche Planeten existieren. “Evakuation” ist das Stichwort.
Soviel zur Rahmengeschichte. Den Kern von Interstellar macht das Dilemma der Hauptfigur, des ehemaligen NASA-Piloten Cooper aus, seine geliebten Kinder zu verlassen um der Menschheit das Überleben zu ermöglichen. Cooper ist nämlich der Einzige, der noch über das Wissen und die Fähigkeiten besitzt, ein Raumschiff durch solch ein riskantes Vorhaben zu manövrieren.
Familie vs Weltrettungsmission: Christopher Nolan spielt mit seiner Ausgangslage maliziös zwei vom konservativ veranlagten US-Kino oftmals propagandistisch eingesetzte Grundthemen gegeneinander aus. Am Schluss seines fast dreistündigen Werkes hat er beides unter einen Hut gebracht – indem er die herkömmliche Sicht auf die Welt vollständig in Frage stellt.
Interstellar ist in erster Hinsicht hervorragendes, intelligentes Erzählkino. Nichts für einfache Gemüter, denn was einem Nolans Film da gegen das Ende hin plausibel machen will, setzt im Publikum die Fähigkeit des Querdenkens voraus. Zuviel möchte ich nicht verraten, nur soviel: Da im Weltraum die Zeit langsamer abläuft als auf der Erde, altern die Zurückgebliebenen schneller als die Weltraumfahrer. Die zahlreichen Pannen, welche die Mission regelrecht heimsuchen, verringern die Wahrscheinlichkeit, dass Cooper seine Kinder je wiedersehen wird, weil diese Pannen zu Verzögerungen führen und dadurch die Möglichkeit erhöhen, dass Coopers Nachkommen vor ihm an Altersschwäche sterben.
Nolans Film beginnt in ruhigem Ton, er nimmt sich wohltuend viel Zeit dafür, seine Figuren und deren Situation zu etablieren. Entsprechend lange wird er dauern (170 min), doch wirklich lang wird er einem nie. Christopher Nolan und sein Bruder Jonathan, der am Drehbuch beteiligt war, sind glänzende Erzähler und wissen, wie man das Interesse des Publikums am köcheln hält; dramaturgisch beeindruckt Interstellar. Die filmische Umsetzung bleibt konventionell, was aber angesichts der ausnahmslos hervorragenden darstellerischen Leistungen kaum negativ ins Gewicht fällt. Zudem gelingen Nolan – nicht zuletzt mit Hilfe der Computeranimation – Bilder, die man kaum verigsst!
Interstellar ist ein anregendes, wenn auch nicht immer glaubhaftes Kinostück über die Grenzen menschlicher Wahrnehmung und darüber, was uns diese Begrenztheit möglicherweise vorenthält. Kinobesuch empfohlen!
TRAILER:
VORHER-NACHHER:
Christopher Nolan hat zuvor die Batman-Kiste The Dark Knight Rises gedreht (2012). Aktuell ist kein neues Regie-Projekt von ihm angekündigt.
Drehbuchautor Jonathan Nolan hat zuvor ebenfalls am Film The Dark Knight Rises mitgeschrieben. Aktuell arbeitet er an einer TV-Serie namens Westworld, die sich noch in Produktion befindet.
Matthew McConaughey war vor Interstellar in der Titelrolle der TV-Serie True Detective von Nic Pizzolatto zu sehen. Gerade befindet sich der nächste Film mit ihm in der Hauptrolle in der Post-Produktion: Gus van Sants The Sea of Trees.
Anne Hathaway konnte man vor Interstellar – zumindest in den USA – in der zweifelhaften Sci-Fi-Klamotte Don Peyote von Michael Canzoniero und Dan Fogler sehen. In der Post-Produktion befindet sich gerade The Intern von Nancy Myers, wo sie an der Seite von Robert DeNiro zu sehen sein wird.
Jessica Castain war vor Interstellar in Liv Ulmanns Verfilmung des Strindberg-Klassiker Miss Julie zu sehen, danach in J.C. Chandors Drama A Most Violent Year.